27.03.2023 – Stullen für die Bullen

Park Gleisdreieck, Berlin. Direkt vor meiner Haustür, riesiger innerstädtischer Park, über 30 Hektar groß. Immer wenn ich in diesem Wildnisteil flaniere, denke ich, hier ist ein ideales Terrain für innerstädtische Wölfe, vielleicht ist da schon einer …

Hier sollen bis zu 7 Hochhäuser, 90 Meter hoch, entstehen. Ausschließlich für Gewerbe und Büros. Das Vorhaben ist völlig grotesk in Zeiten von Homeoffice, Klimawandel und sozialökologischem Umbau der Städte. Außerdem zerstört es sämtliche Sichtachsen im Park und entwertet das Panorama der alten Gleisanlagen und Brücken, städtebaulich einmalige Denkmäler, komplett. Die Brutalität, mit der an diesem Projekt festgehalten und das notfalls mit maximaler staatlicher Gewalt gegen Widerstände durchgeknüppelt wird, macht die Mentalität in Teilen unserer Profitgesellschaft deutlich: Wir gehen über Leichen. Das nämlich ist das Produkt solcher kranken Planungen, der innerstädtische Klimawandel kostet Menschenleben. Gerade in Berlin, wo in grünlosen Betonwüsten Temperaturen von über 40 Grad keine Seltenheit mehr sein werden. Dieses Projekt wird von der Betonmafia CDUSPD in Berlin durchgezogen, gnadenlos, selbst der rotgrünrote Vorgänger-Senat hatte keinen Planungsstopp durchgesetzt. Als Kompromiss kommt später dann: ein Hochhaus weniger, zwei Stockwerke niedriger und zwei Räume für Klimainitiativen, mit hauptamtlichen Geschäftsführerinnen, die von den Bauträgern bezahlt werden. Das pazifiziert noch jeden Widerstand.

Leider ist das Leben komplexer als die Wirklichkeit, und jene Betonmafia, die ich eben noch in die Hölle gewünscht habe, plant Wohnungsbau auf dem Tempelhofer Feld, wofür ich sie lobe und preise in hohen Tönen. Diese riesige innerstädtische Freifläche, das Areal des alten Flughafens, von mir aus in 15 Minuten zu Fuß zu erreichen, ist 355 Hektar groß und ein traumhaftes Erholungs- und Freizeitareal für ganz Berlin, vorrangig natürlich für das anliegende Neukölln und Kreuzberg, Hochburgen der Alternativszene.

Dieses asoziale Pack hatte mit einem Volksbegehren 2014 eine Bebauung komplett verhindert, auch keine Wohnungen, und das in dem aus den Fugen geratenen Wohnungsmarkt Berlin. Die Initiatoren wollte die Spielwiese für ihr alternatives Kaspertum (wenn ich diese Schrottkunst da nur sehe, entsichere ich regelmäßig die Pistole in meinem Halfter) komplett ungestört erhalten, was ihnen auch gelang. In Berlin herrschen Zustände von Obdachlosigkeit wie in den Peripherien des Südens, ganze Zeltstädte. Zustände, von denen sich Kiezhipster keine Vorstellung machen. Zustände, die Leben kosten.

Und so ist es durchaus möglich, dass ich am Park Gleisdreieck den Widerstand gegen mögliche Polizeigewalt im Falle von Räumungen unterstützen werde, wohingegen ich im Falle von polizeilicher Räumung auf dem Tempelhofer Feld den Repressionsapparat anfeuern und mit Erfrischungen versorgen werde. Ich habe auch schon einen Claim, für Flugis und Transpis. Sowas ist wichtig für öffentliche Akzeptanz und mediale Kommunikation. Er lautet: Stullen für die Bullen.

Solche Geschichten kann nur das Leben schreiben.

26.03.2023 – Demnächst wird hier übrigens der Flyer für meine Angebote veröffentlicht

Das Ampel-Chaos hat derartige Ausmaße angenommen, dass die sogar bei mir um die Ecke schon Personal suchen. Ich überlegte kurz, ob ich mich als Bildungsministerin bewerben soll, Bildung hab ich reichlich. Ich lasse es lieber. Meine Zukunft liegt eindeutig in der Personalberatung, Coaching, Prozessentwicklung. Neulich eine von zahlreichen Schlüsselszenen: Fünf Männer analog in einem Raum, wir mussten uns bei kontroversen Vorstellungen innerhalb einer Stunde auf die Präsentation eines Kompromisses in größerem Rahmen einigen. Ich dachte zwischenzeitlich, ich sei in einem Satiretheater.

 Göttinseidank habe ich mir Laufe der Jahrzehnte aus Neigung und Selbstschutz, in Theorie und eigener Praxis, die wunderbare Shakespearesche Sicht zu eigen gemacht: Die ganze Welt ist Bühne und alle Frauen und Männer bloße Spieler, sie treten auf und gehen wieder ab.  

Allerdings würde ich die Sicht des Kollegen Shakespeare um eine feine, aber beträchtliche Nuance erweitern. Frauen und Männer agieren auf dieser Bühne seeehr unterschiedlich. Aus der Arbeitssoziologie ist bekannt, dass Frauen erheblich mehr zu Selbstkritik und Selbstzweifeln neigen als Männer, was unter anderem eine Ursache für Genderpaygap ist. Frau geht eben nicht mit breiter Brust in Gehaltsverhandlungen und Karriereplanungen. Männern mangelt es, nicht nur bei der Arbeit, in ganz erheblichem Umfang an Distanz zum eigenen Tun. Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung, letzteres die realistische Variante, scheinen bei Männern mitunter auf verschiedenen Planeten zu spielen. Vereinfacht ausgedrückt: Männer leiden nicht selten an Größenwahn. Oder besser: Sie genießen ihn. Und ziehen aus dieser Mangelerscheinung nicht selten und nicht nur beruflich beträchtliche Vorteile.

