18.06.2025 – Flucht vor dem Grauen. Die große Gruselserie von Jason Dark. . 1,70 DM.

Einer der Gewinne bei meinem Quizzen, mit denen ich Vorträge unterhaltsamer – wie ich hoffe – gestalte. Mit derlei Kunstwerken visualisiere ich unter anderem die gesellschaftliche Situation. Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte. Friedrich Merz, der Knecht des Großkapitals, die moralische Nulllösung, der Sauerland-Rocker, ist für mich das Grauen. Natürlich gibt es schlimmere Varianten als diesen Lauch, aber mir reicht auch der schon. Ich hätte also niemals gedacht, dass ich Worten des großen Kabinett-Vorsitzenden jemals spontan und aus tiefem Herzen zustimmen würde, zumal sie jedem Anschein nach ehrlich gemeint waren.

Zitat Zeit online zum israelischen Angriff auf das faschistische Terrorregime im Iran, das Israel seit Jahrzehnten mit der Auslöschung bedroht:

“ …. Das ist die Drecksarbeit, die Israel macht für uns alle“, sagte Merz am Rande des G7-Gipfels in Kanada in einem Interview mit dem ZDF. „Wir sind von diesem Regime auch betroffen.“

Die Führung in Teheran habe „Tod und Zerstörung über die Welt gebracht, mit Anschlägen, mit Mord und Totschlag, mit Hisbollah, mit Hamas“, sagte der Kanzler. Der Angriff der islamistischen Hamas am 7. Oktober 2023 auf Israel „wäre ohne das Regime in Teheran niemals möglich gewesen“.

„Größten Respekt, dass die israelische Armee, die israelische Staatsführung, den Mut dazu gehabt hat, das zu machen“, sagte Merz. Andernfalls „hätten wir sonst möglicherweise Monate und Jahre weiter diesen Terror dieses Regimes gesehen und dann möglicherweise noch mit einer Atomwaffe in der Hand“.

Auf den Punkt und zur intellektuellen Handreichung für all jene, die mit der irren Idee hausieren gehen, die Hamas, die Hisbollah (gibt es auch die grammatische Form „Herbollah“?), den Iran auf gleicher Ebene zu betrachten wie Israel. Mit Formulierungen wie „Beide Seiten müssen …“ und „Sowohl Israel wie auch der Iran oder die Hamas …“ .

Diese Äquidistanz den Beteiligten gegenüber ist eine ethische Bankrotterklärung. Einen, mit allen Mängeln und verachtenswerten Akteuren wie Netanjahu behafteten, demokratischen Staat ins gleiche Regal zu räumen wie faschistische Terrorbanden ist mit Dummheit allein nicht zu erklären. Da steckt wahnhaftes Ressentiment dahinter, vulgo Antisemitismus.

Erstaunlich (und erfreulich) finde ich in diesem Zusammenhang, dass dieser Blog sich wachsender Beliebtheit erfreut und das trotz meiner uneingeschränkten Solidarität mit dem Staat Israel und den Juden in aller Welt, was auch und gerade innerhalb der Restlinken eine deutliche Minderposition ist. Mittlerweile sind hier monatlich über 100.000 Besucher*innen unterwegs.  Danke dafür und allen einen sonnigen und entspannten Tag.

Und demnächst wird wieder ungehemmt und uneingeschränkt auf alle Knechte des Großkapitals eingeprügelt. Verbal.

17.06.2025 – Heute Abend Verleihung der Michelin-Sterne!

