09.08.2024 – Die AfD lässt ihren Dreckswahlkampf von der Realität erledigen

Nach ca. 15 Jahren auch in Hannover.

Thema in diesem Blog seit Jahren: Der Kapitalismus ist in einer Übergangsphase, unsere bürgerlich-liberale Gesellschaft löst sich nach Jahrzehnten der Stabilität auf und der Faschismus als extremste Form bürgerlicher Herrschaft ist auf dem Vormarsch. Wie der Vormarsch in seiner militanteren Form aussehen kann, ist zur Zeit in England zu begutachten, wo der faschistische Mob auf den Straßen seit Tagen nicht unter Kontrolle gebracht werden kann. In der Mehrzahl agiert er in Hafenstädten, wo der Verfall der klassischen Arbeiterklasse, der ehemaligen weißen, männlichen Facharbeiterelite, am fortgeschrittensten ist. Hier agiert SA-ähnlich organisierter Faschismus, den es in der Form bei den spontanistischen Ausschreitungen von Lichtenhagen noch nicht gab. Ca. 7 Prozent der englischen Bevölkerung befürwortet diese Gewalt, ca. 4 Millionen. Wenn von denen ca. 10 Prozent gewaltbereit sind, wären das ungefähr 400.000. Das entspricht der Mitgliederzahl der SA vor der Machtübernahme der Nazis. In England sind die Klassengegensätze ausgeprägter als bei „uns“, die Armut wesentlich elender. Aber da holen wir den Engländer noch ein. Anders als beim Fußball und den olympischen Spielen.

Hauptursache für den Vormarsch des Faschismus ist die wachsende Spaltung zwischen Arm und Reich. Immer mehr Superreiche auf der einen, immer mehr Arme, die zusehends verelenden, auf der anderen Seite. Die Mitte der Gesellschaft, ihre tragende Säule, erodiert, fühlt sich vom sozialen Absturz bedroht und reagiert darauf zusehends aggressiv. Sie tritt nach unten.

Wenn ich sowas erzähle, kann man das als Angstlust getriebene Wahnvorstellung eines unheilbar undogmatischen Linken abtun.

Wenn das millionenschwere Investmentbanker erzählen, die das Herz der Bestie von innen kennen, hat das eine andere Bedeutung.

Gary Stevenson z. B. wuchs in einfachen Verhältnissen auf und verdiente später als Investmentbanker Millionen. Inzwischen wirbt er dafür, große Vermögen stärker zu besteuern. Nur so seien die westlichen Gesellschaften zu retten.

Siehe hier:    

 Zitate: „

… Ich kam zu dem Schluss, dass der Grund für die Flaute der westlichen Volkswirtschaften ein wachsendes strukturelles Problem der Vermögensungleichheit ist. Und dieses Problem wird immer größer. Die Ungleichheit wird schneller wachsen und schließlich außer Kontrolle geraten….

…. Wir befinden uns derzeit in einer Phase der sich schnell ändernden Vermögensverteilung. Wir hatten eine 60- bis 70-jährige Periode in Westeuropa, in der wir eine große, bedingt wohlhabende Mittelschicht hatten. Das ist eine historische Anomalie. Und jetzt verlieren wir das, weil die Mittelschicht ihren Wohlstand an die Eliten abgibt. Es gibt einen massiven Vermögenstransfer innerhalb unserer Gesellschaften, der für Reiche sehr gut funktioniert…

….. die Geschwindigkeit, mit der sie die Mittelschicht enteignen und die Lebensstandards für normale Leute verringern, ist so hoch, dass sie die westlichen Gesellschaften destabilisieren

In der ganzen westlichen Welt gewinnt die extreme Rechte an Popularität. Und es ist wirklich schwer, dabei nicht an das frühe 20. Jahrhundert zu denken. Wenn die Mainstream-Politiker keine Lösungen zum Erhalt der Lebensstandards haben, werden die Leute nach extremeren Alternativen suchen. …“

Wenn Sie mich fragen, lieb Leserinnen: Die Leute haben die extremen Alternativen gefunden. Die Wahlen in der Ostzone im September werden das an den Tag legen.

 Die AfD macht vor den Wahlen sehr geschickt: Sie hält die Füße still. Nichts zu sehen, nichts zu hören. Die AfD lässt ihren Dreckswahlkampf von der Realität erledigen, die schmutziger und hässlicher, realer und wirksamer als jede rechte Hetzkampagne den Abgehängten ihr Elend vor Augen führt und die noch nicht Abgehängten mit Angst vor dem Absturz erfüllt

05.08.2024 – Olympiade, Zwischenbilanz.

Ein Wort mit drei R hintereinander. Selten in der deutschen Sprache.

Ob das bei Olympia mit der Geschirrrückgabe gut klappt, entzieht sich meiner Kenntnis. Die Ökobilanz von solchen Megaevents wie Fußball-EMs, WMs, Olympiaden ist verheerend, das Geld sollte allein aus diesen Gründen in andere Sachen investiert werden. Es bleibt zu hoffen, dass mögliche deutsche Bewerbungen für eine Olympiade von der Bevölkerung der betroffenen Regionen verhindert werden. Eine gruselige Vorstellung: Olympia 2036, 100 Jahre nach der Nazi-Olympiade, wird von einer AfD-Kanzlerin eröffnet.

Solche Megaevents sind reine Kommerzveranstaltungen, bis unter die Halskrausen gedopt, voller Nationalismus und gefüllt mit irrsinnigem Geplapper. Kein zurechnungsfähiger Mensch hält das daueraufgekratzte Fröhlichkeitssimulationsgequatsche der TV-Moderationsattrappen mehr als 5 Minuten aus, die durch zwei Dinge gekennzeichnet sind: Eine chronische Gesichtslähmung, die wohl Grinsen darstellen soll. Und die vollständige Abwesenheit von Kritik. Es sei, denn es ginge gegen den Chinesen. Wg. Doping. Man kennt ihn ja, den Chinesen, hinterhältig nur einmal.

