27.01.2023 – Wie der Russe halt so ist. Der Ami aber auch.

Meine persönliche Weltuntergangsuhr steht seit Jahren auf 5 nach 12. Es ist eine Bundesbahnuhr. Welch feine Ironie (Für Bahnfreaks: Alte Miniatur Eisenbahn-Laterne mit Junghans Uhr). Im Sommer ist sie von Wein zugerankt, im Winter lacht mich das postapokalyptische Symbolgrauen in voller Pracht an.

Die reale Weltuntergangsuhr steht seit dem 24.01.23 auf einem neuen Rekordwert, auf 90 Sekunden vor 12. Begründung: „ ….  dass „die russische Invasion in der Ukraine das Risiko des Einsatzes von Atomwaffen erhöht, das Gespenst des Einsatzes biologischer und chemischer Waffen heraufbeschworen, die Reaktion der Welt auf den Klimawandel lahmgelegt und internationale Bemühungen behindert hat, andere globale Probleme anzugehen.“

Mal sehen, wo die Uhr nächstes Jahr steht.

Ab einem bestimmten Punkt wird der Russe, der Ami aber auch, so sind die Beiden nun mal, Atomwaffen einsetzen im Zuge der Eskalationsspirale. Wir wissen nur nicht, wann. Wir wissen nicht, ob der Ami die Zerstörung von New York und Washington für die Verteidigung von Riga, Reval oder Berlin riskiert, wie das laut Artikel 5 des Nato-Vertrages geboten wäre . Mein Tipp: Tut er nicht. Aber wissen weiß ich das auch nicht. Wir wissen sehr viel zurzeit nicht. Wir wissen Stand heute, dass der Ami (und der Franzmann) Kampfflugzeuge an die Ukraine liefern würde. Morgen sind wir schlauer.

Steht das, was wir zurzeit riskieren, in einer ethisch vertretbaren Relation zu unserem Nichtwissen?

Wenn Sie wissen wollen, warum meine Doomsday Clock auf 5 nach 12 steht, obwohl die Welt noch nicht in Scherben gefallen ist, zumindest bei uns in Mitteleuropa nicht, dem möchte ich mit einer kleinen Anekdote vom Lande weiterhelfen. Wer wie ich agrarisch sozialisiert ist und Hausschlachtungen miterlebt hat, weiß, dass geköpfte Hühner noch längere Zeit mit den Flügeln flattern, mitunter kopflos auf dem Hof rumrennen. Vitalfunktionen sind noch erhalten, obwohl die Rübe runter ist.

Oder um in der Scherben-Analogie zu bleiben: Mitunter hat die Schüssel schon einen Sprung, hält aber die Suppe noch. Noch.

So, jetzt geh ich auf die Veranda und stelle meine DB-Uhr auf 6 nach 12. Und dann ab in die Küche. Hühnerbrühe kochen.

 Entspanntes Wochenende, liebe Leserinnen

26.01.2023 – Düstere Aussichten

Schon wieder Schnee, Dunkelheit, Kälte. Wo bleibt der Klimawandel, wenn man ihn mal braucht. Auch sonst sind die Aussichten düster. Kaum sind ein paar Panzer zugesagt, kommt die Forderung nach Kampffliegern, Langstreckenraketen und Atomwaffen. Letzteres nicht explizit, das hab ich mal als logische Extrapolation der Eskalationsspirale dazu gedichtet. Kriegsmännerphantasien delirieren von den paar Leopold-Panzern als Durchbruch. Feuchte Träume. Blick in den Rückspiegel: Bei der größten Panzerschlacht der Geschichte 1943 bei Kursk waren auf Seiten Nazi-Deutschlands und der Sowjetunion insgesamt mehrere tausend Panzer beteiligt. Auch wenn dadurch die Offensive der Nazis gestoppt wurde, ein Durchbruch war das noch lange nicht, der Krieg ging noch über anderthalb Jahre mit zig Millionen Opfern weiter. Soviel zu den paar Leopold, wie sie unser neuer Schutzmann Schneidig Pistorius wohl mal genannt hat, und wir im Rahmen unserer Kreuzberg WG sie weiter bezeichnen. Das hat was österreichisch-gemütliches.