Anti-SPD Wahlplakat der CDU von 1953. Aus der Ausstellung „Roads not taken“, Deutsches Historisches Museum, über mögliche Alternativen der Geschichte. Vom Museum bis Berlin-Mitte sind es nur ein paar Minuten, dort ballen sich Sterne-Restaurants. Berlin, früher Gourmet-Diaspora, besitzt mittlerweile eine deutschlandweit einmalige Häufung von Sterne-Restaurants, 28 Stück. Heute Abend ist es wieder soweit, heute ist wieder Verleihung der Michelin-Sterne: Millionen Connaisseure  und Connaisseusen lauern vor ihren Smartphones, wer hat die begehrten Sterne dieses Mal ergattert, wohin lohnt sich der nächste Wochenendausflug in ein Teller-Paradies. Für ein Menü in einem Ein-Sterne Restaurant, die proletarische Variante in der Luxus-Liga, springt man mit ca. 150 Euro in den Beutel, bei zwei Sternen ab 250 Euro und im einzigen Dreisterne-Restaurant in Berlin, im Rutz, ist man mit ca. 350 Euro dabei. Da heißt die Atzung dann auch nicht „Gänge“ und es sind nicht schlappe 8, sondern 12, und das nennt sich dann „Inspirationen“ und nicht Gänge. Dazu kommt dann die Weinbegleitung (bei 12 Gängen pro Gang 1 Glas Wein (0,1 Liter), Champagner oder ähnliches, Port gar? Da müsste man mich aus dem Restaurant tragen…) , Digestif, Espresso, Trinkgeld etc. pp.

Summa summarum kommt sollte man – und in solchen Läden läuft es immer noch meist auf „man“ hinaus –  für einen Abend zu zweit ungefähr den doppelten Bürgergeldsatz von derzeit 563 Euro pro Monat in den Beutel packen.  

Das ethische Problem an dieser Causa ist nicht die Existenz solcher Restaurants. Wenn Kochen Kunst sein kann, warum soll es dann nicht auch Kunst in Vollendung und so etwas wie beispielsweise einen Caravaggio des Kochlöffels geben. Das demokratiebedrohende Problem ist die Tatsache, dass die, die im Rutz und ähnlichem speisen, denen, die ab dem 20. in den Suppenküchen der Republik Schlange stehen, selbst diesen Teller nicht mehr gönnen. Klassenkampf von oben.

Den von da, wo er hingehört, nämlich von unten, haben Kampagnen wie die im Bild oben erfolgreich mit Stumpf und Stiel ausgerottet. Alles, was mit Marxismus konnotiert wird, ist erfolgreich auf den Misthaufen der Geschichte entsorgt worden: Gleichheit, Gerechtigkeit, Solidarität.

Trotzdem werde ich die breaking news verfolgen, wer war beim Griff nach den Sternen erfolgreich, und sollte ich im Lotto mal einen Sechser gewinnen, würde ich das vermutlich erst im Hades, dem famosen Imbiss bei uns in der Yorckstr., und dann im Rutz feiern.

16.06.2025 – Sei wachsam gegen alle Ränke der Brandstifter eines neuen Krieges

Museum in der Kulturbrauerei, Prenzlauer Berg. Dauerausstellung „Alltag in der DDR“. Auf dem Gelände der ehemaligen Schultheiss-Brauerei.

Macht aus Schwertern Pflugscharen …-. Das lass ich ja noch angehen. Aber aus Brauereien Museen? Nix gegen Museen, sind meine zweite Heimat, aber muss das sein? Das Gelände ist allerdings wirklich sehenswert, riesiges Areal von klassischem Industriebau des 19. Jahrhunderts, Ort vieler Konzerte und Veranstaltungen, Heimat zahlreicher Kulturproduzentinnen. Die Dauerausstellung ist anrührend, spiegelt sie doch den verzweifelten Versuch der DDR wider, sich gegen die erdrückende ökonomische Übermacht und kulturelle Hegemonie des zweiten deutschen Staates BRD durchzusetzen. Dass dieser Versuch krachend gescheitert ist, wird uns noch übel auf die historischen Füße fallen. Bei Lichte betrachtet, tut es das bereits jetzt. Oder glaubt irgendjemand, dass die aktuelle Krisensituation nicht nur des einheimischen Kapitalismus nichts zu tun hätte mit dem Wegfall der Systemkonkurrenz? So blöd kann noch nicht mal ein FAZ-Redaktör sein.

Vom Ende her gesehen bin ich in dem Paradox, dass ich die DDR für den besseren Staat von beiden halte, aber dort nicht gelebt haben möchte.

Rührend der Appell oben an den Jungarbeiter, seiner Ehrenpflicht in der NVA nachzukommen, um wachsam gegen alle Ränke der Brandstifter eines neuen Krieges zu sein. Das Plakat dürfte aus der Anfangszeit der kalten Krieges sein, in den falschen Fuffzigern. Ich sehe vor meinem inneren Auge den Jungarbeiter vor dem Plakat und sich abarbeiten am Wording des Claims, das im wundervollen goethischen „Ränke“ gipfelt. Hä?