Dabei ist Jeder da mit irgendwas gedopt, von der Athletin über den Kabelträger bis zur Moderatorin hin zum Staatspräsidenten, Koks, Speed, Gras, Upper, Downer, Alk, etc. pp.

Das einzig Tröstliche an dieser Hanswurstiade ist die deutsche Medaillenbilanz. Mal wieder desaströs, wie beim Fußball. Abgehängt, schlaff, leistungsunwillig, so isser, der Deutsche 2024. Arbeiten will auch keiner mehr. Und nach Ende der Spiele werden wieder die stabilen Genies des neoliberalen Zeitgeistes raunen, da bestünde doch ein Zusammenhang zwischen der ökonomischen Bilanz der letzten Jahre und der in den Medaillen und beim Fußball.

Anders als nach dem Krieg, siehe Wirtschaftswunder, will keiner mehr in die Hände spucken. Höchstens um sich die Hare zu gelen für das Freizeitvergnügen, Disco und yeah yeah yeah. (Siehe dazu auch hier)

Die Leistungsbilanz wird ja noch verheerender, wenn wir uns vergegenwärtigen, in welchen Sportarten „wir“ noch Medaillen gewinnen. Vor allem im Pferdesport, also da, wo sich die Elite tummelt (Angehörige des Prekariats können sich eher keine Zossen leisten). Bogenschießen, Rudern noch, nichts, was in sozialen Brennpunkten praktiziert wird. Solche Sportarten sind teuer.

In jenen dagegen, wo es nur um den Körper, die Willenskraft geht, getreu dem Motto „flink wie Windhunde, zäh wie Leder, hart wie Kruppstahl, “ in der Leichtathletik und im Schwimmen, da hinkt der Deutsche, vor allem der der niederen Stände, im wahren Wortsinne ermattet hinterher. Bis auf Ausnahmen muss man froh sein, wenn kein deutscher Athlet im Schwimmbecken ertrinkt oder sich auf der Laufbahn die Beine bricht.

Wie soll man mit so einer Ansammlung von Flaschen und Nullen das Wachstum ankurbeln, die Leistungsbilanz positiv drehen und Nato-Kriege gegen den Feind im Osten führen?

Bei der vorherrschenden Grundeinstellung wird doch in jedem Bataillon bei der ersten Granatenexplosion eine Selbsthilfegruppe der Hörgeschädigten gegründet.

Da müssen andere Saiten aufgezogen werden. Als erstes nehmen wir uns die Stütze-Sauger vor, denen ziehen wir mal ordentlich die Hammelbeine lang. Und wenn das erfolgreich durchgeht, kommen andere dran, die jetzt noch glauben, sie seien in Sicherheit, wenn sie nur laut genug gegen Bürgergeldbezieher hetzen.

Und nun zum Triathlon, wo wir gerade Gold gewonnen haben. Triathlon, auch so ein Sport, bei dem der gemeine Angehörige des Prekariats noch nicht mal weiß, wie man das schreibt.

04.08.2024 – Dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind

DDR-Bronzerelief am Berliner Marstall. Das hat die Säuberungsaktionen der Sieger nach dem Anschluss der DDR an die BRD gegen fast alles, was nach Marxismus riecht, überlebt. Anders als der Palast der Republik um die Ecke. Wegen Asbestalarm abgerissen. Wenn es danach ginge, müsste die halbe Republik abgerissen werden. Reine Siegerwillkür.

Dort steht jetzt das Humboldtforum, eine pseudohistorische Rekonstruktion, ein verkitschter Disneybau, der die Geschichte des 20. Jahrhunderts ausradiert und mit dem ganzen Preußen-Gerümpel der Umgebung völlig unkritisch den Ungeist früherer Jahrhunderte feiert. Der Bau wurde von Eliten-Nazis der BRD cofinaziert. Konsequent: Oben auf der Kuppel das christliche Kreuz und die Inschrift „Dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind“. Sakralkitsch pur, von 1844. Sowas begründete jenen damals aufkeimenden deutschen Imperialismus ideologisch, der dann im Grauen zweier Weltkriege und dem Holocaust endete. Im Namen Jesu wurden in früheren kolonialen, imperialistischen Eroberungskriegen Millionen unter die Erde gebracht. Die Inschrift ist eine konsequente Weiterführung der Sammlungen im Ethnologischen Museum im Humboldt Forum mit tausenden Raubstücken aus allen Erdteilen der Welt. An denen sich das Bürgertum aus aller Welt ergötzt und kulturell labt. Das Humboldtforum war 2023 das meistbesuchte Museum Deutschlands.

Es sind nicht nur die rechten Schläger in der Ostzone und die AfD Wählerinnen „drüben“, die ihrer Wut unter anderem über gestohlene Identitäten wie den Palast der Republik, die Entwertung ihrer Biografien und ihre Degradierung zu Niedriglöhner*innen der Republik freien Lauf lassen, die die Demokratie bedrohen.  Es sind auch die Burberry gewandeten antidemokratischen Eliten aus dem Dunstkreis des Humboldtforums. Sollte sich morgen der märkische Sandboden auftun und diesen dreimal verfluchten Bau verschlingen, ich weinte ihm keine Träne nach.

Die Ehrlichkeit des Chronisten gebietet es zu erwähnen, dass ich unlängst dorthin retirierte zwecks Erholung im Liegestuhl auf Kunstrasen von der Brandenburger Tor-Fanmeile der EM.