Nun ist aber unsere Sprache, auch die der Körper, Fenster zu unserer Seele. Alles, ohne jede Ausnahme, was wir sagen, wie wir es sagen oder auch wie wir es verschweigen, lässt für kundige Leserinnen tiefe Einblicke in unsere Dispositionen, Bedürfnisse, Wünsche, Sehnsüchte, Phantasien zu. Mitunter wird das Fenster regelrecht zum Brennglas und fokussiert in einer Äußerung die ganze Person. Das ist jetzt ein bisschen sehr prononciert, entspricht aber dem Stand von Erkenntnis und menschlicher Erfahrung und ist genau der Sprech, der in entsprechenden Seminaren die TN anrührt, ob man das selber schätzt oder nicht.

Ich denke bei Gelegenheiten wie bei obiger Sitzung mitunter: Merkt Ihr eigentlich, was Ihr gerade über Euch preisgebt? Die Fähigkeit, bei Anderen lesen zu können, was sie im Inneren zusammenhält, und das gewissenlos instrumentalisieren zu können, zeichnet übrigens – unter anderem – Psychopathen aus.

Supervision und Coaching sind heutzutage gängige Instrumente und die Tagessätze, die derlei „Expert*innen“ liquidieren, sind beträchtlich. Mitunter frage ich mich allerdings, was treiben die da? Da, wo sich das auf rein verbale Interventionen beschränkt, ist das zum großen Teil zum Scheitern verurteilt. Blabla und rein kognitive Interventionen kannste in die Tonne treten.

Raus ins Leben, rein in die Praxis. In meinen Seminaren bilden die TN Gruppen, mit je zwei Handykameras, eine dramaturgische Vorgabe und werden auf einen Kinderspielplatz geschickt, um das Konzept zu erarbeiten, durchzuspielen und zu dokumentieren, wobei immer eine*r reihum den Gruppenprozess dokumentiert. Nach dem leckeren veganen Mittagsimbiss wird das im Plenum präsentiert und dann geht’s ans Eingemachte.

Kosten pro TN/Tag, mit Vollverpflegung, Materialien und Nachbetreuung: 1.200 Euro. Vorteil für mich: Vormittags Zeit zur Selbstreflexion da TN in Eigenarbeit, und nachmittags Praxisorientierte Anwendung der zwei therapeutischen Standardsätze:

1. Ich verstehe. 2. Wie geht es Dir jetzt dabei? 3. Was meint die Gruppe dazu?

Das Prinzip funktioniert, ich weiß, wovon ich rede. Hab’s vor Jahrzehnten in unserer, heute würde man sagen: diversen Uni-Videogruppe erfahren, deren Überlebende ich hier ganz herzlich grüße, falls sie das lesen. Was ich da im Agieren vor der Kamera über mich erfahren habe, hat mich eins gelernt: Einfach mal die Fresse halten.

Demnächst wird hier übrigens der Flyer für meine Angebote veröffentlicht. Bleiben Sie drin! Mein Dank gilt der Ampel für ihr obiges Personal Recruiting, ohne das wäre ich nicht auf diese Idee gekommen. Für irgendwas muss diese Gurkentruppe ja gut sein.

24.03.2023 – Alle, die gegen das Aufstehen sind, sollen aufstehen!

S A U.

N A waren zum Lüften geöffnet. Betrachtung ist immer eine Frage des Augenblicks. Betrachten wir uns Deutschland. Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation umfasste im Jahr 1000 unter anderem Rom, Wien, Brünn, Marseille und Utrecht. Das deutsche Kaiserreich vor dem 1. Weltkrieg Elsass, Lothringen, Teile Dänemarks und das halbe Polen. Nach dem 2. Weltkrieg gab es zwei kleine deutsche Staaten, deren geografischen Umfang ich mal voraussetze, wir sind ja hier nicht in der Klippschule. Sowohl Geografie als auch Bezeichnung des Staatswesens, in dem wir aktuell leben, haben sich im Laufe der Zeit dramatisch geändert, meist durch Krieg, Gewalt, Tod, Unrecht, bejubelt oder verdammt, je nach Standpunkt und Betrachtung. Immer waren diese Veränderungen Anlass für neuen Nationalismus, Chauvinismus, Revanchismus, neue Kriege, Veränderungen usw. usf, ein elender Circulus Vitiosus. Der Frieden hatte fast nie eine Chance, um auch nur mal Luft zu holen. Allein aus diesem Grund ist mir schon der Begriff „Nation“ zutiefst zuwider und kaum etwas empfinde ich ästhetisch – und damit politisch – abstoßender als Nationalhymnen und Flaggen.

Das im Hinterkopf habend, empfand ich angesichts der aktuellen News einen der seltenen Momente von Zuversicht und Hoffnung. Im Ukrainekrieg zeichnet sich zumindest auf der Wording-Ebene erstmals Aussicht auf Waffenstillstand ab. Bis heuer galt mehr oder weniger explizit im Nato-Mainstream: Ukrainekrieg bis zur vollständigen Rückeroberung aller Gebiete, inklusive Krim.

