04.10.2025 – Rendezvous der Träume

Max Ernst. Der Hausengel. 1937

Andre Masson. Portrait des Dichters Heinrich von Kleist. 1939.

Philipp Otto Runge. Mutter Erde mit ihren Kindern. 1803.

Mit RENDEZVOUS DER TRÄUME präsentiert die Hamburger Kunsthalle eine umfassende Ausstellung zum internationalen Surrealismus anlässlich des 100. Jubiläums der Gründung dieser Bewegung, und spürt dabei der deutschen Romantik als einer der wichtigsten Geistesverwandtschaften des Surrealismus nach.

Der alles zerstampfende mörderische Hausengel von 1937 ist eine direkte Reaktion von Ernst auf den Sieg des Faschismus in Spanien und das Portrait von Heinrich von Kleist von 1939 dürfte nicht nur die innere Zerrissenheit des Dichters widerspiegeln.

Ganz anders, überaus entzückend, das Bild des Frühromantikers Runge, den ich noch vor seinem wesentlich bekannteren Zeitgenossen Caspar David Friedrich schätze. Nicht zufällig war Runge mit seiner Idee des Gesamtkunstwerkes ein Zeitgenosse von Friedrich Hölderlin, der der Kunst eine überragende gesellschaftliche Funktion und Rolle zuschrieb. Also nicht der notorische Antisemit Richard Wagner war der Ergründer der Idee des Gesamtkunstwerkes, sondern Runge. Diese Idee schimmert auch in der inszenatorischen Pracht, fast einem Bühnenbild gleich, des Bildes oben durch, bei dem man sich im Hintergrund auch durchaus Klänge von Beethoven vorstellen kann.

Auch wenn da zu viele Bilder hängen, man wird ganz wirr im Kopf, das ganze Setting eher unübersichtlich ist, und die Zuschauerinnenfülle grenzwertig, ist die Ausstellung Labsal für Augen und Seele. Prädikat: Empfehlenswert.

Der Ansatz der Romantik, zwischen Materie und Geist zu vermitteln, als Reaktion auf den rein am Verstand sich orientierenden Rationalismus, ist aus meiner Sicht von zentraler Bedeutung für aktuelle Versuche, antifaschistisch und aufklärerisch zu arbeiten. Wir müssen akzeptieren, dass dabei die Kraft des reinen Argumentes überfordert ist, dass wir die Wirkmächtigkeit von Gefühlen, Mentalitäten, Narrativen, Bildern, Mythen im politischen Raum völlig unterschätzt haben. Der Gegner hat das verstanden und obsiegt damit zurzeit. Dass die Romantik von den Faschisten für deren düstere, irrationale Zwecke missbraucht und missverstanden wurde, haftet ihr bis heute an.

Missbrauchen und bewusst missverstehen ist ein probates Mittel auch der aktuellen Politik, zu „bewundern“ natürlich auch am gestrigen Einheiztag. Rauf und runter dekliniert wurde die Spaltung zwischen Ost und West. Natürlich gibt es die. Und ich betrachte die Annexion der Ostzone als überaus überflüssig und hätte liebend gerne den antifaschistischen Schutzwall wieder. Aber ich hätte auch gerne eine eigene TV-Talkshow und ewiges Leben. Das Leben ist nun mal kein Ponyhof und so sollten sich geneigte Benutzerinnen des Verstandes nicht vom Unisono-Chor der Medien zum 3.10 hinter die Fichte führen lassen. DAS zentrale Problem in unserer Gesellschaft ist nicht die durchaus vorhandene Spaltung zwischen Ost und West, Rost und Rest. Sondern die zwischen Arm und Reich. Das andere ist ein sogenannter Nebenwiderspruch, mit dem die wahren Klassenverhältnisse im Interesse des Kapitals zugekleistert werden. Gekleistert. Wg. Kleist. Siehe oben.

Ich wünsche allen Leserinnen ein romantisches Wochenende.

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