Des Weiteren diskutieren wir intern gerade das Verhalten im Ernstfall. Ich: „Mein Notfallrucksack für die griechische Insel ist gepackt, eine Flasche Crémant, eine Handvoll Silberdollar, Papiergeld ist dann eh nur noch für den Arsch, ein Beutel Gras zwecks Naturaltausch und eine Handvoll Samen, für eine nachhaltige landwirtschaftliche Zukunftssicherung.“

Aber will man das im Ernstfall, auf ner griechischen Insel, wenn hier alles in Schutt und Asche liegt. Dann lieber direkt ins Herz der Bestie zum final-schnellen Verdampfen. Zumal in Berlin gerade eine Ausstellung mit der phantastischen Nan Goldin läuft . Was Lou Reed im Rock‘n Roll war, ist Nan Goldin für die Fotografie. Jede Menge White light, white heat  …. Was wohl auch die Platte für meinen Notfallrucksack wäre: Rock n Roll Animal. Im Vergleich zu der Platte wird meine eigene Beerdigung eine Karnevalssitzung, was den Heiterkeitsfaktor angeht. Aber die Welt ist der Fall.

23.01.2023 – Zivilisation ist die Fortsetzung der Barbarei mit kultivierteren Mitteln.

Gestern Morgen Blick in den Garten. Freundinnen der Natur mögen ob des Anblicks in Verzücken geraten, ich setzte mir sofort die Hasskappe auf. Winter, kalt, dunkel, nass, Matsch, glatt, ausrutschen, Oberschenkelhalsbruch, Tod, das war und ist ungefähr die Assoziationskette, die mich winters begleitet. Den Winter empfinde ich als völlig überflüssige Erfindung. Es ist die Zeit von Husten, Schnupfen, Heiserkeit, man kann nicht grillen, kein Gras anbauen und muss stattdessen heizen. Kostet Geld, so wie Winterflucht in den Süden. Der Winter ist schrecklich.

Romantiker zieht es bei Anblicken wie dem Obigen hinaus in die Natur. Da haben wir dann eine Trias des Grauens beisammen: Winter, Romantik, Natur.

Winter …. siehe oben. Die deutsche Romantik mündete geradewegs im Nationalsozialismus. Und wenn ich das Wort Natur nur höre, möchte ich gleich meine Pistole entsichern, lauert hier doch der Kitsch hinter jedem Baum. Und da wo Kitsch lauert, ist Pathos nicht fern. Was wiederum todessehnsüchtiges Merkmal von Faschismus ist, wie wir gerade in Russland sehen, wo der klerikal-faschistische Todeskult mörderische Urständ feiert, Motto: Leben wird überbewertet.

Eine freie, unverfälschte, reine Natur gibt es nicht mehr. Wollen wir hierzulande so etwas fördern wie Urwald, Brachflächen etc. ist dafür ein unglaublicher bürokratischer Planungs-, Organisation und Kontrollaufwand nötig; Und tritt uns der vermeintliche Urzustand Natur in wölfischer Form des canis lupus gegenüber und zu nahe, verfällt die Gesellschaft umgehend in einen fast mörderischen Kultur(!)kampf Pro und Contra.  

Die Moderne, die Zivilisation tritt der Natur in zwei Gewändern gegenüber: Vernichtung und Überhöhung. Jeden Tag werden in Deutschland aus Profitgründen über 100 Fußballfelder planiert, betoniert und ein Vielfaches wird unwiederbringlich einem halbwegs ausgeglichenen, sich selbst regulierenden Zustand entrissen und in eine scheinbar grüne, aber fast tote und Artenbefreite Industrielandwirtschaftszone umgewandelt.

Auf der anderen Seite gibt es einen alles übertönenden Schlachtruf der Moderne: Zurück zur Natur. Bloß raus aus der Stadt. Selbstversorgend jeder auf der eigenen Scholle werkeln, natürlich alles Öko, koste es, was es wolle. Das ist wie aller Kitsch unreflektiert und reaktionär. Früher hätte ich gesagt, es ist deshalb reaktionär, weil es in der Tradition des Antimodernismus steht. Also Gegenzivilisatorisch wirkt, in der Polarität Zivilisation vs. Barbarei.

Bei nüchterner Betrachtung bleibt allerdings angesichts aktueller Entwicklungen festzustellen:

Zivilisation ist lediglich die Fortsetzung der Barbarei mit kultivierteren Mitteln.

21.01.2023 – Talkshows sind Fieberthermometer im Arsch der Gesellschaft.

Was ist das für ein Land, wo die Mülltonnen aussehen wie Panzer … Und wo man Dinge verbietet, die gar nicht möglich sind. Wer zum Teufel soll auf der Fläche Fußball spielen?!

Panzer Körper Phantasien. Dazu später mehr.