Das ist illusorisch. Demzufolge hat sich heute erstmals ein US-Politiker vorsichtig in eine andere Richtung geäußert, was ich für einen Paradigmenwechsel halte: US-Außenminister Antony Blinken schließt langfristig Verhandlungen über die künftigen Grenzen der Ukraine nicht aus. Und er gibt der Ukraine die Marschrichtung vor: „ …. Ich glaube, dass es Gebiete in der Ukraine gibt, bei denen die Ukrainer entschlossen sind, am Boden darum zu kämpfen. Und eventuell gibt es Gebiete, bei denen sie beschließen, dass sie versuchen wollen, sie auf anderen Wegen wiederzuerlangen ….“

Die Krim z. B.

Dazu wird die Lösung des Konfliktes in die nächste Geberation verschoben. Es gibt einen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen, über Jahre, mit Auf und Ab und irgendwann, in Jahrzehnten, erscheint die Rückeroberung der Krim so wie eine heutige Forderung nach Rückeroberung Breslaus durch die Reichswehr. Sorry, Bundeswehr, respektive Bundesschrotthaufen.

Natürlich ist das nicht gerecht. Aber in der im ersten Moment moralisch vollkommen legitim erscheinenden Forderung nach „nationaler Integrität (der Ukraine)“ liegt bereits der Keim für weiteren Krieg, Gewalt, Vertreibung. Was dem einen z. B. 1933, Deutschland, die nationale Integrität in den Grenzen von 1914 war, war für den anderen, Frankreich, eine vollkommen zu Recht so empfundene Drohung mit Krieg. Womit ich den imperialistischen Angriffskrieg Putins in keiner Weise legitimieren will. Ich weise nur auf das Dilemma hin, das klassische Dilemma: Gerechtigkeit oder Frieden?

Da mir Leben das Höchste der Güter ist, tendiere ich zu Frieden. Mit der Gerechtigkeit ist das eh so eine Sache. Wir erinnern uns an die alte Geschichte: „ „Gerechtigkeit der Erden, o Herr, hat dich getötet … “.

Oder ist es zum Beispiel gerecht, dass ich wieder beim Büchnerpreis leer ausgegangen bin?

Also alle, die für den Frieden sind, sollen aufstehen.

Und danach sollen alle aufstehen, die gegen das Aufstehen sind.

22.03.2023 – Leben und Tod

Amsel, schimpft über Mäusebussard. Der Garten ist nicht nur Ort der Meditation, sondern auch einer von Jäger und Opfer, fressen und gefressen werden, Leben und Tod. Wie draußen vor der Tür, in der Kultur und Zivilisation, wobei es diese Dichotomie nur im Deutschen gibt. Draußen vor der Tür braust der Verkehr mit 25.000 Luftverpestern pro Tag und mit Anbruch des Frühlings kommen die ganzen Zahnwälte mit ihren kaputten Hüften und Harleys dazu, mit deren Geknatter und Gestinke sie ihren eigenen Verfall kaschieren wollen, nach dem Motto Forever young ein Easy Rider und bis zur Bahre I am a crossroader, was zugegeben heute noch ein Stück pure Musikenergie ist. Diese Musik setzt das Programm der italienischen Futuristen in Töne um und folgt damit deren ambivalenter Ideologie, die vom Fortschrittsglauben an Geschwindigkeit und Dynamik kommend direkt in der Vernichtungsdynamik des Faschismus landete.

Am schlimmsten sind Quads, wenn ich die sehe, gerne auch im Urlaub, wo sie als Naturfolger an einsamen Stränden rumdonnern, könnte ich zum Mörder werden. Womit wir wieder mitten in der Zivilisation wären.

Der Bussard, um von finsteren Phantasien wegzukommen, ist ein Kulturfolger, er ist in Städten heimisch geworden, wo das Nahrungsangebot überreichlich ist. Seit Jahren halten die im Grüngürtel hinter unserem Haus und zunehmend im Garten Tauben, Eichhörnchen, Kaninchen knapp. Um die Anwesenheit von Menschen schert der Bussard sich nicht groß, er sitzt schon mal auf Nachbars Balkon an, und meine Anwesenheit während der Fotopirsch, ein paar Meter weit entfernt, mehr gibt die Handycamera nicht her, juckt ihn nicht weiter. Er hat mich zu Recht im Laufe der Jahre als Nicht-Fressfeind identifiziert, evolutionär bin ich für den vermutlich ein Sonder-Bär, der den Gang auf allen Vieren verlernt hat, im Winter zum Winterschlaf in der großen Steinhöhle am Ende des Reviers verschwindet und in der warmen Jahreszeit, mit Sommerfell, ihm das Jagen erschwert, durch Daueranwesenheit die Beute vergrämt.

Mein Bussardkumpel scheint sich aus Energiespar-Gründen zunehmend auf die Bodenjagd zu verlegen, er hüpft im Garten um Baum und Strauch herum, äugt, was in Mauselöchern so anliegt und checkt das Nahrungsangebot an Amsel, Drossel, Fink und Star im Gehölz über ihm. Das dürfte kraftsparender sein als der Sturzflug aus Bäumen herab. Anpassung sichert das Überleben. Demnächst nimmt er noch den Bus vor der Tür für die Fahrt ins Nachbarrevier und lässt sich dann umtaufen: Von Bussard in Busfahrt.

Er hat das, was dem Menschen aktuell verloren geht: die Fähigkeit zur Anpassung. Schnell reagieren auf dramatisch sich ändernde Umstände.

Apropos: Haben Sie meinen Börsentipp in Sachen Deutsche Bank und Commerz befolgt, die in der Spitze in den letzten 48 Stunden um fast 14 Prozent zulegten?