Es war warm, die Palmen wiegten sich im Winde, der kühle Weißwein convenierte durchaus, für einen Moment konnte die Fassade für echt alt und schön gehalten werden und ich sah entspannt dem Prekariat aus aller Welt beim Aufbau der Bühne für das „Durchlüften“-Festival zu. Eine Band kam zum Soundcheck, alles Schwarze. Musik vom Sufi Dub, tansanischer Bongo Flava und Balochi Benjo Klänge aus Pakistan, Worldmusic beim Festival, wie sie das alternative, rotgrüne Herz der Metropole so liebt. Und was am schönsten ist: Das Ganze ist umsonst.

Zu erwähnen bleibt noch der Grund meiner Erschöpfung: ich hatte einem Gast zum Abschluss einer „Berlin in 6 Stunden-Tour“ die Prachtmeile „Unter den Linden“ gezeigt, mit der Humboldt-Uni, dem Deutschen Historischen Museum, der Staatsbibliothek, dem Reiterstandbild Friedrich des Großen, dem Pariser Platz mit dem Brandenburger Tor etc. pp. Beeindruckend.

Solche Tage sind für mich wie ein Mosaik, wo sich aus ganz vielen, bunten, unterschiedlichen Steinchen ein Bild der zeitgenössischen Republik zusammensetzt. Und so bunt das Bild auch sein mag, so düster wirkt es auf mich.

03.08.2024 – Ihr könnt sagen, ihr seid dabei gewesen.

Am 31.07.2024 hatte das Kaufhaus Lafayette in der Berliner Friedrichstr. seinen letzten Tag.

Jetzt schließen sogar schon die Luxuskaufhäuser in der City, das KaDeWe hat ebenfalls nicht erst seit der Benko Pleite Schlagseite. Eigentlich heißt es, Luxus ginge immer, aber selbst das gilt angesichts des Strukturwandels der Innenstädte nicht mehr. Die Innenstädte sind tot und es gibt kein derzeitiges Konzept, was sie wiederbeleben kann. In ein paar Jahren sind auch die letzten Kaufhöfe und Karstädter dicht und dann breitet sich ein Leichentuch über die Cities. Handelsüblich hilflose Vorschläge von den üblichen Verdächtigen aus der linksalternativen Öko-Ecke, die Kaufhäuser mit Kultur zu bespielen, sind naiv angesichts der Milliarden Spekulationssummen, die da im leeren Raume stehen. Da lassen Investoren die Gebäude lieber jahrelang leer stehen. Die seit Jahrzehnten bis auf die Knochen korrumpierten lokallkommunalen Betonmafiosi verhindern zuverlässig rechtlich möglich Eingriffe bis hin zu Enteignungen nach den Paragrafen 14 und 15 Grundgesetz. Möglich wäre ein Umbau zu Wohnungen, das wäre aber ein jahrzehntelanger Umstrukturierungsprozess, weil für menschenwürdiges Wohnen in den Cities erst die Infrastrukturen (wieder) geschaffen werden müssen, von Schulen über Pflegeeinrichtungen bis hin zu Spielplätzen, Parks, ÖPNV etc.
Das kostet Geld. Das wird aber für Kriege gebraucht. Und eine Schuldenbremse wird von der neoliberalen Finanzmafia um Lindner und demnächst Merz so zuverlässig verhindert wie eine Kindergrundsicherung, Klimaschutz, sozial gerechte Bildung und Gesundheit … Wie irrsinnig diese weltweit bis auf die ohnehin unappetitliche Schweiz fast einmalige Schuldenbremse ist, sieht man daran, dass Deutschland im Vergleich eine der niedrigsten Verschuldungsquoten weltweit hat, die seit Jahren in Relation zur Staatsquote insgesamt auf ähnlichem Level ist. Als ob die Verschuldung unser Probem wäre, im Vergleich zu Klimakrise, Inflat üionen, Seuchen, Armut, Migration etc…
Und ist es auch Wahnsinn, so hat es doch Methode und ich finde es erschreckend, aber auch faszinierend, Zeuge der Konsequenzen dieses Wahnsinns zu sein. Ein Gefühl für die psychopolitischen Auswirkungen der Zerstörung unserer Lebensgrundlagen von der Natur über die Kultur bis zu den Städten kann nur der wirklich und tiefgreifend erlangen, der sich jenseits der theoretischen Ebene, jenseits seiner individuellen Wohlfühlzonen, mit der Realität konfrontiert. Hautnah, mit allen Sinnen


Und so stand ich am 31.07 im Lafayette. Dem Spruch des Geheimrats folgend, den er real nie gemacht hat: „„Von hier und heute geht eine neue Epoche der Weltgeschichte aus, und ihr könnt sagen, ihr seid dabei gewesen.“ Kleiner mach ich’s nicht.
Ein Gefühlscocktail von Wehmut, Melancholie, Ärger, Trauer durchwob mich, schon gar angesichts der Tatsache, dass die kleine Bar, mit Restaurant, im Basement schon geschlossen hatte. Ab und zu hatte ich in einem Anfall von Luxus dort einen Crémant getrunken, in diesem eigentümlich-veralteten Ambiente von französischer Lebensart, savoir-vivre. Wenn es einen Ort von demokratischem Luxus gegeben hat, dann das Lafayette.

Wo auch die niederen Schichten mal durchflanieren konnten, an Versace, Dior und Chanel schnuppernd, und – wie ich – teilhaben am Ganzen mittels eines Gläschens. Wir kamen mit einer Frau, offensichtlich den gehobenen Ständen zugehörig, ins Gespräch. Für sie war das Ende des Lafayette ein Verlust an Kommunikation und Teilhabe, kam sie doch regelmäßig ein-, zweimal die Woche für Gläschen dorthin, zum Schwätzchen, und fluchte – dezent – nun auf das Internet, dass den Einzelhandel und überhaupt alles Stilvolle kaputt macht.

