
Oleksij Makejew, Botschafter der Ukraine beim Sommerempfang der niedersächsischen CDU. Im Rahmen meiner sozioempirischen Feldforschung über divergierende Lebenswelten und habituelle Strukturen in der deutschen Parteienlandschaft war ich natürlich auch bei diesem Empfang. Etwas volksnäher formuliert: Es gab für lau lecker was zu Mampfen und alkoholische Getränke und ich konnte mit ein, zwei netten Leuten was abhängen und lästern. Außerdem ist es tatsächlich durchaus spannend und lehrreich, sich andere Lebenswelten anzugucken, immer nur in der eigenen Bubble zu blubbern, erweitert den Horizont nicht gerade. Und die Gastrede des ukrainischen Botschafters war ein Impuls. (Der Bubi neben ihm im Bild könnte der nächste niedersächsische MP sein, der derzeitige CDU-Chef Sebastian Lechner.) Der Botschafter sprach perfekt Deutsch, frei, humorvoll, ohne Forderungen zu stellen, stattdessen schilderte er seine Empfindungen im Krieg, was seine Familie in Kiew angeht. Das dürfte nicht nur bei mir Eindruck hinterlassen haben, ist was anderes als die Bilder im TV.
Grundsätzlich hat dieser Eindruck meine Sicht bestärkt: Frieden, so schnell wie möglich. Dass die offizielle Ukraine, so auch der Botschafter, das anders sieht, ist klar. Sieg, so schnell wie möglich und um (fast?) jeden Preis.
Wir wissen wenig über den Krieg, trotz der Bilder- und Informationsflut, die aber eher verschleiert als erhellt. Was wir wissen, in diesem Stellungskrieg sterben zehntausende, werden Hunderttausende verwundet, Millionen zu Flüchtlingen, traumatisiert. Ist das die nationale Integrität wert? Ist die Scholle des Vaterlandes soviel Blut und Verwüstung wert? Aus meiner Sicht nicht.
Der Stabschef von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat unlängst einen Vorschlag gemacht: Abtreten von Gebieten der Ukraine, im Gegenzug eine Nato-Mitgliedschaft und damit Schutzschirm für die Restukraine, als Grundlage für einen Waffenstillstand. Das hat der Mann natürlich nicht ohne Rückendeckung der Nato öffentlich gemacht.
Die Behauptung in hiesigen Medien und Politik, dass die Nato grundsätzlich keine Staaten aufnehme, die in Konflikten sich befinden, um da nicht mir hineingezogen zu werden, stimmt so nicht. Die BRD wurde 1955 Mitglied der Nato, obwohl sie den Verlust der Ostgebiete nach dem 2. Weltkrieg nicht anerkannt hatte und trotz der Existenz der DDR einen Alleinvertretungsanspruch für beide Staaten erhoben hatte, bis 1969. Eine ebenso irre wie unhaltbare Position, die einer unformulierten Kriegserklärung an die DDR und Polen nahe kam.
Natürlich ist die Nato nicht erst seit dem völkerrechtswidrigen Überfall auf Serbien in den Jugoslawienkriegen keine Vereinigung von Friedensaposteln und Lichterkettenschwenkern und gehört wie alle Militärbündnisse auf den Misthaufen der Geschichte, aber das ist im Moment eine akademische Diskussion.