Der Ukrainer will von „uns“ solche Stahlbüchsen, in denen die Überlebensdauer nach Ausbruch eines Panzergefechtes ca. 20 Minuten beträgt. „Wir“ wollen und können die Dinger aber noch nicht liefern. Teils aus Sorge, weil der Russe uns dann am Ende aller Eskalation atomar aufs Haupt schlägt, eingedenk des nicht unplausiblen Satzes vom irren Medwedew: Atommächte verlieren keine Kriege. Teils weil die Dinger einfach nicht einsatzbereit sind oder wir hinterher selber nix mehr zum Verteidigen haben. Laut Aussage von so einem Lamettaträger: „Wir sind nackt“. Was nicht auf einen paradiesischen Zustand hindeutet, sondern auf die Tatsache, dass die Bundeswehr nicht funktioniert.

Blick in den Rückspiegel: Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und dem Sieg des Kapitalismus war das Ende aller Konflikte eingetreten. No more war, Friede, Freude, Eierkuchen, für die ganze Menschheit, weil der böse Sowjet-Russe in die Tonne, siehe oben, der Geschichte gekloppt war. Das Ende der Geschichte. Mit dieser strunzdumm-hanebüchenen Erzählung hielt die bürgerliche Politikwissenschaft den Mob zumindest eine Weile bei guter Erwartung und Laune, bis mittlerweile auch der dümmste Feuilletonschreiber gemerkt hat, wo da die Häsin im Pfeffer liegt.

Die herbeigelogene Friedendividende, die aus dem Ende des Kalten Krieges resultieren sollte, sah unter anderem so aus: Seitdem wurde über eine Billionen Euro (1.000.000.000.000) allein für den Kriegshaushalt in Deutschland ausgegeben, sie finden Details unter dem Suchbegriff „Verteidigungshaushalt“. Das sind 1.000 Milliarden Euro. Mit dem Geld hätte man 1,3 Millionen Teutonen zu Millionären machen können, noch einmal so viel wie es heute gibt. Sinnvoller und eine wirkliche Friedensdividende wäre gewesen von dem Geld 1.000 Kitas zu bauen (ca. je 5 Mio Euro), 1.000 Pflegeheime (je 20 Mio.) und 1.000 Gesamtschulen (je 50 Mio.), das wären 75 Milliarden Euro. Das Gleiche nochmal als Overhead drauf, sind 150 Mrd., blieben immer noch 850 Mrd. für sozialgerechtes Ökogedöns und Entwicklungshilfe.

Dann hätten wir zwar keine Bundeswehr, aber das Ergebnis wäre ja das Gleiche wie jetzt: Wir stünden nackt da. Nackt zu sein, in der Phantasie eines Panzermannes der Horror schlechthin. Weitere regelrecht kranke Zitate zum Thema aus einer Talkshow-Diskussion von offensichtlich Quartalsirren:

„„…Wenn es hart auf hart kommt, muss es ein Mann machen.“

 „Er (Pistorius) muss jetzt die Pflöcke einrammen“.

Wenn es ums Töten geht, wird es aber sowas von Schwanzficksiert. Wundervoll auch die Überschrift des Berichtes: „Wüstner wüst wie nie: Bundeswehr steht „nackt“ da.“ Wüst, wild, ungezügelt, sittenlos, ausschweifend. Rausch, Ekstase …

Sprache und Bewusstsein sind kommunizierende Röhren. Lasst sie einfach reden und wir sehen, was für Phantasien in ihnen stecken (sic!). Da können sich die soldatischen Körper nach außen panzern, wie sie wollen, um sich vor dem Fluiden, gar der Auflösung in Rausch und Ekstase zu schützen, irgendwo brechen ihre Phantasien immer durch, zuerst in Sprache. Solange das in Talkshows passiert, geht’s ja noch. Aber im Krieg, dem Vater aller Dinge, endet das zwangsläufig auch in Rausch und Ekstase. Im Blutrausch.

Insofern sind Talkshows sinnlos, aber nützlich. Eine Art Fieberthermometer im Arsch der Gesellschaft.

15.01.2023 – Meldungen aus dem Irrenhaus respektive Parkhaus.

Rettungsschuppen 68. Dass der Rettungsschuppen ein Restaurant geworden ist, finde ich sehr charmant, wohnt dieser Tatsache doch symbolisches inne. Es gibt keine Rettung mehr, letzte Zuflucht vor Untergang und Absaufen ist das Restaurant, sozialer Kulturort des Verweilens und von Genuss – wenn man Glück und entsprechend Kohle hat.