War n Witz, lassen Sie bloß die Finger von sowas. Finger weg auch von der Panzer- und Waffenschmiede Rheinmetall, deren Kurs im letzten Jahr explodierte. Stellen Sie sich mal den Kursverlust vor, wenn es plötzlich Frieden gäbe. Katastrophe …

20.03.2023 – Ausflug, erst in den Garten und dann in die Nationalökonomie

Morgendliche Garten-Meditation, in der Tradition des Zech-Buddhismus. Versenkung in das Prinzip Hoffnung. Wir meditieren einen Moment gemeinsam darüber, was eine Frühlingsblüte uns sagen will, Hoffnung, Aufbruch, Zuversicht. Om, Meditier.

Der Blick in die Welt aber sagt uns: Wanderer, der du hier eintrittst, lass alle Hoffnung fahren. Noch reagieren die Börsen nur zögerlich auf die neue Bankenkrise, der DAX eröffnet vorbörslich mit moderaten Verlusten von knapp 1 Prozent. Niemand weiß, welche systemrelevante Bank als nächste in die Schlagzeilen gerät, wegen Geldwäsche, falschem Geschäftsmodell, Managementfehlern …. Die Summen, mit denen die Staaten, die Steuerzahler*innen diese kriminellen Vereinigungen regelmäßig vor dem Untergang retten müssen, werden immer atemberaubender. Die Schweiz garantiert der USB für die Übernahme der Credit Suisse Bank 100 Mrd. Euro, auf Deutschland übertragen wäre das mehrere hundert Milliarden. Damit kann die USB vollkommen risikofrei genauso verbrecherisch weiterarbeiten wie die Pleitebank Credit Suisse: Geldwäsche, Drogenhandel, Waffenschmuggel, die ganze Palette.

Zurzeit läuft der Wirecard Prozess, die Angeklagten werden zu Recht für Jahre in den Bau wandern. Sie waren verantwortlich für Luftbuchungen, Geschäfte, Umsätze, Gewinne, die nur auf dem Papier existierten. Trotzdem wurde Wirecard jahrelang treu und brav von Wirtschaftsprüfungsunternehmen gute Bilanzführung attestiert. Die Banken betreiben zu großen Teilen nichts anderes als Luftbuchungen, allerdings in gigantischem Ausmaß. Ihre Aktivitäten sind lediglich zu 4 – 6 Prozent gedeckt, das ist ihre durchschnittliche Eigenkapitalquote. Wenn Sie einen Kredit für Ihren Hausbau bei Ihrer Hausbank aufnehmen wollen und mit einer Eigenkapitalquote von unter 30 Prozent da auflaufen, werden Sie vom Hof geprügelt.

Die Sicherheit der Banken, über ihre lächerlich geringe Eigenkapitalquote hinaus, sind hinterlegte Sicherheiten der Kreditnehmer, also z. B. Ihre Eigentumswohnung für den Kredit zum Häuslebauen. Die Sicherheiten der Kreditvergabe der Banken untereinander – dieser sogenannte Interbankenhandel macht einen Großteil ihres Geschäftes aus – besteht in Vertrauen auf die gegenseitigen Bilanzen. Also ein Luftbuchungssystem steht für das andere gerade, notdürftig gedeckt durch Testate von Wirtschaftsprüfungsunternehmen, die genauso kriminell und unfähig agieren wie die Banken selber. Schon Brecht wusste, dass das größere Verbrechen als ein Bankeinbruch die Gründung einer Bank ist und dass fällt uns jetzt systemisch auf die Füße. Kaum jemand weiß, was die überhaupt machen, was sich da für ein unkontrollierbarer Markt entwickelt hat seit der Entfesselung der Märkte in den 90ern. Von den 2 Billionen Euro, die täglich um den Globus rotieren im Rahmen von Finanzgeschäften, sind nur wenige Prozent real gedeckt durch Wirtschaftsleistungen.

Fragen Sie mal Ihre Abgeordneten, die sowas kontrollieren sollen, ob die wissen, was Derivate, also Futures, Optionen und Zertifikate sind, wie man eine Bilanz liest, ob die überhaupt wissen, wie Geld entsteht. Das ganze System ist außer Kontrolle, nicht mehr zu reformieren, und irgendwie ahnen die Märkte das auch. Der Kurs der Deutschen Bank lag in der Spitze in den 2000ern bei 90 Euro, eben gerade ist er unter 9 Euro gerutscht, die Commerzbank lag in der Spitze bei 225 Euro, eben gerade, Sie ahnen es, ist sie unter 9 Euro gerutscht.

Wenn uns Seuchen, Klimakatastrophe, Kriege nicht den Rest geben, die Bank Ihres Vertrauens schafft das. Ein ehrliches Wort drauf.

Mein Börsentipp für diese Woche: Deutsche Bank und Commerzbank Aktien. 20 Prozent Verlust im letzten Monat, da liegt Ihre Chance. Mein Wort drauf.

19.03.2023 – 35 Dollar oder mehr Pornografie?

Durchschnittlicher stündlicher Verkehr pro Tag auf diesem Blog im März. Zwischen 22 und 4 Uhr nächtliche Ruhe im Blog-Karton, dann bis 10 Uhr Anstieg, 15 Uhr Peak. Werbewirksam entscheidend wären die hellblauen Balken, sogenannte Pageimpressions. Das sind die Klicks, die jede Besucherin (sogenannte Visits) pro Besuch hinterlässt, wenn also beispielsweise Bilder angeklickt werden. Der Blog hat ca. 25.000 Besucher*innen jeden Monat, die bis zu 70.000 Pageimpressions hinterlassen. Das ist für eine Seite, für die ich keinerlei Werbung betreibe, recht ordentlich. Also sollte ich einigermaßen sauber arbeiten, auch wenn ich dafür keinen Cent kriege. Meine Währung sind die Klicks, zumindest auf dieser Ebene bin ich im Zeitalter der digital natives angekommen.