Es gibt tragischere Schicksale, draußen vor der Tür, Obdachlose auf Bänken, aber auch dieses gehört dazu, zum Verfall von bewährten kulturellen, sozialen Standards. Und es gehört zur Produktion einer Stimmung in der Gesellschaft, die definitiv nicht Demokratie erhaltend wirkt.
Ein paar Jacken und drei, vier Flaschen Rotwein standen noch zum Verkauf, für 50 Prozent. Zwei Haut-Brion und ein Mouton-Rothschild, je um die 1.300 als Altpreis. Ich äugte in mein Nordsee-Portemonnaie. Das würde nichts werden, mit mir und dem Rothschild. War mal wieder Ebbe.

31.07.2024 – Recht auf Faulheit!

NP, 08.10.1991. Wie wir einmal den Sieg der Linken verhinderten. Wenn schon Blick in den Rückspiegel, dann aber richtig. Einer meiner absoluten Lieblings-Medienskurrilitäten, die über mich erzählt wurden. Die Linken glaubten diesen Unsinn auch und boten uns eine proletarische Tracht Prügel an. Da wär ich gerne dabei gewesen. Dieser Artikel ist aber insofern von unschätzbarer Dokumentationsqualität, ist hier doch nachgewiesen, dass SCHUPPEN 68 die erste Satirepartei in Deutschland war, die zu einer Wahl antrat. Die Parte „Die Partei“ wurde erst 2004 gegründet.

So erhaben der Blick zurück sein mag, so trostlos ist der in die politische Gegenwart. Ganz zu schweigen von dem in die Zukunft. In den letzten beiden Blogs ging es um Fakten und Einordnung der aktuellen Hetzkampagnen gegen Bürgergeld-Empfänger*innen, Populisten aller Art können sich der breiten Unterstützung des Mobs dabei sicher sein. Die sind ja alle faul und wollen nicht arbeiten.

Ach, wenn es doch nur so wäre. Alle, die trostlose, schlecht bezahlte, krankmachende, sinnlose Arbeit verweigern, haben das moralische Recht auf ihrer Seite und verdienen das Bürgergeld allein als Schmerzensgeld für all die Kränkungen, die sie erfahren. Das Bürgergeld muss verdoppelt werden, allein für die Funktion des gesellschaftlichen Sündenbocks, die allen Stütze-Bezieherinnen angehängt wird.

Teile der Begründung für das Recht auf Faulheit liefert der Schweigersohn von Karl Marx, Paul Lafargue, in der gleichnamigen Schrift  von 1880!

Eine Argumentation, die man heutzutage in der Öffentlichkeit nicht verwenden kann. Wer den Fetisch, die Religion „Arbeit“ antastet, begeht einen Tabubruch und wird für verrückt und asozial erklärt. Dabei ließe es der Stand der Produktivkräfte längst zu, alle entfremdete, zerstörende Arbeit zu automatisieren. Was immer häufiger passiert, siehe Gastronomie- und Pflegeroboter. Das könnte den Menschen Freiheit von entfremdeter Arbeit bringen, würde aber die Axt an die Wurzeln des Kapitalismus legen. Daher kommen die Profite der Automatisierung weiter den Konzernen und Monopolen zugute, deren Reichtümer unfassbare Ausmaße annehmen. Die Risiken und Kosten werden der Gesellschaft, dem Staat überlassen. Der daraufhin eine Hetzjagd gegen die Opfer dieser Entwicklung lostritt. Was für eine verrückte Welt.

Und niemand, noch nicht einmal die Filosofen, Denker und Kulturschaffenden denken mal radikal dagegen an, weil sie sich erschöpft in die Verhältnisse ergeben haben. Alle. Bis auf einen.

30.07.2024 – Der Himmel aber verfluche die Heuchelei und das Pharisäertum der Selbstgerechten in der BRD, sie wird der Zorn des Gerechten treffen.

Linden-Limmer Buch. Hannover 1998. Den zornigen Blick in die Gegenwart mildert der in die Vergangenheit. Früher war alles besser, früher war alles SCHUPPEN.

 Blick in die Gegenwart. Nachdem gestern die Abteilung Polemik & Attacke in Sachen gesellschaftliches Mobbing gegen Bürgergeld-Bezieher*innen bedient wurde, wenden wir uns heute der Abteilung Fakten & Zahlen zu.

Zitat Bundesministerium für Arbeit & Soziales, 24.07.2024:

„ …. Falsch: „Bürgergeld-Bezieher sind faul.“

Richtig: „Die Lebensumstände der Bürgergeld-Beziehenden sind vielfältig. Viele pflegen Angehörige, besuchen Sprachkurse, holen eine Ausbildung nach, sind alleinerziehend oder chronisch erkrankt. Von rund 5,6 Millionen Bürgergeld-Beziehenden sind zudem nur rund 4 Millionen überhaupt erwerbsfähig. Von diesen sind mehr als die Hälfte in ungeförderter Erwerbstätigkeit, in einer arbeitsmarktpolitischen Maßnahme, gehen zur Schule, studieren, pflegen Angehörige, erziehen Kinder oder stehen aus anderen, triftigen Gründen dem Arbeitsmarkt nicht oder nur sehr eingeschränkt zur Verfügung. Weniger als die Hälfte der erwerbsfähigen Bürgergeldbeziehenden sind überhaupt arbeitslos und hiervon wiederum verweigern nur einige wenige nachhaltig die Aufnahme einer Arbeit …. “

Wie viele verweigern die Arbeit, verstoßen gegen die Regeln?