Wenn man (also ich) zum Schluss gekommen ist, dass Rettung aus Krisen nicht mehr möglich ist, zumindest nicht unter Bedingungen von Kapitalismus und Demokratie, ist es nur ein kleiner Schritt dahin, bei den allfälligen morgendlichen Katastrophenmeldungen in Gelächter auszubrechen. Diese Reaktion ist eine Mischung aus Hilflosigkeit, Katharsis und feinem Gespür für jenes komödiantische Moment, welches aller Tragik innewohnt. Es ist im wahren Sinne z. B. großes und eben auch komödiantisches Theater in der Tragödie, wenn Richard III nach verlorener Schlacht über die Wallstatt irrt und klagt: „A horse! A horse! My kingdom for a horse!“ Und danach von Richmond im Kampf getötet wird.

Eine dieser Meldungen mit Lachreizcharakter: Der Raum für innerstädtische Parkplätze soll vergrößert werden, um 15 cm pro Blechhaufen. Begründung: Die Autos werden immer größer.

Das ist angesichts der Tatsache, dass allein die Batterien der größten SUVs, jenen Autopanzern mit den größten Zuwachsraten, mittlerweile so viel wiegen wie ein Kleinwagen und das Todesrisiko bei Unfällen für Andere um 30 Prozent erhöhen, nur noch grotesk. Das Autowachstum ist selbst bei uns ungebrochen, weltweit explodieren die Zahlen in den wachsenden Mittelschichten gerade bei Ressourcenvergeudenden Monsterhubraumern. Anstatt also Autos sofort konsequent in einem ersten Schritt aus den Städten rauszuschmeißen, wird ihnen hier der Betonteppich ausgerollt.

Rausschmiss ist problemlos machbar. In Holland z. b. kommt kein Mensch auf die Idee, mit einem Auto in den Citybereich zu fahren. Verboten. Dafür gibt’s Parkhäuser, die allerdings nicht billig sind. Urlaub in Holland besteht, mit Auto, aus mindestens 4 großen Kostenblöcken: Unterkunft, Ernährung, Benzin und Parkhaus.

Was aber will der doitsche Michel respektive seine Michelin und hier wollen wir in Ehrfurcht vor dem demokratischen Willen der Mehrheit unser Haupt neigen, wenn Lachanfälle das überhaupt zulassen? Eine breite Mehrheit sagt ja zu schnellerem Autobahnneubau. Und wer riskiert schon Entscheidungen und Wahlen gegen diesen fanatischen Block?

Es ist billig und wohlfeil angesichts Lützerath die Gier von RWE anzuprangern, die auf Kosten der Um- und Nachwelt Extraprofite ohne Ende abzocken. Erstmal schön vor der eigenen Automatte kehren und dann vielleicht zur Erkenntnis gelangen (Lektürehinweis liegt im Rettungsschuppen oben), dass der Kapitalismus einem Ritt auf dem Tiger gleicht: Der Ritt endet ebenso im Untergang wie das vorzeitige Abspringen.

Und für alle Technikfreaks, die an Heilung durch technischen Fortschritt glauben: Es gibt seit Jahren keine bahnbrechenden Erfindungen mehr, der Fortschritt in Forschung und Technik ist an seine Grenzen gestoßen. Die großen Erfindungen der Moderne – Treiber von Innovation und Produzenten von Narrativen – PC, Internet, Smartphone und Zollstock für Linkshänder sind gemacht, und das nächste große Ding sehnlichst von Allen – außer mir – erwartet, ist nirgendwo in Sicht. Und Silicon Valley liegt in Agonie.

14.01.2023 – Meine Individualhölle

Was bleibt vom Ratzinger, ist die Tatsache, dass er es auf das Plakat geschafft hat, das zum ewigen Gedenken an unseren legendären Auftritt im raum 2 in Neutramm (im hintersten alternativen Wendland-Hüttendorf) im Hausflur hängt. Diese Lebensleistung kann nicht jeder Papst von sich behaupten.

Schöne Volte der Geschichte, dass pünktlich zu seinem Ableben die beste aller Hausverwalterinnen einen Hinweis am Hausmitteilungsbrett auf die Jahresabrechnung hinterlassen hat. Abgerechnet wird immer zum Schluss und nach den Maßstäben seines Aberglaubens müsste Ratzinger in der Hölle schmoren. Da diese nur eine Individualhölle sein kann, für jeden anders ausgestaltet und vermutlich eher ein innerer Wahrnehmungszustand als ein Schmoren im Kessel, müsste sie für Ratzinger wohl so aussehen: In Rom sitzt eine schwarze Lesbe auf dem Papstthron, zum Kardinal können nur Schwule gewählt werden und im Osservatore Romano, der Prawda des Vatikans, werden dauernd Bilder von ihm veröffentlicht von seinen Ausflügen in Darkrooms, aus dem Video, dessentwegen er zurückgetreten ist. So weit, so putzig.