Wäre hier nicht ein: „Fickt Euch, Ihr Kriegshetzer!“ angemessener gewesen.. ?

Der Kalte Krieg mündete mehrfach beinahe in einen heißen. Das wurde nur durch Zufälle verhindert wie in diesem Fall, wo 1983 ein sowjetischer Offizier dem Fehlalarm von Computern misstraute, es seien in den USA mehrere Atomraketen gestartet. Hätte er eine andere Meldung weiter gereicht, wäre der rote Knopf gedrückt worden.

Heute sind wir wieder in einem neuen atomaren Wettrüsten, mit mehreren signifikanten Unterschieden zu 1983. Es gibt nicht mehr nur zwei überschaubare Machtblöcke Ost-West, die einer jahrzehntelang geübten rationalen Praxis der Abschreckung entlang handelten, sondern eine multipolare Welt mit mehr Atommächten als je zuvor und mit mehr oder weniger durchgeknallten, teils hypernationalistischen Akteuren, wie Putin, Nordkorea, Pakistan, Indien und weiß der Teufel, wer demnächst noch ein paar Atombomben im Arsenal hat. Es gibt kaum noch vollständig funktionierende Demokratien auf der Welt, gerade mal 25, mit ihrem System von Checks and Balance, die als erstrebenswertes Role-Model dienen könnten. Demokratie ist out. Wahnsinn ist in. Der Kapitalismus ist in einer tiefen Krise und was lädt in Krisenzeiten mehr ein zur Ablenkung von inneren Katastrophen als die Anzettelung externer Konflikte? Mit allen Konsequenzen…

Mir fallen leider noch einige Gründe ein, warum die aktuellen Krisenzeiten dramatischer sind als die vergleichsweise ruhige und überschaubare Zeit des Kalten Krieges, wie dem, dass man sich nicht immer auf Zufälle verlassen sollte…. Aber ich will Sie, liebe Leserinnen, nicht paranoid machen oder gar auf die Couch Ihrer Therapeutin treiben.

Belassen wir es bei der beruhigenden Feststellung, dass das derzeitige Arsenal an Atomwaffen auf der Welt nur zu einem ca. 5fachen Overkill reicht, also zur fünffachen Auslöschung allen Lebens auf dem Planeten. Was übrigens nicht ganz stimmt: Ratten, Kakerlaken und Bakterien würden überleben. Immerhin …..

15.06.2025 – Wir blicken in den Abgrund

Detail von der Illumination „Verhüllung des Reichstages“.

Ich habe nicht mehr mitverfolgt, inwieweit die Illumination zu 30 Jahren Christo-Verhüllung in Berlin beim Mob angekommen ist. Die Illumination hat den Unterschied deutlich werden lassen zwischen einem Original-Kunstwerk und der technischen Reproduzierbarkeit eines Werkes. Ersteres besitzt die dem Letzteren nicht zugängliche Aura. Letzteres ist tendenziell beliebig jederzeit an jedem Ort reproduzierbar, Ersteres nur an einem definierten, nicht veränderbaren Ort. Ich hatte vor dem Reichstag bei der Premiere der Illumination mitunter das fatale Gefühl einer schrägen, ja kontraindizierten Symbolik. Zu Beginn wurden die Seile auf die Fassade projiziert, an denen die Stoffbahnen des Originals aufgehängt waren. Fatalerweise sahen die Projektionen aber überhaupt nicht nach Seilen aus, sondern nach allem Möglichen, unter anderem nach Rissen im Mauerwerk. Was mich natürlich sofort an die Geschichte von Edgar Allan Poe erinnerte „Der Untergang des Hauses Usher“ . Die mit dem Riss im Mauerwerk des später untergehenden Schlosses beginnt. Eine gruselige Geschichte. Unter anderem deshalb, weil Poe hier zum wiederholten Mal in seinen Geschichten eine junge, schöne Frau umbringt, Ausdruck einer tiefen, mörderischen Misogynie. Männerphantasien.

Natürlich sind solche Untergangs-Assoziationen wie die meine auch zeitbedingt. Wir leben in Zeiten des Unterganges. Finis Germaniae.

