25.03.2025 – Zombieland

Uberplatz mit Uberarena, Friedrichshain. Darunter die East Side Mall, auf dem Uberplatz. So stelle ich mir eine Zombiewelt nach dem Untergang des Kapitalismus vor. Riesige Betonflächen, ohne Licht, ohne Grün, ohne Sinn und Verstand, ohne Menschen. Selten hatte ich bei einer Erkundung fremder Planeten ein derart beklemmendes Gefühl, eine körperliche Abscheu, die sich auf dem sogar autoleeren Parkdeck auf dem Dach in paranoide Zustände auswuchs. Hinter jedem Betonpfeiler lauerten George Romeros Zombies.

Und das ist die verheißungsvoll Welt des Konsums, die alle lieber wollten und wollen als alles andere. Bei Menschen aus dem globalen Süden kann ich das eher verstehen als bei den Ostzonen-Zombies. Für erstere geht es ums nackte Überleben. Aber bad news für sie: kein Interesse am globalen Süden. Das Entwicklungsministerium soll abgeschafft werden, siehe Großbritannien und USA, Usaid. Der Westen braucht ein paar Bodenschätze, will Waffen dahin verhökern und ein paar billige Arbeitskräfte. Aber für die Masse gilt: Draussenbleiben. Auch als Konsumenten kein Interesse. Der Sudan ist kein guter Absatzmarkt für Luxuslimousinen. Und wozu eine nachhaltige Struktur da unten aufbauen, der Kapitalismus wird doch schon hierzulande den ganzen Dreck aus seiner strukturellen Überproduktion nicht los. Er hat die Ressourcen, um zwei Welten mit Müll zu versorgen. Und zu versauen. Einen Erdball haben wir jetzt schon versaut. Zweiter Erdball zwecks Vernichtung gesucht.

Wir erinnern uns an die Annexion der Ostzone, die Industrie konnte aus dem Stand 20 Prozent zusätzliche Konsumenten mit dem nötigsten an Bananen und Pornos versorgen, ohne eine Struktur vor Ort aufbauen zu müssen. Als das durch war, setzte die Massenarbeitslosigkeit ein, deren Lösung die Agenda 2010 und Massenarmut durch Niedriglohnjobs war. Mit nachfolgendem Abgesang der Demokratie.

Lässt sich strukturell global übertragen und am Ende sieht es dann so wie oben aus. Und ich bin schon mal vorab mittendrin gewesen.

Tief war mein Aufatmen , als ich später wieder im Hades landete, dem türkischen Imbiss in unserem Haus, mit ganz normalen, kaputten Menschen.

24.03.2025 – Über Kapitalismus. Berliner Impressionen.

Ob das wohl gut geht? Dachte ich beim Überqueren des Landwehrkanals beim Blick auf das Technikmuseum.

Keine Armut. Kein Hunger. Gesundheit und Wohlergehen. Die 17 Ziele der UN von 2016 zur globalen Nachhaltigkeit, für 2030. Tafel, ein paar Meter weiter am Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Die Tafel ist kaum sichtbar, sehr hochgehängt. Auf mich wirkt sie grotesk, lächerlich, peinlich. Warum nicht gleich: Reichtum für Alle.

Der Gendarmenmarkt, neugestaltet und in aller Munde. Der Volksmund nennt die kahle, leicht gerundete Steinwüste „Stadtglatze „. Das bemerkenswerte ist das, was nicht sichtbar ist: Der Platz hat keinen Platz für Flaneure, Menschen, die einfach mal müde und erschöpft sind, kein Grün. Er ist ausgerichtet auf die Logistik und Bedürfnisse von Großveranstaltungen wie Weihnachtsmarkt oder Riesenkonzerte. Eine vollständige Unterordnung des öffentlichen Raumes unter die Interessen des Marktes. Des Kapitals.