Wollte ich Cents, also Werbung schalten, würde ich pro Monat Stand jetzt dafür zwischen 30 und 40 Dollars kriegen. Ab wann also wäre ich käuflich, würde Werbung schalten? Natürlich nur sozialökologisch vertretbare, mit Ethiksiegel und so Zeug, großes Ehrenwort! Ab dem 10fachen? 100fachen? 3000 Dollar im Monat, whow. Da kann ich nur sagen: Und führe uns nicht in Versuchung. Und bin froh darüber, dass die Hürden dafür zu hoch wären. Als Erstes müsste ich virale Werbung betreiben, in den sozialen Netzwerken präsent sein, den Content neu ausrichten und in der realen Welt präsenter werden. Content neu… hm.

Was immer geht, ist Pornografie, das erzielt Klicks ohne Ende, wird aber mit Ethiksiegel nicht zu vereinbaren sein, und ist in der Praxis eher schwierig zu gestalten. Explizite aber unpornografische literarische, noch dazu feministische Geschichten wie in „Delta der Venus“ von Anaïs Nin würden heutzutage vermutlich keine Klickrekorde erzielen. Also Widersprüche, Arbeit ohne Ende.

Wir lassen es vorerst beim Zustand wie besehen. Sollten Sie, liebe Leserinnen aber in Zukunft hier mehr explizites lesen, wissen Sie: Er kann dem Lockruf des Geldes nicht widerstehen. Allein die Verwendung des Begriffes Pornografie ist vermutlich Trigger genug für höhere Klickzahlen. Würde ich das darüber hinaus als „Tag“ für diesen Blog einpflegen, wäre hier der Teufel respektive die Teufelin los. Mit Tags werden Webseiten-Inhalte und Themen kategorisiert, um Konsument*innen die Suche und Orientierung zu erleichtern, wobei eine Spezifizierung hilfreich ist. Also z. B.: Pornografie, Erotik, Sadomasochismus, Unterwerfung, Dominanz ….

Für Schreibende, Kulturproduzent*innen allgemein, gibt es kaum eine höhere Lust und Erfüllung als damit Geld zu verdienen. Jenseits von bürgerlicher Erwerbsarbeit in das Reich der grenzenlosen, selbstgeschaffenen Freiheit einzutreten, ist sowieso schon Verheißung genug und dann dafür noch Kohle? Whow!

Weshalb nehmen wohl Hunderttausende für diese Utopie Entbehrung und Armut in Kauf, nur um in dieser Branche zu arbeiten? In keiner Branche ist der Durchschnittsverdienst so niedrig und die Altersarmut so hoch wie im Kultursektor. Natürlich sind da viele, die zu faul für die Fron der bürgerlichen Erwerbsarbeit sind, wer wollte es ihnen verdenken. Aber da sind ganz viele Überzeugungstäter dabei, die sich hier neben dem Geld nach der Aufmerksamkeit, Anerkennung und Liebe sehnen, die ihnen im Alltag des Kapitalismus verwehrt bleibt.

Ich bin vorerst dankbar dafür, dass der Blog überhaut noch online ist, nachdem er vor ein paar Monaten mal final abgekackt war, weil ich noch nicht mal Lust für notwendige Software-Updates hatte. Ohne meinen Mediamaster Achim wäre der Blog im Daten-Nirwana verschwunden und das, obwohl wir in einigen gesellschaftlichen Fragen eher gegensätzlicher Meinung sind. Was die mildeste Formulierung ist, die mir dazu einfällt. Da lautet die gegenseitige Zuschreibung schon mal: Alles Quatsch, was Du da von Dir gibst. Trotzdem war die Einstellung des Mediamasters: „Es ist zwar quätscher als Quatsch, was Du da erzählst, trotzdem werde ich alles versuchen, damit Du deinen Quatsch weiter öffentlich machen kannst.“

Chapeau. Das ist die Essenz von Aufklärung und nichts brauchen wir zur Zeit notwendiger als das.

15.03.2023 – Wie mich neulich beinahe ein Hirnschlag traf

Werbeplakat vor Baumarkt.

Der Tag hatte schlecht begonnen: Regen und Kälte, draußen Krieg und Krisen, drinnen Frust und Frost, Beerdigungen, Krankheiten, das Leben schien eine Kette von Zumutungen. Und dann musste ich auch noch in einen Baumarkt, für mich der Vorhof zur Hölle. Lauter extrem hässliche Menschen, stiernackige Männer in Blaumännern und Millionen Gegenstände, deren Sinn und Zweck ich nicht verstehe und die alle nach einer Arbeit riechen, die ich hasse. Ich wollte auf den Parkplatz radeln, in der stillen Hoffnung, dass ein Meteoriteneinschlag meiner trüben Existenz ein jähes und mildes Ende setzen würde. Schlimmer könnte es nicht kommen.

Von wegen. Ich erblickte das Plakat oben. Und erstarrte. Für einen Moment dachte ich: Jetzt habe ich einen Hirnschlag erlitten.

Dieses Plakat ist genuine Ästhetik des Faschismus, eine Bildersprache unter anderem aus den Wahlplakaten der NSDAP in der Weimarer Republik. Hier der stählern-muskulöse, einsame Hammermann, der wuchtig dreinschlägt und Ordnung schafft

Das ist durchgehende faschistische Bildersprache, damals und Heute: der Hammer, oder die dreinschlagende Faust, der gestählte Muskelmann, meist allein, in Verbindung mit Ordnung, Arbeit, immer ernster, oft grimmiger Blick, nichts freundliches, lebendiges

Durch die Bilder scheint schon die Todessehnsucht, die nach Mord und Vernichtung, die in im Krieg und in den Lagern endete.