Spannender, liebe Leserinnen, ist die Frage, wie sähe Ihre Individualhölle aus? Auch insofern nicht uninteressant, falls Sie sich folgendes fragen sollten: Was will ich überhaupt (noch) im und vom Leben?

Ist Ihre Hölle eine Welt ohne Smartphone? Ohne Alkohol? Mit Olaf Scholz im Bett? Aus der Antithese eine Utopie destillieren …

Wenden wir uns dem Diesseitigem zu, dem Leben. Aber was heißt schon Leben…

Die Ukraine soll also auch Kampfflugzeuge kriegen, so die aktuelle Forderung von Bellizisten , nach Marder und Leopard. What’s next? Cruise Missiles, Langstreckenraketen, die bis nach Sibirien reichen? Und am Ende dieser Spirale ….?

Der Russe auf der anderen Seite lässt sich auch nicht lumpen und soll angeblich zusätzlich 500.000 Truppen mobilisieren. What’s next, am Ende dieser Spirale ….?

Ich schaue keine Talkshows und weiß daher nicht, ob in diesem substanzlosen Krawallbudengeschwätz der ewig gleichen Charaktermasken auch mal eine Friedensforscherin, als Alibi, eingeladen war. Aber vermutlich muss es in der Ukraine erst aussehen wie in Verdun, bevor in der Öffentlichkeit mehr über nichtmilitärische Lösungen dieses Konflikts geredet wird als über Kampfpanzer. Sie sollten alle in der Hölle schmoren, die Krieger.

Ein frommer Wunsch. Ich male mir jetzt meine Individualhölle aus. Dazu demnächst ein paar Bilder. Bleiben Sie drin.

10.01.2023 – Ist Erinnerung in der Lage, Wesentliches von Müll zu trennen?

Geschlechtersensibel oder Angebot für Innenkurse? Das sind skurrile Nebenaspekte, ansonsten ist die Kulturschlacht ums Gendern geschlagen. Für mich ist das Thema auch durch. Geschlechterdifferenz grundsätzlich ist aber natürlich weiter ein Thema, je drängender desto reaktionärer die Verhältnisse werden. Immer öfter gehen mir dabei Theorieversatzstücke früherer Zeiten (Sie wissen schon, als alles noch besser war …) durch den Kopf. Ich hoffe nicht, dass das beginnende Regression ist, sondern dass Erinnerung in der Lage ist, Wesentliches vom Müll zu trennen.

Auslöser war ein taz Artikel über lebensverkürzende toxische Männlichkeit . Wer dem Motto frönt „Jungs weinen nicht und Indianer kennen keinen Schmerz“ stirbt früher. Ein soziales Konstrukt, lässt sich lernen und abstellen. Wo aber fängt das Genetische dabei an und hört das Soziale auf? Die Frage stellt sich angesichts der Tatsache, dass zwei Drittel der Coronatoten Männer waren, obwohl sie in der von schweren Verläufen besonders betroffenen Altersgruppe der Hochbetagten klar unterrepräsentiert sind: „ … Ebenso ungeklärt ist aber, warum nach Zahlen der Stanford University zu Beginn der Pandemie zwei Drittel der Verstorbenen Männer waren – obwohl sie in der von schweren Verläufen besonders betroffenen Altersgruppe der Hochbetagten klar unterrepräsentiert sind. Eine wissenschaftlich noch nicht hinreichend abgesicherte Hypothese dazu lautet, vereinfacht ausgedrückt: Östrogen stärkt das Immunsystem, Testosteron unterdrückt es. Hormonelle und genetische Unterschiede sollten also, trotz aller berechtigten Verweise auf die soziale Konstruktion von Geschlechterrollen, nicht vernachlässigt werden…“

Man (!) kann natürlich auch argumentieren, dass das die Quittung für Männer wegen mangelnder Selbstfürsorge ist, sie rauchen mehr, saufen, treiben keine Vorsorge, schlucken Pillen, Drogen und am Ende gibt es bei ähnlichen Krankheitsverläufen unterschiedliche Ergebnisse. Fakt ist, dass die Verknüpfung von Gender und Klasse (neudeutsch: Intersektionalität) massiven Einfluss auf Morbidität und Mortalität hat. Wer am Hochofen arbeitet im Schichtbetrieb, stirbt früher als eine evangelische Pastorin oder gar als Susanne Klatten, die leistungslos das größte Vermögen einer Frau in Deutschland besitzt – BMW, Dr. Oetker etc. Anteile geerbt…