The containment. Von Shanee Roe. 2024. Ausstellung „Berliner Realistinnen“ im Haus am Lützowplatz. Der kritische Realismus prägte in den 70ern die Berliner Avantgarde, politisch, radikal, antikapitalistisch, perfektes Handwerk. In der Ausstellung „1. Mai Salon. Berliner Realisten 71“ waren bis auf eine Ausnahme nur Männer vertreten. 54 Jahre später sind in dem Reenactment am Lützowplatz nur Frauen vertreten . Linker Antikapitalismus funktioniert nur, wenn er auch antipatriarchal ist. Aber leider funktioniert er in der Praxis garnicht.

Gut, dass ich mal drüber geredet habe.

21.03.2025 – Wenn die Zukunft düster ist, strahlt die Vergangenheit umso heller.

EXPO 2000 in Hannover, aufgenommen mit einer Kompaktkamera. Ein wundervolles Stück Zeitgeschichte ist dieses Originalmauerstück, beschmiert von einem ebenso unbegabten wie dummen und reaktionären Malermeister Klecksel. Ich denke immer noch wehmütig an die EXPO, eine einzige Party von 6 Monaten, Luxus pur, die ganze Welt in Hannover zu Gast, nie gekannte Spezereien, Weine aus Georgien, heute der Hit, damals völlig unbekannt, flirrende Musik in und an den nächtlichen Pavillons. Schemenhafte Schatten einer zauberhaften Erinnerung an etwas Einzigartiges. Die Kunst, siehe oben, war für die Tonne, die spektakulären Pavillons gibt es nicht mehr, bis auf den holländischen. Das Ganze bescherte der Region ein tolles ÖPNV-Netz, neue Stadtteile und Schulden. Was es nicht bescherte: Eine Werbeveranstaltung für den militärisch-industriellen Komplex, zusätzlich Armut und Wohnungsnot, Zerstörung der Umwelt, etc. blabla. Was die lieben Genossinnen halt damals so vor sich hin delirierten. Eine kritische Reflexion der eigenen Fehleinschätzung fand wie üblich nicht statt.
Und anstatt sich selbst vor Ort zu überzeugen, grollten viele Linke zuhause in den bekannten jahrzehntealten abgeranzten Kneipen vor sich hin, getreu nach dem Motto: Liebe Göttin, erhalte mir mein Ressentiment.

Diese notorische Rechthaberei und gedankliche Inflexibilität war eine der Grundlagen für den Abgesang der Linken aus der Weltgeschichte. Nicht die Wichtigste. Da war der Fall der Mauer schon relevanter.
Ich war vor der EXPO natürlich auch strikt dagegen. Aber die Realität war eine Lehrmeisterin. Angesichts der Mauer oben dachte ich damals hoffnungsfroh: Darauf kann man ja aufbauen. Ein paar Maurer-Akkordkolonnen und ruckzuck steht die Mauer wieder. So kann man sich täuschen. Was soll’s, was ist nicht ist, kann ja noch werden.
Wenn die Zukunft düster ist, strahlt die Vergangenheit umso heller. Aber das demnächst wahrscheinlich die BVG in Berlin stillgelegt wird durch Streik, verfinstert mein Gemüt doch.
Eine Erinnerung an die EXPO wirft doch einen Schatten: Der Kurator des irischen Pavillons rief bei mir an und wollte eine Kooperation mit dem damals hochaktiven Polit- und Kunstkollektiv SCHUPPEN 68. Der Mann war außerordentlich sympathisch. Er war GF eines irischen Kulturzentrums und hatte keine Ahnung, wie man auf ihn verfallen war. Ebenso hatte er keine Ahnung, was er im Pavillon überhaupt machen sollte und schon gar keine Ahnung hatte er von der hiesigen Kulturszene, mit der er kooperieren sollte. Irgendein ebenso hiesiger Ahnungsloser hatte ihm unseren Namen genannt. Internet und Smartphones waren damals nicht so überragend kulturprägend wie heute. So kam es .. siehe oben.
Da ich Vollidiot damals Anhänger von Mitbestimmung und Demokratie war, fragte ich das Kollektiv und die Antwort der radikalen Linken können Sie sich vorstellen. Das erfüllt mich heute noch mit leichter Bitterkeit. (Pedder, soviel Bier kannst Du mir beim Griechen namens „Korfu“ (!😄) in Eimsbüttel gar nicht ausgeben, dass ich das verzeihe. Da muss schon noch ein Ouzo rüberwachsen. Und was macht eigentlich Sr. Lioba, von SCHUPPEN zu den Benediktinerinnen…)
Was für eine verpasste Chance unser EXPO-Projekt an gigantischer Anarchie und Geldverbrennung. Und wer weiß, in welchem Kunstolymp ich heute wäre.
Wieso ich das ausgerechnet jetzt rauskrame? Mir ist der Ordner mit den Fotos in die Hände gefallen. Und das ist 25 Jahre her. Silberjubiläum. Und: Wenn die Zukunft düster ist, strahlt die Vergangenheit umso heller.