Metaphern sind am besten, wenn sie schief sind oder zu Tode geritten werden. Was eine echt zu Tode gerittene Metapher ist. Analog zum Spruch „Wir standen am Abgrund. Jetzt sind wir einen Schritt weiter“ formuliere ich etwas feinsinniger: Wir blicken gerade in den Abgrund. Meldungen wie »Die Wahrscheinlichkeit eines Atomkrieges zwischen Israel und Iran ist stark gestiegen« mögen dem medialen Hang zur Übertreibung geschuldet sein. Aber das Schlimme daran ist, dass wir vor dem Hintergrund der Entwicklungen nicht völlig ausschließen können, dass so etwas in den Bereich des Möglichen rückt. Die Doomsday Uhr dürfte wieder ein paar Sekunden vorgerückt sein. Am 28. Januar 2025 teilte das Bulletin of the Atomic Scientists mit, die Uhr auf 89 Sekunden vor Mitternacht gestellt zu haben, ein neuer Spitzenwert. Bald wird es heißen „5 vor Zwölf“. Aber nicht Minuten, sondern Sekunden. Der letzte Eintrag im Bulletin wird dann vermutlich lauten: „Zwölf Uhr Mitternacht. Happy Doomsday und ab in die Bunker.“

Das Mullah Regime im Iran ist ein faschistisches, das Israel seit Jahrzehnten mit der Auslöschung bedroht. Im Iran werden Menschen aus nichtigsten Anlässen aufgehängt, sei es wegen ihrer politischen oder sexuellen Orientierung. Das Wesensmerkmal des Faschismus ist der Todeskult, die Todessehnsucht, der Blutrausch und da der Faschismus im Iran eine klerikale Ausrichtung hat, die an Erlösungsphantasien gekoppelt ist, kann keine Sekunde daran gezweifelt werden, dass Israel jedes Recht hat, einen atomaren Holocaust mit allen Mitteln zu bekämpfen. Hitler hat in den letzten Tagen den Untergang des deutschen „Volkes“ für notwendig erachtet, weil es sich in seinen Augen als das Schwächere erwiesen hat. Wer weiß schon, was in den Köpfen der uralten Männer, der Mullahs im Iran vorgeht, selber dem Untergang geweiht, dem Tod nahe. Wen und was wollen die noch mit den Untergang reißen?

Und nun zum Wetter….

10.06.2025 – Reichstagsverhüllung

30 Jahre Verhüllung des Reichstages durch die Christos, Illumination der Erinnerung gestern Nacht. Nett, aber nicht überwältigend, da sind die „Festival of Lights “ ein anderes Kaliber. Wir verklappten nach einem Durchlauf noch einen Vollkornsprudel in das Feinkostgewölbe und trollten uns. Die spärlich erschienen Massen schienen auch nur geringfügig beeindruckt. Mich faszinierte mehr der schon symbolhafte Untergang der Sonne über dem Bundeskanzleramt, zu dem die Baukräne ein fast gespenstisches Ballett der Demokratie am Abgrund zu tanzen schienen. Das kann aber auch das Gras gewesen sein.

Letzte Instanz vor dem Absturz der Demokratie ist nicht die Zivilgesellschaft, nicht die Systemparteien, die Gerichte, all das wird von einer entschlossenen Fraktion der Faschisten weggewalzt. Letzte Instanz ist im Zweifel immer das Verhalten der bewaffneten Streitkräfte, der Polizei, der Sicherheitskräfte. Das war in Brasilien so, wo das Militär den Putsch von Bolsonaro verhindert hat. Das war 1932/33 so, wo die Reichswehr unter von Hammerstein-Equord durchaus Anti-Hitler eingestellt war, und sei es, weil sie die Konkurrenz der SA fürchtete. Ein Militärputsch war damals die einzige realistische Variante zur Verhinderung des Faschismus. Da Hitler legal an die Macht kam, hielt das Militär die Stiefel still. Durch die Ermordung der SA Führung durch Hitler und seine Spießgesellen war das Militär endgültig ruhig gestellt.

Auch in den USA wird es Im Zweifel nur auf das Verhalten des Militärs ankommen. Trump walzt bereits jetzt hemmungslos eskalierend über alles weg, was nach Demokratie riecht und nichts hält ihn auf .

