Demo Holocaust-Denkmal in Hannover, 27.01.24, dem Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz durch die Rote Armee . Es waren mehr Menschen als üblich an einem 27. Januar da, aber bei weitem nicht so viele wie bei anderen Demos gegen Rechts an diesem Tag, in Düsseldorf z. B. waren 100.000. In Hannover gestern deutlich weniger als ein Zehntel jener 35.000, die an der gleichen Stelle vor einer Woche demonstrierten. Bei den Reden wurden doch mitunter allerlei Allgemeinplätzchen gebacken, aber das ist ja nicht selten bei derartigen Veranstaltungen. Die Verdi Jugend immerhin wies auf den Zusammenhang von Kapitalismus, Antisemitismus und Rechtsruck hin.
Insofern passt die „Möblierung“ des Platzes: Über dem Holocaust-Denkmal erhebt sich oben im Bild im Hintergrund die Kuppel der historischen Filiale der Deutschen Bank in Hannover. So unterschiedlich die Ursachen für den globalen Rechtsruck weltweit sind, eins haben z. B. die nach Rechts marschierenden Italien, England, Frankreich, Deutschland, Japan, auch die USA, gemeinsam: Sie gehören der Gruppe der G7 an, den bei Gruppengründung bedeutendsten kapitalistischen Staaten der Erde an, die alleine fast 50 Prozent des Bruttonationaleinkommens der Erde erwirtschaften. Prima facie scheinen also die nicht lösbaren inneren Widersprüche des Kapitalismus eine Ursache für den aktuellen globalen Rechtsruck zu sein.
Der Kapitalismus wird sich seinen Weg für sein zwischenzeitliches Überleben suchen. Die Demokratie als Staatsform braucht er dafür jedenfalls nicht notwendigerweise, siehe China, Russland, Saudi-Arabien (und demnächst Trumpistan?). Und nach uns dann die Sintflut.
Auch im Faschismus liefen die Geschäfte glänzend. Infolge der Besetzung Europas durch das nationalsozialistische Regime expandierte auch die Deutsche Bank. Nach dem Zweiten Weltkrieg erwogen die US-Amerikaner, die Vorstandsmitglieder der Deutschen Bank und der anderen Großbanken in Nürnberg als Kriegsverbrecher anzuklagen. Das Gegenteil geschah, die alten Nazi-Chefs der Bank wurden auch die neuen in der BRD.
Ob es allerdings reicht, stramm antikapitalistisch zu sein? Immerhin haben einige Vertreter des Kapitals angefangen, verbal Stellung gegen die AfD zu beziehen, was die Hoffnung nährt, dass der Kapitalist nichts mehr hasst als die Störung seiner globalen Geschäfte von Ausbeutung und Ressourcenzerstörung. Und eine massive Störung ist es z. B., wenn sich dringend benötigte Arbeitskräfte aus aller Welt weigern, in die national befreiten Zonen der Ostzone zu kommen, weil das für sie lebensgefährlich wäre.
Was bleibt: Wer von Antisemitismus und Rechtsruck redet, darf vom Kapitalismus nicht schweigen. Allerdings schützt Antikapitalismus allein auch nicht vor Faschismus. Die breite sozialrevolutionäre, antikapitalistische Strömung z. B. innerhalb der NSDAP wurde endgültig erst nach Hitlers Machtergreifung blutig zerschlagen im Rahmen des „Röhm-Putsch“ . Ernst Röhm, der Einzige in der NSDAP, der Hitler hätte gefährlich werden können, war radikal antikapitalistisch.
Dilemmata, wohin wir blicken.