19.03.2025 – Gesichter einer Nacht

Der Schwarze Block. In der antiken Schlacht-Formation der Testudo (Schildkröte), die von Gaius Julius Cäsar entwickelt wurde. Ein geschlossener Block igelt sich ein, wappnet sich nach außen und rückt vor. Da weht der Geist des großen Latinums durch die Reihen der Autonomen. Da marschierte die künftige Elite unseres Landes, Außenminister wie Joseph Fischer, oder Anwälte wie Horst Mahler, jetzt Nazi. Keine Angst, die stoßen sich jetzt nur die Hörner ab und werden im späteren Leben draufkommen, wie dämlich ihre Parolen teilweise sind: Freiheit für alle politischen Gefangenen? Also alle Neonazi-Mörder und Schläger raus? Keine Repression? Also den antisemitischen Mob in Neukölln und Kreuzberg ungehindert Straftaten begehen lassen? No Police? Ich habe das eine oder andere Mal bei Israel-Soli-Demos mit einer Handvoll jüdischer Mitbürger*innen einem Palästina-Mob gegenübergestanden und hätte in der uns von der vielfachen Übermacht trennenden Polizeikette aus lauter Erleichterung über deren Anwesenheit am liebsten Ferrero Küsschen verteilt. Also, liebe Genoss*innen: Dummes Zeug wird nicht dadurch Literatur, indem es unreflektiert von einer Generation an die nächste weitervererbt wird. Aber so sind sie halt, die jungen Leute. Bestreiten alles, außer ihren eigenen Lebensunterhalt. Tusch, Narhalla Marsch.
Etwas später prallte mich dieses Bild der Nacht an, zog mich magisch in seinen Bann

Put on your red shoes and dance the blues. (Wer es nicht weiß, das ist von „His Elegancy“ )
Mir fiel bei dem Anblick Rudolf Schlichter ein. Zeitgenosse und Freund Brechts, Döblins und von George Grosz, grandioser Maler und Porträtist, Mitglied der KPD, Zuhause in der Boheme Berlins und im Rotlichtmilieu der 20er, bekennender Stiefelfetischist. Später leider auf Abwegen, politisch, als es immer näher an den Abgrund ging