Klasse und Geschlecht. Früher, und das fiel mir beim taz Artikel wie Schuppen aus dem Gebälk, lautete die Diskussion, ausgelöst durch die zweite feministische Bewegung: Haupt- oder Nebenwiderspruch . Wieweit ist die Unterdrückung der Frau zu einem Nebenwiderspruch der Produktion degradiert, also der Kategorie „Klasse“ nachgeordnet.

Das ist kein trivialer Schnee aus Opas Erzählungen vor vorgestern. Angesichts der Tatsache, dass sich heutzutage jede Minderheit marginalisiert, unterdrückt fühlt und es einen wahren Wettlauf darum gibt, wer am meisten unterdrückt ist, verschwindet das notwendige kollektive Widerstandspotential gegen den Hauptwiderspruch „Kapital – Arbeit“ völlig hinter lauter verzwergten Nebenwidersprüchen, wie ob ich jetzt vierfach diskriminiert bin, nur weil ich blöd bin. Jede nur für sich, keiner mehr aufs Ganze.

Eigentlich müsste man mehr lesen, Bücher von Frigga Haug z. B. waren da hilfreich. Aber meine Leselust ist begrenzt. Ich hoffe, dass mir Erkenntnis im Prozess des Erinnerns zuwächst.

Den Rest besorgt der eigene Kopf.

Immer mit einem guten Witz rausgehen. Grundregel Nr. 1 Rhetorik.

09.01.2023 – Viel Spaß noch den Urlaubern auf Allsun Hartz 4.

Ich wollte mal ein Kabarettprogramm über Urlaube machen, ein Schwerpunkt: Hotelbewertungen im Internet. Und zwar nur die Schlimmsten, von Leuten, die mit einem Monsterhass aus dem Urlaub zurückgekommen sind. Das Projekt habe ich nicht realisiert, irgendwie hatte die Welt zumindest auf dem Sektor nicht auf mich gewartet. Aber die Erinnerung daran war unlängst sofort wieder lebendig angesichts der nachfolgenden Bewertung eines 4-Sterne Hotels. Ich hatte Spaß und sollten Sie, liebe Leserinnen, demnächst über ein Plakat stolpern, auf dem ein Programm angekündigt wird „Das Grauen hat einen Namen: Urlaub“ (oder so ähnlich), dann wissen Sie Bescheid. Rufen Sie mich einfach unter 110 an, dann lasse ich Karten zurücklegen. Und nun hinein ins Vergnügen. Rechtschreibung und Grammatik im Original erhalten:

„Wir waren leider nicht die Zielgruppe vom Hotel. Die Beschreibung laß sich gut und die Bilder waren ansprechend. Uns hat das Hotel bzw. viel mehr die Menschen vor Ort nicht gefallen. Niemand hatte benehmen, für uns waren total viele (Ausnahmen gibt es immer) extrem niveaulos. In unseren Augen war die Zielgruppe: Hartz 4 – Money zusammen gekratzt, nach 10 Jahren einmal einen Urlaub machen und dabei die Sau rauslassen…. die anderen sind ja total egal. Nicht das ich etwas dagegen hätte, dann sollte man sich aber benehmen.

Das spiegelte sich nicht nur im Benehmen sondern auch den Ansprüchen. Wenn ich hier lese oder vor Ort höre, wie vorzüglich das Essen doch gewesen ist, bin ich schon sprachlos.

….

Wenn man also sonst nur bei der Tafel isst, kann einem das Essen hier sichelich gefallen. Für uns war es jedoch unterste Schublade (bis auf ein paar Ausnahmen, der ganze Lachs war sehr gut). Das Essen war ständig leer, es war viel zu eng, alle matschten im Essen rum, Kinder leckten Löffel ab und legten diese wieder rein, es war immer alles kalt, verbrannt oder zu roh, es schmeckte alles gleich. Ausnahmslos alles war BILLIGSTES Essen… das angebliche Filet war Fleischabfall.