Wie gut, daß bei uns alles gut ist. Aber das sagte ich , glaube ich, schon…

09.06.2025 – Fuck Tina!

Plakat aus der Ausstellung „Roads not taken „, Deutsches Historisches Museum, Berlin. Es geht um mögliche Alternativen in der Geschichte. Was wäre gewesen, wenn… Was wäre zum Beispiel gewesen, wenn die Massendemonstrationen 1989, die zur Wiedervereinigung führten, blutig niedergeschlagen worden wären, wie am Tienaminplatz in Peking? Oder die Reichswehr 1933 geputscht hätte, vor Hitlers Machtübernahme? Alles Alternativen im Bereich des Möglichen im Lauf der Geschichte.

Dieser Ansatz der Ausstellung ist auch deshalb so wichtig, weil er das Jahrzehntelange Gequatsche bürgerlicher Politik von der angeblichen Alternativlosigkeit ihrer Massnahmen gehörig in den Senkel stellt. TINA = There is no Alternative, diese neoliberale Ideologie seit Margret Thatcher und anderen hat zu weltweiten Verwüstungen üblen Ausmaßes geführt. Beispiel: Sparzwang des Staates und einhergehender Sozialabbau. Das sei nun mal alternativlos, logen auch hierzulande Politikerinnen vieler Couleur frech in jedes Mikrofon. Bevor sie ihr dummes Geschwätz von gestern mit zwei Federstrichen am nächsten Morgen, bevor der Hahn krähte, Lügen straften und Ruck zuck, 500 Milliarden plus x Schulden machten. Unter anderem um kriegsfähig zu werden.

Wie auch immer, es gibt eine Alternative. Das Plakat oben sagt: Gegen sowas (wie Hitler) kommunistisch wählen. Was dabei herausgekommen wäre, wissen wir nicht. Schlimmer wär’s sicher nicht geworden. Zur Ablenkung was vom Karneval der Kulturen

08.06.2025 – Karneval der Kulturen

Karneval der Kulturen, Berlin. Festplatz rund um die Heilig-Kreuz-Kirche in Kreuzberg. Die Anregung dieses Geschäftsmodells nehme ich gerne mit nach Hause. Ich würde meinen Stand nur ansprechender gestalten und vor Ort im Smoking präsent sein. Nachher findet der legendäre Karnevalsumzug statt, zu besichtigen im TV, heuer allerdings nicht in Kreuzberg, sondern in Friedrichshain, auf der Stalinallee. Die mittlerweile aus Opportunitätsgründen Karl-Marx-Allee heisst und mit ihrem Zuckerbäckerstil eines verkitschten sozialistischen Realismus für mich die durchgeknallteste und schönste Strasse der Welt ist.

Wobei meine Weltkenntnis begrenzt ist. Auf ihr werden sich nachher in einem furiosen Musikwirbel über 60 Kulturen der Metropole auf bunten Karnevalswagen präsentieren . Den Beginn werden vermutlich traditionell Sambatänzerinnen wirbeln, was einem aus verschiedenen Gründen mitunter die Sprache verschlägt. Da es wieder sehr voll, zu voll wird, werden wir vor Beginn des Marsches durch die Aufmarschzone flanieren. Dort herrscht eine einzigartige Stimmung, flirrend, angespannt, fröhlich, so nahe ist man den Protagonistinnen sonst nie. Ein grandioses Spektakel vom Austausch friedlicher, diverser Kulturen.

Ein grandioses Spektakel vom Aufeinandertreffen unfriedlicher, einheitlicher Kultur von durchgeknallten Arschlöchern bieten gerade Trump und Musk. Wenn ein Verrückter einen anderen Verrückten verrückt nennt, ist das völlig normal. Aber wenn der eine Verrückte, der Präsidentendarsteller, im eigenen Land die Nationalgarde gegen die eigene Bevölkerung einsetzt, und demnächst auch die US-Marines, ist das nicht normal. Das ist schon mal tödlich geendet, siehe Ohio, 1970, Anti-Vietnamdemo. Vier tote Studenten, ermordet von der Nationalgarde. Die knapp unter 100jährigen Leserinnen werden sich vielleicht an den Song „Four dead in Ohio“ von Crosby, Stills, Nash and Young erinnern.