Fetisch, privater und öffentlicher – wie hängen die zusammen in einer Gesellschaft, die zunehmend auf einen noch unsichtbaren Abgrund zusteuert? Was zwei oder mehr Menschen in ihrer Kemenate in freier Übereinkunft treiben, geht niemanden, und den Staat schon gar nicht, etwas an. So weit, so Binse. Prekär wird es allerdings bei näherer Betrachtung öffentlicher Fetische, wobei die Trennlinie zum privaten verschwimmt. Ein öffentlicher Fetisch ist erstmal einfach ein kultischer Gegenstand, dem besondere Eigenschaften zugesprochen werden. Der private Fetisch ist ein erotisch aufgeladener Gegenstand (oder Körperteil), z. B. Stiefel. Wobei erotischer Fetischismus nicht selten sadomasochistisch konnotiert ist. Was zunehmend enttabuisiert ist und nicht erst seit 50 shades of grey in Literatur, Pop und Werbung ikonischen, kommerziellen Charakter angenommen hat.
Und genau da wird es gesellschaftlich interessant und relevant, wenn wir uns nämlich den zentralen, öffentlichen Fetischen im Kapitalismus zuwenden: Geld und Arbeit. Sie bilden die Grundlage des Kapitalismus und erfahren daher eine religiöse, kultische Verehrung und Anbetung. Hier verschwimmen die Grenzen zum privaten Fetisch. Geld, als tödlichste Droge, mörderischer als jedes Heroin, ist zunehmend auch individuell erotisch aufgeladen, da muss man nicht zur Plattitüde „käufliche Liebe“ greifen. Es versetzt Menschen in Verzückung, Wonne, Glück, Erregung und will, wie alle Lust, Ewigkeit.
Mit Arbeit ist es ähnlich. Wie viele Menschen gehen nach ihrem „Ruhe“stand, ohne Arbeit, sukzessive an Langeweile und Sinnlosigkeit ein wie Rosen ohne Wasser. Und das, obwohl ihre Arbeit vorher noch sinnloser war als ihr Leben danach. So eine Gesellschaft kann nur funktionieren, wenn dieser Fetisch, Arbeit, im Kapitalismus eine kultische Verehrung genießt wie weiland die Tafeln mit den 10 Geboten bei Moses. Amen. Wort des Allmächtigen Herrn. Gleitze.
Bedenklich wird die ganze Causa, die weit über die fröhlichen Fesselspiele am heimischen Bettpfosten hinausreicht, durch die Tatsache, dass der ideologische Hintergrund der damit oft verknüpften sadomasochistischen Varianten ein düsterer ist: Das Prinzip von Dominanz und Unterwerfung spiegelt in dieser kapitalistischen Welt keineswegs eine Befreiung von Normen wider, sondern reproduziert unreflektiert ein System von Macht und Ohnmacht, Ungleichheit, Unterdrückung, Erniedrigung. Wie auffe Maloche.
Es wird wirklich Zeit, dass der Frühling ausbricht und fröhlichere Gedanken meinen Geist durchwehen. Wie die Vorstellung, dass aus den Akten zur Ermordung Kennedys, die Trump jetzt freigegeben hat, hervorgeht, dass hinter dem Mord die grönländische Mafia steckt und Trump endlich einen Anlass hat, seine Schlittenhunde-Armee in Grönland einmarschieren zu lassen.

17.03.2025 – Ich muss Abbitte leisten

Wir gucken nicht links, Genossinnen und Genossen!

Wir gucken nicht rechts, Genossinnen und Genossen!

Für uns gibt es nur eins: Make IG Metall great again!