Gleiches gilt für die Getränke. Billigstes Zeug… stilles Wasser scheinbar aus der Leitung, es stank wiederlich nach Chlor. Wenn das Wasser nicht nach Chlor stank, waren es die Plastikbecher. Haben uns mehrfach beschwert… Kellner haben es auch gerochen aber es wäre wohl normal. Hat komischerweise auch niemanden gestört. Da wären wir wieder beim niveauvollen Publikum.

Aporpros: am Tag lief laute Ballermann Musik und am Abend saßen große Gruppen zusammen und haben solch einen Krach gemacht das die Tische sich drum rum enteweder entfernt haben oder dazu gesetzt haben, damit das Niveau nochmal weiter sinkt. Genau diese Gäste haben auch allabendlich die Heizpilze selber versucht anzumachen, immer ohne Erfolg (Schulbildung … ach lassen wir es). Es roch mehrfach nach Gas… der Kellner musste dies dann später abstellen. Das ist richtig gefährlich…

Fazit: zum einen gibt das Hotel nur das NÖTIGSTE aus und das Wohl der Gäste ist dem Hotel SCHEIßEGAL. Umso mehr Marge umso zu besser.

Alles andere machen die extrem Anspruchslosen Gäste kaputt… da diese dem Hotel nur zeigen, dass es ruhig so weiter gehen kann. Kann es auch, nur wir werden kein Allsun Hotel mehr besuchen. Schade diese Erfahrung gemacht zu haben. Da freuen wir uns auf unseren Urlaub im Sommer auf Kreta. Ähnlicher Preis, gleiche Anzahl Sterne aber um welten besser…. wir sind immer noch sprachlos.

Aber viel Spaß noch den Urlaubern auf Allsun Hartz 4.

07.01.2023 – Vielleicht wird ja doch irgendwie irgendwann irgendwo alles gut

Rose, Garten, 03.01.23.

Wir haben uns – mehr oder weniger – an Krisen wie den Ukrainekrieg oder Corona gewöhnt. Ab und zu ploppen nach neuen Entwicklungen Fragen ins Bewusstsein zurück, die mich zumindest früher umgetrieben haben. Die Panzerlieferungen z. B. des Westens an die Ukraine lassen Schreibtischstrategen hierzulande sich wieder in feuchten Militärphantasien ergießen, jetzt würde es der Ukrainer dem Russen aber mal zeigen, die Wende sei nahe und wenn erst der gigantische Kampfpanzer Leopard seine riesigen Rohre ausfährt, dann aber. Aber sowas von.

Wäre ich Analytiker, würde ich hier ausführlicher was zu den eingeschlafenen Leoparden in den Hosen der Strategen schreiben und wie ganz offensichtlich ihre unterdrückten libidinösen Energien sich ungute Kanäle gesucht haben ….

Lassen wir das. Ich bin kein Pazifist, es gibt ihn, den bellum iustum, den gerechten Krieg, nicht nur der gegen Nazi-Deutschland war einer, aber ein bisschen mehr pazifistische Gedankenanstrengung statt Militärstrategischem Blablabla wäre schon nicht schlecht. Anknüpfend an die zentrale Frage: Wieviel Tod und Zerstörung ist in einem Krieg zum Erhalt nationaler Identität gerechtfertigt? Welche Opfer für die Nation? Und: Ab wann muss verhandelt werden und wie erreicht man das? Und irgendwann muss verhandelt werden. Selbst über eine bedingungslose Kapitulation muss verhandelt werden.

Die Frage rührt mich aber kaum noch an, so wie die nach der neuen Omikron-Sublinie des Coronavirus namens XBB.1.5 . Kann diese Variante der hier mittlerweile herrschenden Grundimmunität entkommen und gilt dann das Gesetz, auch für Nicht-Hochrisikovarianten: Viele Fälle, mehr schwere Verläufe und Todesfälle?

Irgendwann ist das Gemüt, zumindest meins, immun gegen Krisenstimmungen. Und ich gebe mich plattem Natursymbolismus hin, angesichts obig weit vor der Zeit sprießendem Trieb. Zart keimt die Hoffnung. Vielleicht wird ja doch irgendwie irgendwann irgendwo alles gut.

Dummes Zeug. Natursymbolismus, die Widerspiegelung innerer und gesellschaftlicher Zustände durch Bilder der Natur, war schon immer platt, pathetisch, tendenziell reaktionär und schlimmstenfalls einfallslos. Wenn einem Regisseur zur Charakterisierung düsterer Helden nix mehr einfällt, lässt er es regnen und wenn Krieg droht, donnern und blitzen.

Von wegen. Die Sommer 1914 und 1939 z. B. waren Traumsommer.