Die ganze Causa ist ein weiterer Schritt auf dem Marsch in den Faschismus in den USA. Bei uns dagegen ist alles gut.

Noch…

04.06.2025 – Die drei Hasskappen-Fronten des wildgewordenen Kleinbürgertums

KPD/RZ zur Berliner Wahl 1995. Die „Analyse“ der damals realen Politik liest sich wie ein Konglomerat von wildgewordenen Kleinbürger*innen nach AfD-Manier, die Forderungen heben das dann doch wieder auf. Gerade die Forderung nach Förderung der am Boden liegenden Kreuzberger Zeppelinindustrie weist in die richtige Richtung.

Wer damals sein Analysebesteck nicht an der Pforte zum Haus der deutschen Einheit, präziser, Annexion der DDR, abgegeben hatte, wusste, dass das weder lustig noch gut sondern so wie Heute enden würde. Die restlichen Brotkrumen unseres Sozialstaates werden weiterhin Stück für Stück eingesammelt, man hat ja keine Systemkonkurrenz mehr zu fürchten, und jenen in die Taschen gestopft, denen sie eh schon überquellen. Ein Blick in die heutige Nachrichtenlandschaft macht klar, in welche Richtung die Reise der nächsten Jahre geht. Arbeitsministerin Bärbel Bas, SPD, was sonst, gelingt das seltene Kunststück, gleich drei Hasskappen-Fronten des schon oben zitierten wildgewordenen Kleinbürgertums in einem Aufschlag zu bedienen und die Spaltung der Gesellschaft weiter voran zu treiben: Bürgergeld, Ausländer, mafiöse Strukturen.

An der Datenlage des minimalen Bürgergeld-Missbrauchs hat sich ebenso wenig in den letzten Jahrzehnten was geändert wie an der Tatsache, dass mafiöse Strukturen in unserer Gesellschaft im Milliardenbereich seit Jahrzehnten im Finanz- und Bankenwesen herrschen, siehe Cum-Ex Skandal, in dem kriminelle Strukturen in Staat und Verwaltung die Täter durch Verzögerung, Verschleierung und Verfahrens-Verschleppung in die Verjährung rüberretten. Davon kein Wort.

Auch kein Wort davon, dass Vermögen und Einkommen bei den Reichen seit Jahren explodieren, Meldung von Heute: Im Jahr 2021 verzeichnete Deutschland über 34.500 Einkommensmillionäre – ein Plus von 18 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Mal abgesehen davon von der Sauerei, dass jetzt erst Daten von 2021 auf dem Sektor greifbar sind, sind diese Klientel noch nicht mal das Hauptproblem. Nicht die ungleiche Einkommensverteilung ist der Hauptskandal, sondern die Vermögensverteilung ist es.

Die Zahl der Vermögensmillionäre nimmt weltweit kontinuierlich zu, während Armut und Migration auch wieder global wachsen.

In Deutschland hat die Zahl der Vermögensmillionäre ausnahmsweise von 2024 auf 2023 um einen Bruchteil abgenommen, von 1.646.000 auf 1.605.000. Das liegt aber ausschließlich am kurzfristigen Sinken der Preise für nicht selbstgenutzte Immobilien. Dieser Trend ist längst wieder ins Gegenteil verkehrt und wir können davon ausgehen, dass auch in den nächsten Jahren wieder stabile Rekorde bei der Zahl der Vermögensmillionäre verkündet werden und SPD-Minister*innen aus lauter Verzweiflung über den tendenziellen Verfall der Wahlwerte ihrer Partei munter mitmachen bei der Hatz auf Minderheiten. Womit nicht die Vermögensmillionäre gemeint sind, sondern Bürgergeldempfänger*innen, Ausländer*innen und immer häufiger auch Jüdinnen und Juden.

Mir persönlich fällt es zunehmend schwer, angesichts des allgemeinen Verfalls der Sitten (eine der ältesten Klage der Zivilisation) satirisch zu agieren.

Aber keine Angst, das krieg ich hin. Ich kenne nur Lösungen, keine Probleme.

01.06.2025 – Wie geht man mit Epochenumbrüchen um?