Das Werbeplakat oben unterstreicht diese Trostlosigkeit noch, es bildet noch nicht einmal die notorische, alberne Frau und nervende Gören im Hintergrund ab, die Papa wahlweise einen Eistee bringen oder vor Dankbarkeit und Familienglück umtanzen. Hier schlägt der einsame, coole Führer-Held zu, hier wird Ordnung geschaffen. Der Garten, eh schon trostloses, totes  Rasengrün, wird mit Hammerschlägen in eine steinerne Ordnung geprügelt, das Grün am Bildrand wirkt bedrohlich, und wird als nächstes zugerichtet.

Nichts hasst der Faschist mehr als das Lebendige, als die Unordnung, das Weiche, Fluide, alles zarte, freundliche, weibliche muss vernichtet, rausgeprügelt werden. Dass eine derartige Ästhetik als werbewirksam betrachtet wird, hat mich echt gegruselt. Es ist ja nicht so sehr das faschistische Gequatsche eines Höcke, einer AfD, was so gefährlich ist. Schlimm genug, das erreicht aber nur einen harten Kern. Was ich für mindestens genauso gefährlich halte, sind solche Bilder wie oben, wenn sie für eine ästhetische Tendenz stehen. Sie transportieren in der Summe als vermeintlich harmlose Werbung ein Männer- und damit Geschlechterbild in den Mainstream zum Fürchten.

Ich gehe davon aus, dass der Designer des Plakates die Nazi-Werbung kennt. Ästhetiken und Bildersprachen vergangener Epochen sind in jedem Lehrplan für Grafiker, Designer etc. oder gehören zum Kanon derer, die in diese Richtung arbeiten.

Zu behaupten, meine Laune wäre später, nach diesem Anblick, im Baumarkt im Keller gewesen, wäre die Untertreibung des Jahres. Für einen Moment meinte ich, die Gefühlswelten von Amokläufern kurz vor der Tat nachvollziehen zu können.

14.03.2023 – Über psychologisierendes Gequatsche

Lies, Lügen. Fake-Waschmittelwerbung aus der phänomenalen Ausstellung „Werbepause -the art of subvertising“, 2022 im Kunstraum Kreuzberg/Bethanien.

Nach der Spiegel Recherche, siehe Blog von gestern, schließt das Bistum Münster mit sofortiger Wirkung seine Beratungsstelle Organisierte sexuelle und rituelle Gewalt. Mit sexueller und ritueller Gewalt haben die Brüder ja auch praktische Erfahrung seit Jahrhunderten aus erster Hand, siehe Hexenverbrennungen. Das gerade in katholischen Bistümern diese schrägen und teils kriminellen Beratungsstellen unbehelligt so lange ihr Wesen treiben konnten, lässt tief blicken. Das scheint so eine Art Schuldumkehr-Prinzip zu sein, wo die Täter zu Opferberatern werden und die vermeintlichen Opfer dann unberechtigt und zusätzlich viktimisieren und damit traumatisieren.

Sei’s drum, Hauptsache, diesem esoterischen Schwachsinn wird ein Ende gemacht. Es bleibt zu hoffen, dass das weitere und strafrechtliche Kreise zieht. Eine Patientin verlor aufgrund von Behauptungen der Leiterin der Beratungsstelle, einer ausgebildeten Psychotherapeutin, das Sorgerecht für ihr Kind. Die Tatsache, dass offensichtlich Familienrichter den hanebüchenen „Expertisen“-Unfug dieser Scharlatanin ungeprüft geglaubt haben, ist ein Skandal.

Ein noch größerer, dass ein Forschungsprojekt zu ritueller sexueller Gewalt vom Bundesfamilienministerium gefördert wurde. Überflüssig zu erwähnen, dass sich das Bundesfamilienministerium fest in grüner Hand befindet. Irgendwie sind unsere Schwestern mit ihrem Hang, jeden esoterischen Blödsinn zu glauben und zu fördern, das säkulare Gegenstück zu unseren Brüdern vom Bistum siehe oben.

Offensichtlich herrscht in weiten Teilen der Gesellschaft ein Framing, das den gesamtesoterischen Quatsch, der sich wie eine Seuche ausbreitet, nicht nur akzeptiert, sondern real befördert und letztlich den Humbug selber glaubt. Ich gehe jede Wette ein, dass der obige Familienrichter Zuhause eine Batterie von Globuli stehen hat, Bachblütensalat isst, an Buddha glaubt und grün wählt. Woher ich das weiß? Angewandtes Profiling.

Dass so ein Unsinn wie der hier skandalisierte sich ungestraft ausbreiten konnte, hat seine Ursache im Zustand unserer Gesellschaft, die sich nämlich abwendet von den manifesten ökonomischen Krisen und sich zunehmend in psychologisierendes Gequatsche verliert. Welches alle Schuld an Misere und Krankheit den Einzelnen in die Schuhe schiebt und das Elend mit Individual-Beratung und Betreuung lindern will. Weiße Salbe auf Hautkrebs.

Beratungsstellen sind normalerweise bei Sozial- und Wohlfahrtsverbänden angesiedelt. Sie einzurichten, kostet einen Haufen Kohle, per anno geht das schon mal in die Hunderttausende und darüber, je nach Ausstattung, und einen Riesenberg an Arbeit. Sowas geht durch interne Gremien und Abteilungen im Haus rauf und runter und bevor das genehmigt wird, müssen alle Beteiligten von der Sache und Notwendigkeit überzeugt sein. Das ist völlig richtig so, korrektes Verfahren. Wirft aber in Sachen Beratungsstelle ritueller sexueller Gewalt ein bezeichnendes Bild auf alle Verantwortlichen.  