Je zerstörter die Natur, desto intensiver die verkitschte Flucht der von der Moderne überforderten Mitteleuropäerin in sie. Sonnenwende, ein Fest für jeden Esoterikkalbskopf. Als ob die Sonnenwende in Zeiten des Klimawandels noch irgendwas mit nahendem Sommer zu tun hat. Sommer ist von April bis Oktober. Mir ist die Fähigkeit Natur lesen zu können weitgehend abhanden gekommen. Im Garten kann ich ne Ratte von einem Eichhörnchen unterscheiden, das war’s dann aber auch.

Die Zeichen der vergesellschafteten Natur sehen doch mittlerweile so aus: Nach mehreren Wochen Heizung ist meine Gesichtshaut so trocken, dass ich sie zweimal am Tag eincremen sollte. Das bezeichnet eine Jahreswende. Und nicht Schwester Sonne und Gedönsrat Mond.

04.01.2023 – Zauberhafte Zustände. Zumindest Zuhause.

Die Tiere des Gartens lungern durchaus schon mal in meiner Küche rum. Der hier knabbert meine Puschen an. Zustände wie im Paradies, wo der Mensch eins mit der Natur war und alles Übel dieser Welt, nach der Vertreibung aus dem Paradies, durch Arbeit in sie kam, siehe Bibel: „Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen“.

In der Wirklichkeit lief es eher so ab: Vorläufer des Homo sapiens begannen Werkzeuge zu nutzen, vor ca. 2 Millionen Jahren, daraus resultierte Aufgabenteilung und Spezialisierung, die Notwendigkeit zu differenzierter Kommunikation, ergo Sprache, entstand und im Laufe der Entwicklung von Arbeit als bewusst zielgerichtetem Prozess (durchaus schon zur Wohlstandsmehrung) entwickelte sich der Mensch, als – letztlich missglückte – Primatensonderform. Denn die weitere Entwicklung war ebenso zwangsläufig und zivilisatorisch grandios wie aber auch verheerend: Privateigentum, Familie, Patriarchat, Staat, Kapitalismus. Mehr dazu hier.

Das ist nicht nur graue Theorie, sondern steht permanent praktisch vor der Tür, tagesaktuell als Elefant im Raum im Rahmen der Diskussion um die Sylvester-Riots. Ach, was mühen sich Feuilleton, Wissenschaft, Politik und Sozialarbeit um die Ergründung der Hintergründe und Motive der Gewaltexzesse. Mitunter hat man dabei das Gefühl, die Täter seien Barbaren aus einer anderen Zeit, von einer anderen Welt.

Vielleicht erleichtert ein Blick in die nahe Vergangenheit das Verständnis. Der Siegeszug des Neoliberalismus in den Neunzigern hatte u. a. zur Folge den rapiden Niedergang kollektiver, Wertevermittelnder Instanzen wie Gewerkschaften, Kirchen, Parteien, Vereine. Stattdessen hampelte das auf materiellen Erfolg und Durchsetzungsvermögen getrimmte Individuum egoman im Fitnessstudio rum und frönte der Ersatzreligion, dem gestählten Körper, allzeit bereit, dem Konkurrenten im Leistungswettbewerb den Ellenbogen, das wichtigste Organ, in die Rippen oder sonst wohin zu rammen. Das Ziel: Materieller Reichtum statt authentischem Leben. Die höchste Stufe der Entfremdung. Alles wird zur Ware, die eigene Würde wird schamlos auf dem Altar der Öffentlichkeit, den Medien, seien sie privat oder asozial, geopfert. Wer vom Karussell fliegt, stürzt tief, in die Vernichtung bürgerlicher Existenz. Und statt Hoffnung am Horizont Düsternis.

Was ist wohl das Produkt solcher Entwicklungen, hier nur grob und völlig unzureichend skizziert? Solidarische Wesen voller Empathie und Fürsorge?

Die hilflose Wut, mit dem Ruf nach Böllerverboten, härteren Strafen, ausufernder Kontrolle und Überwachung, mit der Viele auf die Gewaltexzesse reagieren, legt einen Verdacht nahe: Sie ahnen, dass die Täter logische Produkte unserer Gesellschaft sind. Letztlich ihre Kinder.

 Ich würde gerne weiter das Füllhorn meiner Weisheit über Sie, liebe Leserinnen, ausgießen, aber mein neuer Kumpel ramentert an der Verandatür, der will rein. Meine Puschen haben es ihm offensichtlich angetan.

Zauberhafte Zustände.

Zumindest Zuhause.