HAZ, 26.09.1991, zum Kommunalwahlkampf.

Die Partei SCHUPPEN 68 war mit Abstand die erste Satirepartei, die je zu einer Wahl in der BRD antrat. Die Berliner Schwesterpartei KPD/RZ (Kreuzberger Patriotische Demokraten/Realistisches Zentrum ) folgte vier Jahre später, sie war auf Grund ihrer Massenbasis erheblich erfolgreicher. Mein Statement in der HAZ klingt unprofessionell, wobei ich keine Ahnung mehr an das Interview habe und ob meine Aussagen von der HAZ so massenkompatibel zurechtgefeilt wurden. Es klingt eben nicht nach einer Satirepartei, deren einzige ernsthafte Forderung „Freibier und Erbsensuppe“ war, sondern nach irgendwas Normalem, nur mit Spaß. Wenn man so ein Projekt angeht, muss man es konsequent durchziehen, also eben nicht sich auf die Ebene der klassischen Parteien einlassen. Lehrjahre halt, es gab ja keinerlei Vorbilder oder Masterfolien.

Radikal war allerdings unser Wahlkampf. Wir klebten Plakate mit meinem Arsch drauf und dem Claim: Wir haben die besseren Köpfe. Der Ansatz ist auch nach 35 Jahren nicht veraltet. Die im Artikel angesprochenen Inhalte sind natürlich dummes Zeug und Zeitgeist bedingt. Was geht mich dieser alternative Spießer-Stadtteil hier an und dass ich mich zum Sprachrohr des reaktionären Kleingewerbes gemacht habe, war schon damals eher peinlich.

Soweit der Blick in den Rückspiegel. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Frage, wie „man“, respektiv die einzelnen Fraktionen der Zivilgesellschaft, mit Epoche-Umbrüchen umgeht. 1991 war gerade der „Eiserne Vorhang“ gefallen, der reale Sozialismus in Osteuropa kollabiert, der reale Kapitalismus hatte keine Systemkonkurrenz mehr zu fürchten, die radikale Linke im Westen implodierte in die Bedeutungslosigkeit und der Neoliberalismus trat seinen erbarmungslosen globalen Siegeszug an, mit all den Krisenfolgen, die wir als Quittung jetzt präsentiert kriegen. Inklusive des Niedergangs der Demokratien westlicher Prägung, von denen es weltweit vielleicht noch zwei, drei dreckige Dutzend gibt.

1991, zum Wahlantritt des SCHUPPEN 68, lag es zum Greifen in der gesellschaftlichen Luft: Der Spaß war vorbei. Also musste der Humor her, in seiner Sonderform der Satire. Zumindest galt das für die fortschrittlichen Avantgarde-Elemente der Gesellschaft, die sich weigerten, als opportunistisch-politische Renegaten das dreckige Geschäft des ehemaligen Klassenfeindes als Kollaborateure mit zu besorgen. Hier sei an eine der ekligsten politischen Existenzen der Postmoderne erinnert, an Joseph Fischer.

Man kann gerne über die Sinnhaftigkeit und Nachhaltigkeit satirischer Interventionen diskutieren, man muss aber analytisch sauber vorgehen und deren Existenz soziologisch in die Entwicklung der Zeitgeschichte einordnen. Und sich dann die Frage stellen: Was ist die adäquate Reaktionsform auf den aktuellen Epochen-Umbruch, das Verschwinden der Demokratie westlicher Prägung? Die Frage ist noch unbeantwortet. What’s left?

Whats’s left: Die grunzdämliche Aussage im Artikel von mir, dass auch wir gegen die EXPO 2000 in Hannover seien. Üblicher linker Beißreflex auf alles, was neu ist und nicht in den Kanon passt.

Richtig ist vielmehr, dass Berlin sich für die EXPO 2035 bewerben will . Jenseits des üblichen Blablabla auf der Projekt-Homepage wird das, wenn es klappt, eine riesengroße, bunte, schrille, monatelange Party in ganz Berlin – wo jetzt schon immer Party ist. Ab Morgen fange ich an, mich dafür fit zu halten und zu machen.

Das werde ich mir jeden Morgen sagen …

29.05.2025 – Ich trink Ouzo und was machst Du so?