Bei aller Kritik an der IG Metall: In der Sache gilt unbedingte Solidarität. Bis zu dem Zeitpunkt, wo die Organisation dem Druck der immer rechter werdenden Basis und damit auch der Betriebsräte nachgibt. Und das wird sie irgendwann, denn ohne ihre Betriebsräte ist jede Gewerkschaft nichts. Das wird das Ende meiner Mitgliedschaft. Und wenn ich dabei auf die goldene Ehrennadel zu 50 Jahren Mitgliedschaft verzichten muss, samt Jubilarfeier mit Blaskapelle und Mettbrötchen.
Also war ich auch beim Aktionstag dabei, erfreute mich am Schwatz mit früheren Kolleg*innen, Betriebsräten, agitierte die Massen, siehe oben, genoss die Sonne und das warme Gefühl von Solidarität. Solidarität als ethische Kategorie von Verbundenheit in einem Kollektiv hat nicht nur eine eminent politische Dimension, sondern auch eine transzendente. Solidarität hat eine intellektuelle Komponente, sie erwächst auch aus Erkenntnis und Einsicht in die Verbesserungswürdigkeit dieser Welt. Aber sie hat auch eine emotionale, die aus dem Gefühl von Ungerechtigkeit, aus gemeinsamem Handeln erwächst, im Praktizieren von gemeinsamen Ritualen wie 1. Mai-Feiern, Demos, Arbeiterlieder singen, Bier saufen. Einen letzten, entscheidenden Rest von Solidarität kann man nicht lernen, er erwächst und produziert jenes schwer zu bezeichnende Gefühl von notwendiger Wärme in kalten Zeiten.
Nicht umsonst gibt es diesen altlinken Spruch, auf Comandante Che bezogen: Solidarität ist die Zärtlichkeit der Völker.
Da – und hier stellt sich dann doch sofort der Intellekt bei mir wieder ein, das Diesseits der Transzendenz – sträuben sich natürlich sofort die Nackenhaare. Von Völker zu völkisch ist es nur ein kleiner Schritt.
Ich aber habe ein bisschen Abbitte zu leisten von meiner Kritik des Veranstaltungsortes des IGM-Aktionstages. Aus logistischen Gründen blieb da nicht viel anderes übrig. Hannover war der Aktionsort für den ganzen Norden und so kamen zig Busse von überall her, die ortsnah geparkt werden und zeitnah wieder abfahren müssen, ganz zu schweigen von den ganzen mobilen Dixie-Klos. Und Bierständen. Keine Gewerkschaftsfeier ohne Bier und Bratwurst.
Nach einer Stunde suchte ich das Weite am Samstag. Und fand es auch. Es wurde doch langsam kalt und eine Popkapelle namens Madsen drohte den Park akustisch zu vermüllen. Da gilt für mich als Beton-Kommunist und -Kolumnist immer noch die Devise des Genossen Walter Ulbricht, Erster Sekretär des ZK der SED und Staatsratsvorsitzender, von 1965 bei der Ankündigung des Verbots westlicher Beatmusik auf dem XI. Plenum des ZK der SED:
„Ich denke, Genossen, mit der Monotonie des Yeah, Yeah, Yeah, und wie das alles heißt, ja, sollte man doch Schluss machen.“

15.03.2025 – Is so.

Aufbau Aktionstag 15.03 IG Metall Hannover, Georgengarten. Im Hintergrund die Leibniz-Universität. Ob die Verantwortlichen dieser Aktion mit der Wahl des Ortes an die Einheit von Arbeiterklasse und Intelligenz appellieren oder die Bäume im Park umarmen wollten, entzieht sich meiner Kenntnis. Einen dämlicheren Ort für die Demonstration vermeintlicher gewerkschaftlicher Macht gibt es kaum. Was wollen die da? Spaziergänger erschrecken? Warum nicht gleich den hiesigen Maschsee nehmen, ein Tümpel, den die Nazis im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen ausbuddelten. Motto: Die IG Metall taucht ab.
Extrem witzig und originell auch die Wahl des Beginns der Aktion: 5 vor 12! Ha ha ha. Damit auch der Dümmste merkt, dass es für die Zukunft von Gewerkschaften bereits 5 nach 12 ist.
Dabei wäre die antifaschistische Tradition und Erfahrung von Gewerkschaften gefragt wie nie zuvor in der Nachkriegsgeschichte der BRD. Waren doch Mitglieder der Arbeiterklasse die Letzten, die organisierten Widerstand gegen die Nazis vor der Machtübernahme leisteten und die Ersten, die danach in die KZs wanderten. Beim Appell an die staatsbürgerliche Verantwortung der SPD nach den Bundestagswahlen musste jeder Schreiberling in den bürgerlichen Medien den gelogenen Vergleich aus der Mythenkiste hervorkramen, die SPD sei ja schließlich auch die einzige Partei gewesen, die gegen die Ermächtigungsgesetze gestimmt hätte . Kein Wunder, wurden die KPD-Abgeordneten da bereits in den Kellern der SA zu Tode gefoltert, wenn sie nicht rechtzeitig untergetaucht waren.
Klassisches Bürgertum-Verhalten: Was einem peinlich ist, wird unter den Teppich gekehrt.
In den Folterkellern sind wir heute natürlich noch lange nicht. Und bis es eventuell mal wieder soweit ist, hat sich das mit den Gewerkschaften eh erledigt.
Bei der letzten Wahl haben 38 Prozent der Arbeiter*innen-“Klasse“ AfD gewählt. Angesichts von Massenentlassungen in der Industrie, Rezession, von Multikrisen und absoluter Missachtung von Interessen von Arbeiter*innen in der Politik dürfte sich diese Zahl absehbar verdoppeln. Weniger als 5 Prozent der Abgeordneten im neuen Bundestag haben über längere Zeit mal in einem nichtakademischen Beruf gearbeitet. 40 Prozent der arbeitenden Bevölkerung sind dagegen in einem Arbeiterberuf tätig.
Den Anteil von Prekären, Erwerbslosen, Migrantinnen im neuen Bundestag können Sie gerne selbst googeln. Ich tu mir das nicht an, hab mal wieder den (roten) Kanal voll. (Leider kann man die Sendungen des „Schwarzen Kanal“ nicht im Internet einsehen . Vermutlich müsste man aus der Distanz feststellen, dass Sudel-Ede mit 99 Prozent seiner Polemiken inhaltlich Recht gehabt hatte).
Der Erfolg der AfD ist vorerst nicht aufzuhalten. Sie hat es perfekt geschafft, den Klassenkonflikt zwischen Arm und Reich, Arbeit und Kapital, Unten und Oben umzuframen in einen zwischen Geflüchteten und Eingeborenen, zwischen Innen und Außen, zwischen Sozialschmarotzern und hart Arbeitenden, zwischen „Die da“ und „Wir hier“. Die Perfidie dieser Konstruktion ist durch Argumente, Logik, Fakten oder „gute Politik, die nach vorne führt“ – auch so eine Brechmittelphrase der letzten Zeit – nicht aufzubrechen. Sie gründet auf und appelliert an das Ressentiment.
Und da kommste nich ran. Is so.