Zitat Statistisches Bundesamt, 22.03.2024:

„ … Die CDU hat ein Konzept zur Veränderung des Bürgergelds vorgestellt, in dem es auch darum geht, Menschen die Arbeit verweigern, die Leistungen zu streichen. Wie die Statista-Grafik mit Daten der Bundesagentur für Arbeit zeigt, betrifft dies nur eine sehr kleine Gruppe der Hilfebedürftigen. So waren im Jahr 2021 nur 1,4 Prozent bzw. rund 52.000 Menschen von Leistungsminderungen betroffen, die aufgrund von Verweigerung der Aufnahme oder Fortführung einer Arbeit gegen sie verhängt worden sind. In den Jahren davor bewegte sich dieser Anteil auf einem ähnlich niedrigen Niveau.“

Hintergrund-Info: Die Hälfte der Bürgergeld-Bescheide sind falsch. Ca. ein Drittel der Widersprüche gegen Entscheidungen der Jobcenter sind erfolgreich. Ursache: Die Jobcenter sind zu einem unkontrollierbaren, willkürlich vorgehenden kafkaesken Bürokratie-Monster geworden. Es ist also davon auszugehen, dass sich die Zahl von 52.000 Sanktionierten im Nachgang noch erheblich reduziert.

Wie sieht es mit Regelverstößen beim Rest der Bevölkerung aus?

 Allein im Verkehrsbereich letztes Jahr 240.000 Straftaten und 4 Millionen Ordnungswidrigkeiten. (Die 52.000 Verstöße im obigen Sinne bei Jobcentern sind Ordnungswidrigkeiten.) Der Schaden von Regelverstößen nur im Verkehrsbereich mit Hunderten von Toten geht in die Milliarden.

Der materielle Schaden durch Arbeitsverweigerung durch eventuell unrechtmäßig bezogene Leistungen dürfte sich im knapp zweistelligen Millionenbereich bewegen. Der Schaden, den allein die Straftäter im Cum ex-Steuerbetrug angerichtet haben und weiter anrichten, ist mehr als tausendmal so hoch. Schätzungen gehen mittlerweile von 150 Milliarden Euro weltweit aus.

Nachtrag: Eine Steuer auf Milliardäre wurde bei einem Treffen von 20 Finanzministern aus aller Welt von zwei Ministern abgelehnt: USA. Und Deutschland.

Der Himmel aber verfluche die Heuchelei und das Pharisäertum der Selbstgerechten in der BRD, wird sie doch der Zorn des Gerechten treffen. Heißt es doch bei Matthäus 7,3  „Warum siehst du den Splitter im Auge deiner Schwester, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht?“

29.07.2024 – Ick kann janich so viel fressen, wie ick kotzen möchte!

Spiegel online, 29.07.2024, 7.31 Uhr, screenshot. Bei den abgebildeten Herren(menschen) neben dem Bürgergeld-Artikel handelt es sich um das CDU-Duo Gru & Selig. Links Carsten Nilleman, rechts Friedrich SchMerz. Oder umgekehrt. Beide sind nicht zu unterscheiden, sobald sie den Mund auftun. Bei den Beiden wurden erstmals Klonversuche von Menschen durchgeführt. Noch erfolglos, außer einer humanoiden Hülle haben beide im Verlauf des Experimentes menschliche Eigenschaften weitgehend verloren. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann kann sich für eine sechsstellige Zahl von Personen vorstellen, das Bürgergeld komplett zu streichen. Sechs Stellen geht bis 999.999.

Der Chef des CDU-Arbeitnehmerflügels Bäumler erinnert ihn daran, Menschen in Deutschland dem Hunger auszusetzen, sei mit dem christlichen Menschenbild nicht vereinbar.

Klaus-Dieter Gleitze, Chef des SCHUPPEN 68, ex Geschäftsführer der Landesarmutskonferenz Niedersachsen und führender Sozialexperte Norddeutschlands, erinnerte daraufhin Bäumler an die Bibel, in der es in 2.Thessalonicher 3,10 heißt: „Denn als wir bei euch waren, geboten wir euch dies: Wenn jemand nicht arbeiten will, so soll er auch nicht essen!“ Und weiter, 3.11: „Wir hören nämlich, dass etliche von euch unordentlich wandeln und nicht arbeiten, sondern unnütze Dinge treiben.“ Es gehört also sehr wohl zum christlichen Menschenbild, Menschen verhungern zu lassen, und zwar jene, die unordentlich wandeln und unnütze Dinge treiben.

Besser kann man die erfolgreichste Ideologie der Menschheitsgeschichte, die Kombination von Kapitalismus und ihn legitimierende christliche Ideologie, nicht in zwei Sätze fassen. Wohin eine derartige Ideologie führen kann, zeigt sich im zynischen Spruch „Arbeit macht frei“, der am Eingang der Konzentrationslager der Nazis stand und am Abgrund der Zivilisation, an dem zu Auschwitz. Der Philosoph und Theologe Kierkegaard dekretierte im 19. Jahrhundert einen Vorläufer dieses Spruchs: „Gerade durch die Arbeit macht der Mensch sich frei, durch die Arbeit wird er ein Herr der Erde, durch die Arbeit endlich beweist er es, dass er über der Natur steht.“

Das ist übrigens auch Marx pur, diese Vergötzung des Fetischs Arbeit, in der Auseinandersetzung mit der und Herrschaft über die Natur.

Wahrlich, wahrlich, ich aber sage Euch: „Was gibt es herrlicheres, als unordentlich zu wandeln und unnütze Dinge zu treiben.“

 Gerne würde ich das Schreiben des heutigen Blogs unter unnütze Dinge treiben subsummieren und hinterher unordentlich, nämlich nackt, im Garten in der Sonne wandeln. Es ist aber ein Akt der Aufklärung, den ich hier vollziehe, und insofern nützliche Arbeit.

