29.09.2025 – Deutscher Herbst

Schlachtfeld Deutschland. Katharina Sieverking. 1977. Neue Nationalgalerie, Berlin. Ausstellung „Zerreißprobe“.

Ein düsterer Blick aus dem RAF-geprägten Deutschen Herbst 1977 . Der Deutsche Herbst gilt als eine der schwersten Krisen in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Er war mit seinem „nicht-erklärten Ausnahmezustand“ der endgültige Schlussstrich unter den demokratischen Aufbruch in der BRD und ging in die bleiernen 80er über. Ab den 90ern kam mit dem Wegfall der sozialistischen Systemkonkurrenz und dem Siegeszug des Neoliberalismus derart frischer Wind in die Bude, dass uns im Rückblick der Deutsche Herbst im Vergleich zu Heute wie ein strahlend-heller Frühling erscheint. Wuchs sich doch der frische Wind in der Realität zu einem orkanartigen Sturm aus, der die Demokratien der Welt eine nach der anderen um – und wegblies. Der Kapitalismus befreit sich von seiner lästigen Schwester, der Demokratie. Beide waren ungefähr zur gleichen Zeit groß geworden, was manche Schlichtdenker zu dem Trugschluss verleitete, dass der eine ohne die andere nicht überlebensfähig sei. Kapitalismus und Wohlstand funktioniere nur in einer Demokratie.

 Werch ein Illtum. Die Erzählung vom Wohlstand für alle im Kapitalismus – wenigstens im globalen Norden, also auf Kosten vom Rest der Welt – war von Anfang eine derartig dummdreiste Lüge, dass sie von den helleren Köpfen nie geglaubt wurde. Mittlerweile müssen selbst bei uns so viele Menschen im Dreck wühlen, um zu überleben, dass auch die Dümmsten und vor allem die Ärmsten die Lüge vom Wohlstand für alle nicht mehr glauben und sich dann folgerichtig sagen: Wenn der Kapitalismus sein Versprechen nicht hält, warum sollen wir uns dann weiter mit seiner Zwillingsschwester, der Demokratie, rumärgern, die uns nur volllügt?

Wohlstand für alle.

Herr Dr. Wehrenkamp (Ukon Verlag) überreicht Dr. Ludwig Erhard sein Buch „Wohlstand für Alle“

Wohlstand für alle, Ludwig Erhard, 1957. (Quelle: Bundesarchiv, B 145 Bild-F004204-0003 / Adrian, Doris / CC-BY-SA 3.0)

Buch-Neuauflage 2020. Allerdings nicht als Satireshow, sondern real bei der Ludwig-Erhard-Stiftung

Der dummdreiste Zynismus solcher Veranstaltungen sei nicht zu überbieten? Von wegen. Das schafft die SPD aus dem Stand: Es sei nicht mehr zeitgemäß, das Retten weggeworfener Lebensmittel zu kriminalisieren, sagte der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Limbacher der „Rheinischen Post“. Das Containern sei ein wertvoller Beitrag zur Ressourcenschonung und zur sozialen Gerechtigkeit. Bisher ist das Containern, also das Wühlen im Müll von Großmärkten nach Lebensmitteln, um überleben zu können, strafbar. Wühlen im Müll als Beitrag zur Ressourcenschonung und sozialen Gerechtigkeit?

Ein Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit wäre es z. B., die Krisen-Übergewinne der Lebensmittelkonzerne durch Steuern abzuschöpfen und das Bürgergeld und die Mindestlöhne so zu erhöhen, dass die Menschen in einem der reichsten Länder der Welt nicht gezwungen sind, im Müll zu wühlen, um zu überleben.

Bisher habe ich gehofft, dass die SPD doch irgendwie röchelnd überlebt, weil sie noch Teile der Facharbeiterschaft bindet und vom Wechsel zur AfD abhält. Aber einer Partei der Arbeiterbewegung, die mittlerweile derartig zynisch redet, rufe ich fröhlich winkend hinterher im Absturz: Fahr zur Hölle.

Ich arbeite derweil weiter an meinem Bilderzyklus: Deutscher Winter.

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