Immerhin hat auch die Deutsche Gesellschaft für Psychologie (DGPs) auf die Spiegelrecherche reagiert, es ergäben sich erhebliche begründete Zweifel an psychologisch unplausiblen Phänomene wie Mind Control, Verdrängung und Wiedererinnern von traumatischen Erfahrungen oder zielgerichteter Aufspaltung der Persönlichkeit. Aus diesem Grund plädiert die DGPs für eine stärkere Evidenzbasierung. Whow. Was für ein Fortschritt.

Wenn solche Zustände wie die hier geschilderten beispielsweise bei Baustatikern herrschen würden, könnten wir nur unter permanenter Lebensgefahr über jede Brücke fahren.

13.03.2023 – Psycho-Terror

Mein Eichkater-Buddy sitzt in der japanischen Blutpflaume und äugt auf die Veranda, ob es da eventuell paar Körner von meinem Biobrot abzugreifen gibt, die ich für ihn und die Spitzmäuse dort ausschütte. Erst durch das Betrachten des Fotos habe ich gesehen, dass der Baum zarte Ansätze zur Blüte zeigt und demnächst in zauberhafter rosaweißer Pracht mein Auge in all dem winterlich-trostlosen Grau erfreuen wird. Anscheinend hat sich meine – und das dürfte nicht nur mir so gehen – primäre Wahrnehmung von Außenwirklichkeit auf eine medial-technische verlagert.

Ohne Schulung der Wahrnehmung stehen wir mit der Realität auf dem Kriegsfuß. Was für gruselige Folgen das haben kann, zeigt eine aktuelle Spiegelrecherche, vom 12.03 .Die Fakten dort übertreffen mein polemisches Negativbild vom 08.03  der Therapeutenzunft um Längen und zeigen ein Horrorszenario. Leider ist der Artikel hinter einer Bezahlschranke. Zu den Fakten Zitate aus dem Artikel „Im Wahn der Therapeuten“:

„ …  Anhänger geheimer Kulte misshandeln Kinder und kontrollieren Menschen via Hirnmanipulation: Unter dem Dach von Kirchen und Kliniken verbreiten Therapeuten derartige Horrormythen – und reden Patienten angeblichen Missbrauch ein. ….  Arbeit mit »Überlebenden« sogenannter ritueller Gewalt beschäftigt eine Szene von Therapeuten, darunter Heilpraktiker und Familienaufsteller…. Involviert sind renommierte Vertreter ihres Fachs, allen voran die Traumatherapeutin Michaela Huber. Sie tritt schon seit mehr als 20 Jahren als Kennerin okkulter Sektengewalt auf – und hat in dieser Rolle vermutlich Hunderte Therapeuten geschult. Ihr vermeintliches Insiderwissen verbreiten diese Fachkräfte in Opferschutzvereinen, Universitätskliniken, Bistümern …..“

Fakt ist und nur das zählt in unserem Rechtsstaat: Fragt man nach bei Polizei und Staatsanwaltschaften, kann sich niemand an die Aufdeckung kultischer Täternetzwerke erinnern.

Das wahnhafte und geldschneiderische Geschwafel eines beträchtlichen Teils der Therapeutinnenzunft von Mind Control, Programmierung, Dissoziativer Identitätsstörung (Multiple Persönlichkeitsstörung) überschreitet in seinen Konsequenzen die Grenze von Scharlatanerie zur Kriminalität. In den USA sind Therapeut*innen bereits mehrfach zu Millionen Schadenersatzzahlungen verurteilt worden, weil sie Patient*innen mit derartigem Humbug regelrecht traumatisiert haben.

In den Kommentaren zu dem Artikel zeigen sich verantwortungsvolle Ärzte und Therapeutinnen entsetzt und fordern schärfste standesrechtliche und juristische Konsequenzen, und :  „…. Ich denke, es ist an der Zeit, unsere Medizin wieder an der Wissenschaft auszurichten und jedweden Hokuspokus in der Heilkunde per Gesetz zu verbieten. Die Kammern sind gefragt, Esoterik, Pseudowissenschaft und spirituellen Kokolores nicht nur nicht zu Lasten der Kassen zu verbieten, sondern auch außerhalb der Kassenmedizin ganz zu verbieten. Viele der selbsterklärten Heiler sind Heilpraktiker, Familienaufsteller und „Lebensberater“ ohne Studium oder fundierte Ausbildung und ohne Kassenzulassung …“

Das Ganze ist nicht nur ein standesrechtliches und juristisches Problem sondern, und hier wird der Skandal zur Demokratiegefährdung, ein gesellschaftliches. Die Existenz von Geheimkulten, in denen im Verborgenen schwerste Verbrechen begangen werden, ist seit Jahrhunderten Stoff von Verschwörungserzählungen – nicht nur im Mittelalter mit antisemitischen Zügen: Juden würden das Blut von Christenkindern trinken. In solcherlei Wahnwelten bewegt sich die esoterische Zunft dieser Scharlatane, das ist das Verbindungsglied zu Coronaschwurblerinnen, religiösen Fanatikern, siehe Zeugen Jehovas Amoklauf in Hamburg, und antiaufklärerischen Demokratiefeinden.