Was ich besonders widerlich an Linnemann finde: Er drischt auf die Schwächsten ein, denen mittlerweile jede Kraft zur Gegenwehr fehlt.

Die Landesarmutskonferenz wird im ‘Au gust eine Satire-Aktion in der City von Hannover durchführen, bei der alle auf Bürgergeldempfänger*innen eindreschen können, so wie es zur Zeit in der Gesellschaft stattfindet. Sündenbock für alle Krisen dieser Zeit gesucht und gefunden. Siehe Altes Testament: „ .. So wird aus dem „Bock für Asasel“, der mit den Sünden des Volkes beladen in die Wüste geschickt wird, der „Sündenbock… “.

Die Realmontage oben im Screenshot „Bürgergeld streichen vs. Milliardensubventionen von DAX-Konzernen“ ist selbsterklärend.

Enden möchte ich mit einem Zitat des Berliner Malers Max Liebermann: „Ick kann janich so viel fressen, wie ick kotzen möchte!“

28.07.2024 – Das Leben ist ein schlechter Film

26.07.24: Die einzige Sonnenblume Goldener Neger, die bisher bei mir aufgeblüht ist. Normalerweise wölbt sich immer um diese Jahreszeit eine Kuppel von zahlreichen blühenden Goldenen Negern über meinem Haupt, wenn ich auf die Veranda trete.

Das Gras ist in einem desolaten Zustand. Der Dauerregen, mit teils extremen Niederschlägen in kürzester Zeit wie nie zuvor, lässt die Ernte auf dem Stängel verfaulen, verkümmert den Goldenen Neger und verhindert eine angemessene Reifung von Zucchini und anderem Gemüse.

Wir sind mitten drin.

Am 26.07.24 wurden zur Eröffnung der Olympischen Spiele durch Anschläge auf das Eisenbahnnetz in Frankreich die Hauptverkehrsadern stillgelegt. (Wenn Sie mich fragen: Linksextreme Handschrift, Gewalt gegen Exponenten und Strukturen des Systems. Faschisten wie Islamisten praktizieren immer Terror gegen die Massen). In Neapel gab es ein schweres Erdbeben auf den Phlegräischen Feldern. Donald Trump behauptete, würde er nicht gewählt, gäbe es einen dritten Weltkrieg. In Bayreuth gibt man zur Eröffnung der Wagner Festspiele „Tristan und Isolde“.

Wäre ich ein schlechter Regisseur, sähe mein Pitch für einen Blockbuster-Film ungefähr so aus:  

Intro: Schnell montierte Sequenzen von der Eröffnung in Bayreuth, wo sich die Elite der Republik mit Champagner zuprostend in edler Abendgarderobe ein fröhliches Stelldichein gibt. Tanzende bei einem Ball. Musik: Walzer. An der schönen blauen Donau.

Schnitt: Der Held des Filmes, er wird K. genannt, tritt auf seine Veranda und prüft mit düsterem Blick die Sonnenblumen- und Marihuana-Ernte. Es regnet ohne Unterlass. Musik: Die langsam anschwellende, düstere Ouvertüre von Tristan und Isolde. K. setzt sich an seinen Schreibtisch und notiert in sein Tagebuch, mit einem Montblanc Masters of Art-Füller, damit auch der letzte Blödmann merkt, K. ist was besonderes:
„26.07.2024: Das Leben ist ein schlechter Film. Überall bebt die Erde. Terroranschläge auf der ganzen Welt, der dritte Weltkrieg steht vor der Tür. Und nun steht es fest: Die Sonnenblumen-Ernte ist eine Katastrophe. Marihuana noch schlimmer. Durch den nie dagewesenen Regen verfault die Ernte auf dem Stängel. Hätte ich nicht noch 40 kg Gras aus früheren Ernten in der Scheuer, wäre ich erledigt. Nun muss ich in der Kita nebenan dealen, sonst komme ich nicht durch den Winter. Göttin helfe mir. …. „

Schnitt: Neapel. Kamerafahrt fängt buntes Leben in den engen Gassen ein. Dicke, fröhlich singende neapolitanische Mamas schrubben Wäsche in Bottichen und hängen sie zwischen den Häusern den engen Gassen auf, während dicke, fröhliche, schnauzbärtige Neapolitaner Lieder wie „La donna è mobile“ singen, Pasta und Pizza essen und sich fröhlich mit Rotwein zuprosten. Wie der Italiener halt so ist. Auf einmal ein schweres Erdbeben, Dachziegel fallen in die Pasta, die Neapolitanerinnen kreischen: Mamma mia und die Neapolitaner rufen lauthals: Pronto. Barolo. Ravioli. Mussolini. Dann wälzt sich ein gigantischer pyroklastischer Strom vom Vesuv herab und begräbt Teile Italiens unter sich.

Schnitt, in schneller Folge:

Explodierende Eisenbahnen, Bahnhöfe, Flughäfen, etc. Dunkle Gestalten mit Molotow Cocktails in der Hand und Corona-Masken eilen durch die Nacht

Schnitt:

Donald Trump, Mund in Großaufnahme:
„Heute um 5.45 Uhr hat der Dritte Weltkrieg begonnen“. Atompilze überall.

Am nächsten Tag landen Aliens im Garten unseres Helden und implementieren in seinem Hirn neuronale Netze, die es ihm ermöglichen, binnen Sekundenbruchteilen Lösungen für alle Probleme dieser Welt zu identifizieren und in die Praxis umzusetzen, mit einfachsten Mitteln: Impfstoffe gegen Seuchen, Resistenzen gegen Strahlungen, Krebsheilungen und vor allem mit der Genschere  CRISPR/Cas  derartige Eingriffe in das menschliche Genom vorzunehmen, dass Menschen z. B. eine Allergie gegen den Kapitalismus entwickeln.

