Art Week Berlin, 11. – 15.09.2024.
Berlin ist eine der globalen Kulturmetropolen und die seit 2012 jährliche Berlin Art Week ist das Kunstevent in Berlin schlechthin. Hier lassen sich weltweite Trends, Styles, mediale Entwicklungen und gesellschaftliche Perspektiven geballt und entspannt in Galerien, Museen, Ateliers, auf den Straßen konsumieren. Neue Orte etablieren sich als Kreativ-Zentren, wie oben die Wilhelm Hallen, ein riesiges ehemaliges Industrieareal im Norden der Stadt. Wir rätselten: War das schon Osten oder noch Westen? Das lässt sich immer schwieriger dechiffrieren, irgendwann sind die Zeitzeugen, die das aus Erfahrung noch wissen, ausgestorben und da es praktisch keine authentischen Mauerüberreste mehr gibt außer dieser Kitschmeile East Side Gallery und dem Zentrum für angewandtes Betroffenheitsgejammer und Ostzonenschmähung an der Bernauer Straße, weiß dann kein Schwein mehr, wo war Ost und wo war West. Berlin.
Die Kunst in den Wilhelm Hallen war überwältigend, beim Reinkommen in die erste Halle entfleuchte uns ein synchrones „Whow“. Optisch opulent, handwerklich brillant, effektvoll präsentiert. Was zu kurz kam: Bezüge zur Welt, zu den Krisen da draußen, Kritisches. Kriege, Migration, Armut, Seuchen, Wohnungsnot, etc. pp… Wenig ist da haften geblieben, stattdessen viel Bling Bling, Dekoratives, was sich die Schönen und Reichen halt gerne ins Wohnzimmer hängen, ohne mit zu viel Substanz belästigt zu werden.
Natürlich habe ich nur einen Bruchteil gesehen, aber da die Wilhelm Hallen der zentrale Ort des Geschehens sind, dürfte sich da eine Tendenz anbahnen: die Kunst apolitisch wie lange nicht, aber auf hohem Niveau.
Hatte auch was Positives, so wurde ich nicht mit zu viel Dekolonisationsmist behelligt. Aber schön war’s schon und es stellt sich ja auch die Frage, wie tagesaktuell kann, sollte Kunst sein. Wie setzt man z. B. die Tatsache ins Bild, dass sich Europa seit Jahren in einem Migrations-Dilemma befindet, rein funktional, jenseits von moralischen Bedenken:
Einerseits ist Migration innerhalb der EU ist nicht zu kontrollieren, regulieren. Oder glaubt jemand im Ernst, dass Länder wie Italien oder Griechenland im Zeitalter eines rigorosen Nationalismus auch nur einen Außer-EU Flüchtling von Deutschland zurücknehmen würden, nur weil der zuerst bei ihnen über die EU-Grenze kam und weil das EU-Recht entspräche? Andererseits ist Migration von außerhalb der EU noch viel weniger zu kontrollieren oder zu regulieren. Die EU hat eine Außergrenze von über 50.000 km, 80 % Seegrenze, 20 % Landgrenze. Die Mauer in Deutschland war gerade 1.300 km lang und selbst die war nicht dicht. Migration wird also stattfinden, so oder so. Und selbst wenn sie auf Null wäre, bleibt das Dilemma, wie umgehen mit islamistischem Terror und Gewalt innerhalb der EU? Mit denen also, die in der dritten Generation hier leben, die jeweiligen EU-Staatsangehörigkeiten besitzen und ganz offensichtlich immer mehr desintegriert sind und werden? Gewalt und Terror sind hier und gehen auch nicht weg.
Da braucht man übrigens nicht bis nach Islamistan zu gehen, ein Blick auf deutsche Autobahnen, in Familien, Krankenhäuser und Arztpraxen, wo das Personal immer häufiger von Irren verprügelt wird etc. pp. , reicht. Vom Krieg in den Köpfen gar nicht zu reden, keine Krankheitsbilder „explodieren“ derart wie psychische Erkrankungen.
Kein Dilemma übrigens ist folgende Tatsache: Selbst wenn die Migration gleich Null würde, von einem Tag auf den anderen, geht es danach keinem einzigen doitschen Volksgenossen, der da draußen grölt „Ausländer raus“, auch nur einen Yota besser. Keine einzige Sozialwohnung wird mehr gebaut und kein Mindestlohn erhöht. Im Gegenteil: Im nächsten Akt würde der nächste Sündenbock ins Visier genommen: eingeborene Arbeitslose, „Sozialschmarotzer“ z. B.
Wir aber laben uns einstweilen an der Kunst. Sehr schön gefiel mir die Buchsäule von Wihelm Klotzek, mit fiktiven Buchtiteln. Bei genauem Hinsehen erkennt man: Das sind nur Cover, auf Holz gedruckt.
„Deutschlandbilder – Ein Mann isst seine Suppe“, Band 76 des „Institut für Beziehungen“. Wer hätte da nicht gerne die vorherigen 75 Bände, respektive alle Tassen, in seinem Schrank ….