Die Selbstmordrate in dieser Zunft ist die höchste auf Berufsgruppen bezogen, siehe auch Blog vom 08.03. Mir wird immer klarer, warum das so ist. Wahn hat die Tendenz, sich zu radikalisieren und nach einer Erlösung zu sehnen, die es nicht geben kann, siehe Amoklauf. Im Falle der Selbstmorde bleibt zu hoffen, dass es die Richtigen trifft aus den richtigen Gründen, nämlich denen von Schuld und Sühne.

Neben diesem archaischen, fast biblischen Fazit bleibt mir ein wachsendes Unbehagen an unserer Gesellschaft: Ihre Risse werden nicht nur auf Grund des Drucks externer Polykrisen immer bedrohlicher, sondern sie erodiert schleichend, von innen heraus an Irrationalität, Wahn, Esoterik und schierer Blödheit.

11.03.2023 – Der Papst ist ein Antiimp

Für Naturromantiker ein zauberhafter Anblick, ich find’s einfach nur gruselig. Winter, der natürliche Feind des Flaneurs. Zugegebenermaßen ein Luxusproblem. Die wahren Probleme dieser Welt liefern mitunter Überraschungen. Wie die hier:

Papst Franziskus beschreibt den fortdauernden Ukraine-Krieg anders die hiesigen Bellizisten, die eine 120prozentige Alleinschuld dem Russen zuschreiben. Laut Franzi wird der Krieg von „imperialen Interessen angetrieben, nicht nur des russischen Imperiums, sondern auch von Imperien andernorts“. Das sollte sich mal ein Hiesiger erlauben, der würde gleich als Schwarzer Wagenknecht von der hiesigen medialen und politischen Einheitsfront vollgepöbelt. Sieh an, dachte ich, der alte Spontifex entpuppt sich als Antiimp.

Antiimp? Das ist die Kurzform für Antiimperialisten, die sich im Zuge der radikalen Neuen Linken in den 70ern an Lenins Imperialismustheorie orientierten.  Der Imperialismus ist da Wesenselement der kapitalistischen Gesellschaft. Er ist nicht mehr an einzelne Staaten gebunden, sondern an das ganze Gesellschaftssystem. Die imperialistischen Staaten untereinander befinden sich in einem latenten dauerhaften (Vor-)Kriegszustand und sind auf verschiedenen Ebenen, auch ökonomisch, in einem permanenten globalen Raubzug unterwegs. Da ist was Richtiges dran.

Die Antiimps bildeten auf Demos oft einen schwarzen Block in Lederklamotten, waren meist männlich, Macker, prollig, primitiv, Getränk: Bier, Musik: Pogues und schlimmeres, Erkennungszeichen: Palästinensertuch. Ideologie: Der Hauptfeind, und jetzt wird es nicht nur ästhetisch unangenehm, sondern sehr falsch im Richtigen, sind die USA und Israel, also purer pseudolinker Antisemitismus. Die Folge: massive Querfrontbildungen als Konsequenz ideologischer Überschneidungen mit der extremen Rechten.

Ich schreibe das nicht nur wegen der antiimperialistischen Einlassung des Papstes auf, die nur durch seine Herkunft aus Südamerika zu erklären ist, ein deutscher Pontifex hätte sich niemals so geäußert. Solche Erzählungen aus besseren linken Zeiten verdienen es aufgehoben zu werden, weil sich die Linke zurzeit in rasender Geschwindigkeit selbst zerlegt und damit droht ein Teil dieser Geschichte zu verschwinden. Ein Teil, der bei allen Fehlern und Irrtümern bei gesellschaftlicher Entwicklung immer mitbedacht werden muss, bevor wir im Dunkel von Barbarei versinken. Mit einer entstaubten Imperialismustheorie sind die Zusammenhänge nicht nur im Ukrainekrieg besser verständlich als es uns überforderte, dummdreiste „Hart aber fair“ Moderatoren schwarz-weiß machen wollen. Die Welt ist eben doch etwas komplexer.

Weiter in Opas Erzählungen aus besseren Zeiten: Das linke Gegenstück zu den Antiimps waren die Antideutschen. Sie wandten sich gegen einen spezifisch deutschen Nationalismus, der insbesondere im Zuge der deutschen Wiedervereinigung erstarkte. Wer erinnert sich nicht an das Meer von Nationalflaggen nach dem WM-Sieg der Ostgoten 1990 und die danach brennenden Flüchtlingsheime. Weitere antideutsche Positionen sind unbedingte Solidarität mit Israel und Gegnerschaft zu Antizionismus als Konsequenz aus Auschwitz sowie Ablehnung von Antiamerikanismus und Islamismus. Antideutsche waren meist hedonistisch, feministisch orientiert, Getränk: Crémant, Musik: Oper. Gegnerschaft zum Antiamerikanismus deshalb, weil die USA nicht zu Unrecht als zentrale Überlebensgarantie des Staates Israel gesehen werden, der wie kein anderer auf der Welt die Vernichtungsphantasien ganzer Staaten auf sich zieht.

Bis auf die Gegnerschaft zum Antiamerikanismus sind Grundzüge des Antideutschen sympathisch bis nachvollziehbar. Der Ami hat selber soviel imperialistischen Dreck am Stecken, dass man ihn durchaus massiv kritisieren kann und muss. Auch da ist die Welt etwas komplexer.

Auch wenn die Antideutschen nicht mehr existieren, noch nicht mal mehr im Verfassungsschutzbericht erwähnt werden, gilt es doch, Teile ihre Ideologie ebenso zu bewahren wie vom Antiimperialismus. Das alles ist ja nicht aus der Welt, nur weil es nicht mehr bekannt ist.

Und einen prominenten Ober-Antiimperialisten kennen wir ja nun.