Das ruft natürlich alle Bösewichter des Planeten auf den Plan und endlose Hetzjagden auf K. beginnen. Filmisch hat das Ganze kafkaesken Charakter, was in Verbindung mit den Action Szenen neue ästhetische Maßstäbe setzt, eine neue Ära des postmodernen kapitalismuskritischen Filmes beginnt.

Roland Emmerich, übernehmen Sie.

So weit, so lustig. Der Auslöser für diese Flucht in filmische Phantasiewelten ist ein sehr prosaischer. Der nächtliche Wolkenbruch hat Wasser durch die Verandatür gedrückt. Nicht viel, die Fußmatte ist nass.  Aber sowas hatte ich noch nie.

Wir sind mitten drin.

24.07.2024 – Über die Funktion von Pop und Fußball als kulturelle Massenphänomene in Zeiten demokratischen Verfalls. Teil 2: Der Übergang.

Langspielplatte. Themenzentriert. Die Vinyl-Langspielplatte setzte sich nach dem Zweiten Weltkrieg deshalb als Medium durch, weil sie, industriell massengefertigt, kostengünstig Pop-Künstler*innen die Möglichkeit gab, Konzeptalben zu produzieren, sich detaillierter und intensiver mit Themen auseinanderzusetzen. Beispiel von 1969: Die Rockoper „Tommy“ von The Who . Technologische Veränderungen erweiterten also die künstlerischen Möglichkeiten und diese Dialektik trug mit dazu bei, den Pop aus seiner subkulturellen Nischenfunktion in den Mainstream und damit in eine globale, grenzenlose Kapitalverwertung zu integrieren, so wie sie sich heute darstellt. Aus emanzipatorischer Sicht ist die Frage: Wo, ab wann und wie schlägt der zeitgenössische, fast völlig entpolitisierte Pop vor allem in seiner Version als Stadion-Rock von einer reinen Kapitalverwertungsmaschinerie in ein Instrument um, das die kulturelle Hegemonie im Sinne einer Faschisierung der Gesellschaft befördert?

Ähnliches gilt auch für den Stadion-Fußball. Der ebenfalls aus einer Nischenkultur als Arbeitersport zu einem globalen Massenphänomen im Spätkapitalismus geworden ist und mit seinen kommerziellen Sumpfblüten und Korruptionen dessen neoliberale Auswüchse auf neue Höhen treibt.

Wer hätte nicht schon bei derartigen Stadion-Massenaufmärschen, den Rock-Dramaturgien mit ihren Lichtdomen, rauschhaften Fussball-Chorgesängen der Zehntausenden und ikonisch inszenierten Idolen auf der Bühne, auf dem Platz, an die Nürnberger Reichsparteitage auf dem (Led) Zeppelinfeld gedacht . Wo nach dem Krieg Rockkonzerte stattfanden.

Der Faschismus verfolgt im Wesentlichen drei Strategien, die sich parallel ergänzen und überlagern, zur Machtübernahme: Beteiligung an demokratischen Wahlen, die Ausübung von Gewalt und Terror, die Erlangung kultureller Hegemonie. Den aktuellen Stand der Machtbeteiligung mittels Wahlen werden wir im September beobachten, wenn die AfD in drei ostdeutschen Bundesländern die stärkste Partei wird. Flankierend haben jetzt die Nazis in Sachsen den einzigen parteilosen Landrat der nicht von der CDU gestellt wird, mit Gewaltandrohungen zum Rücktritt getrieben. Immer mehr Antifaschist*innen stellen drüben ihre Arbeit ein, aus Angst um ihr Leben. Unabhängige Jugendzentren machen „drüben“, aber nicht nur da, dicht. Sie fallen als wesentliche Träger diverser, bunter Kultur aus. Was bleibt, ist Stadionrock, Tekknofeste, Mainstreammüll. Und Rechtsrock. Die personellen Identitäten zwischen Rechtsrock, der Hoolszene im Fußball und faschistischen Parteien sind flächendeckend, tiefgreifend und verschaffen einer faschistischen Legitimation in der gesamten Alltagskultur eine schlagkräftige Durchsetzung.

Auch in Thüringen wird im September gewählt. Thüringen war das erste Land, in dem die NSDAP in der Weimarer Republik an der Regierung beteiligt wurde, 1930. Sofort wurde dort die Schul-Lektüre von „Im Westen nichts Neues“ von Erich Maria Remarque verboten und 70 Kunstwerke aus dem Weimarer Schlossmuseum als entartet entfernt.

Kulturelle Hegemonie, als Zangenbewegung, in diesem Fall von oben durchgesetzt.

Wenn man vor diesen Hintergründen die offensichtlichen psychischen Bedürfnisse der Konsumentinnen berücksichtigt, die im Stadion-Rock und Fußball befriedigt werden und die politisch funktionalisiert werden können, kann einem nur gruseln: Die Verschmelzungs-Sehnsucht, in der Masse aufzugehen, eins zu werden mit Zehntausenden, am Ende Millionen, Teil zu werden einer großen Erlösergemeinschaft. Und die bedingungslose Identifikation mit dem Führer-Idol, oben auf der Bühne. Oder auf dem Rednerpult.