Der Ouzo nach dem Essen war immer ein dreifacher und tröstete darüber hinweg, dass die Preise in den letzten drei Jahren gefühlt, pi mal Daumen, mindestens um ca. 30 Prozent angezogen haben. Krassestes Beispiel: Einsames Bergdorf vor drei Jahren, wo aber doch ab und an vereinzelt Wandersleute auftauchten. In der einzigen Taverne gab es eine phantastische Moussaka, für 8 Euro. Die vereinzelten Wandersleute waren darüber so entzückt, dass sie das hymnisch auf den einschlägigen Internetportalen bewerteten, mit entsprechenden grandiosen Fotos. Ergebnis: Die Moussaka kostet jetzt 17 Euro. Intelligenz des Schwarmes? Wer den Slogan aufgebracht hat, kann in Zeiten der Instagramisierung der Welt nur als Vollidiot bezeichnet werden.

Diese Erkenntnisse sind weder neu noch originell, sie kriegen nur einen anderen Gehalt, wenn man sie selbst erfährt. Und lassen einen im besten Fall auch weiter denken. Bei dieser Entwicklung dürften sich immer weniger Menschen Urlaub leisten können und das vor dem Hintergrund der Tatsache, dass der Urlaub mittlerweile das Auto als der Deutschen liebstes Kind eindeutig abgelöst haben dürfte. Autos verlieren zumindest in Ballungsräumen immer mehr an Bedeutung und an Status sowieso. Nichts peinlicher, als einen Tesla zu besitzen. Und die urbane Hipsterin nicht nur im Epizentrum des alternativen Wahnsinns, Kreuzberg, foltert die Nerven ihrer Mitbürger mit den höllischen und vollkommen rücksichtslosen Geschwindigkeiten ihrer elektrifizierten Lastenräder. In denen leider meistens auch Brut hockt, so dass sich dieser Öko-Mob auch noch vermehre. Ein Auto?! Oh Göttin, das haben wir schon seit Jahren nicht mehr! Aber auf Urlaub will niemand verzichten, koste er , was er wolle.

Zwischenzeitlich macht sich allerdings im industriellen Kern unsere Gesellschaft, der aber an der Peripherie der Wahrnehmung liegt, Panik breit angesichts der zusammenbrechenden Autozulieferindustrie und den Massenentlassungen. Die IG Metall hat schon ruckzuck ihre Forderung nach einer Viertagewoche wieder eingepackt. Sie verliert dramatisch an Gestaltungsmacht, ihre Bataillone schmelzen dahin wie Butter in griechischer Sonne. Dabei wäre eine Viertagewoche, allerdings ohne Lohnausgleich, das probate Mittel zum Erhalt von Arbeitsplätzen. Wenn das sinkende Produktionsvolumen in sinkender Arbeitszeit auf die gleiche Anzahl von Köpfen verteilt wird, haben alle in der übrigbleibenden Arbeitszeit immer noch gleich viel zu tun. Logisch.

Stattdessen macht sich aber immer weiter Angst breit, um den Kredit für das Häusle, für das Zweitauto, den Urlaub!, die Existenz. Wer davon profitiert, dürfte so klar wie die legendäre Kloßbrühe sein. Der AfD fallen die Koalitionsbeteiligungen bei den nächsten Wahlen wie reife Oliven in den Schoß.

Was sagen eigentlich die Zahlen, laut Statistischem Bundesamt?

Die Reallöhne sind seit der Wiedervereinigung, also seit 35 Jahren, um ca. 25 Prozent gestiegen.

Die Armutsquote ist seit Mitte der Neunziger um ca. 50 Prozent gestiegen.

Die Zahl der Milliardäre ist in den letzten 25 Jahren um 250 Prozent gestiegen, von 63 auf 250.

Das Vermögen des reichsten Deutschen, Schwarz, Lidl-Besitzer, ist in den letzten 18 Jahren um 300 Prozent gestiegen, von 10 auf 40 Milliarden Euro.

Allein davon könnte man ca. 8.000 Kitas bauen.

Aber versuchen Sie mal, mit Zahlen und Fakten irgendjemanden zu beeindrucken. Ich freu mich jetzt schon auf meinen nächsten Corfu-Urlaub, um diese ganze Scheiße hier mal zu vergessen. Prost.