Skurrile Randnotiz: Die Träger der früheren Nischenkulturen Pop und Fußball, Subkulturen und Arbeiter, sind vom Konsum „ihrer“ früheren Kultur in den Stadien mittlerweile durch den Preis ausgeschlossen. Subkultur-Angehörige, prekäre Existenzen wie Bürgergeldbezieher*innen, können noch nicht mal davon träumen, hunderte von Euro Eintritt, bei Schwarzmarktpreisen bis zu 5.000 Euro, für Taylor Swift oder ähnliche Konzerte zu bezahlen. Ähnliches gilt für einen Facharbeiter, der Familie hat. EM-Finale in Berlin? Eher nicht.

Demokratie im Übergang.  Quo vadis, Germania?

22.07.2024 – Über die Funktion von Pop und Fußball als kulturelle Massenphänomene in Zeiten demokratischen Verfalls. Teil 1: Die Geburt.

Bild, 22.06.2017. Warum uns die Welt beneidet. Kultur … Und Fussbal sowieso. Politische Stabilität nicht zu vergessen

Pop und Fußball sind global die herausragenden kulturellen Massenphänomene mit wachsender Bedeutung, auch ökonomisch. Beide sind die letzten Großerzählungen, die noch eine Klammer zwischen den disparaten gesellschaftlichen Gruppen herstellen können. Das letzte Lagerfeuer, an dem sich alle versammeln. Wenn einem nichts mehr einfällt, redet man über Taylor Swift und den gestohlenen Elfer bei Deutschland-Spanien. Da kann jede was zu sagen.  

Die Frage ist: Was richten diese Massenphänomene aus (oder: an?) in Zeiten demokratischen Verfalls, beschleunigen sie ihn, haben sie friedensstiftendes Potential? Neutraler, und grundlegender: Welche Funktion haben sie überhaupt?

Beide kommen ursprünglich aus Nischen: Fußball war jahrzehntelang Arbeitersport, abzulesen unter anderem an der immer noch quasi religiös beschworenen Einheit von Fußball und Kohlekumpels im Ruhrpott, siehe Dortmund und Schalke. Ein mit nichts mehr gefüllter Mythos. Pop, hier verstanden als alle populäre moderne Massenmusik wie Rock, Schlager, Jazz, Rap etc., war früher mit allen sonstigen Ausprägungen wie Mode, Sprache, Habitus eine Erscheinung der Subkultur. Sex and Drugs and Rock‘n Roll.

 Beide wurden vom bürgerlichen Mainstream verachtet, ja regelrecht gehasst, und von den Medien gemieden. Fußball wurde noch in den 70ern in der Sportschau gleichberechtigt übertragen neben Radball, Galopprennen und Rhönradfahren. Pop fand weder im TV noch im Radio statt bis in die 60er, da musste man schon amerikanische Soldatensender hören.

Das änderte sich mit dem gesellschaftlichen, technischen und ökonomischen Wandel im Rahmen und als Folge des Wirtschaftswunders. Wachsender Wohlstand, Aufkommen der Konsumgesellschaft, gesellschaftliche Schranken zwischen Klassen und Schichten wurden abgebaut, Liberalisierung, mehr Toleranz, kulturelle Neugier auf der einen und das Aufkommen neuer Medien wie das Fernsehen, Cassettenrekorder, Vinyl auf der anderenSeite, um nur ein paar Bedingungen für Wandel zu nennen: Die Trüffelschweine des Kapitals erkannten sofort zwei gigantische Goldgruben. In den 60ern wurde mit der Bundesliga der Profifußball in Deutschland eingeführt und dem Rock mit dem Aufkommen von Supergroups die rebellische, unkommerzielle Attitüde ausgetrieben. Love and Peace wurden zu Konsumartikeln. Ein Millionengeschäft, das sich im Laufe der folgenden Jahre in ein Milliardengeschäft ausweitete und seine Heimat im Stadion fand. Vergötterte Idole im Pop und im Fußball. Das Stadion ist die neue Kathedrale der Postmoderne, wo die Gläubigen in ekstatische Verzückung verfallen, wenn Christus an Drahtseilen vom Himmel schwebt. Eine beliebte Inszenierung bei Popkonzerten.

Das Analogon im Fußball ist die magische Berührung von und das Selfie von Flitzern mit dem Halbgott Ronaldo, vergleichbar mit der Heilung durch Handauflegen von Christus. Dessen Vater Zimmermann war. Zimmermann, da war doch was. Bob Dylan, teilweise der religiösen Rechten zugehörig , heißt eigentlich Robert Zimmermann. Halleluja.

Über die Bedeutung von Kulturindustrie im Spätkapitalismus gibt es in der Nachfolge von Adorno und Horkheimer, besser noch Walter Benjamin, massenhaft Literatur, von größeren Schlaubergern als ich es bin . Da es aber keine nennenswerte Linke mehr gibt, kein Schwein mehr Frankfurter Schule liest und kritisches Gedankengut auf dem Markt der Beliebigkeiten für ein Appel und Ei zu haben ist, kann man ja ab und zu an Grundlegendes erinnern. Vor allem dann, wenn der Spätkapitalismus in eine neue Phase eintritt. Niemand weiß, was dabei herauskommt und welche Funktionen Kultur dabei hat. Man kann daher gar nicht oft genug daran erinnern, dass Hauptstrategie faschistischer Machtübernahme die Herstellung von kultureller Hegemonie in der Gesellschaft ist. Der Spätkapitalismus ist aktuell offensichtlich dabei, sich von seiner lästigen Hülle Demokratie zu befreien, ohne den eigenen Untergang befürchten zu müssen. Wie wunderbar Spätkapitalismus ohne Demokratie funktioniert, kann man ja in China bewundern. Warum nicht auch bei uns?

Nachdem wir heute kurz die Geburt von Pop und Fußball als kulturelle Massenphänomene angerissen haben, gucken wir den beiden Kindern beim nächsten Mal zu, was für Schaden sie beim Erwachsenwerden anrichten können.