13.03.2025 – Wenn mir jetzt schon nichts mehr einfällt, wozu soll mir dann in 5 Jahren nichts mehr einfallen.

Shortstory 1: Unlängst mit einem alten Freund im Wirtshaus. Er: „Wenn Du noch mal „Ach ja“ seufzt, knall ich Dir eine.“
Was soll’s, die Lage ist eben anders als die Situation. Und daher fällt mir zu immer mehr Neuigkeiten immer weniger ein. Trump, Putin, Gaza, Klima, Rezession, Seuchen, alles schon von allen gesagt, geschrieben. Und das Hier & Jetzt ist ja nur der Auftakt. Wenn mir jetzt schon nichts mehr einfällt, wozu soll mir dann in 5 Jahren nichts mehr einfallen.
1933 war ein Auftakt, da brannten die Bücher, 1938 brannten die Synagogen, und 1944 brannten die Öfen.
Uhhh, höre ich da einige raunen, da macht jetzt aber einer mit der Faschismuskeule auf Panik. Wie frau’s nimmt….
Ein kleines Beispiel aus der parlamentarischen Praxis in Niedersachsen. Die Zahl der Wohnungslosen in Niedersachsen hat sich in den letzten 3 Jahren verdreifacht, auf nunmehr 33.000. Die reale Zahl liegt wesentlich höher, weil viele nicht erfasst werden. Und das ist erst der Auftakt
Die Ursache sind Armut und soziale Notlagen bei steigenden Mieten und fehlenden Wohnungen. Dagegen gäbe es – neben den drei Säulen gegen Wohnungsmangel 1. Bauen von Sozialwohnungen, 2. Bauen …, 3. Bauen…, – zahlreiche Maßnahmen, bis hin zum Eingriff in das Recht auf Eigentum. Nach § 14 und 15 Grundgesetz. Enteignung. Von profitorientierten Wohnungskonzernen, mit mehr als 3.000 Einheiten. Etwas derartiges hat die Bevölkerung von Berlin mehrheitlich beschlossen. Der Senat sitzt das einfach aus. So einfach ist das in der BRD.
Außerdem gibt es kleinteilige Maßnahmen wie Housing first. Darüber diskutierte der Landtag in Niedersachsen unlängst.


Hier die wesentlichen Positionen von rotgrüner Regierung und schwarzer Opposition, laut HAZ. Drogen und Prostitution sind laut CDU die Ursachen für Obdachlosigkeit und daher müsse Prostitution verboten werden. (Drogen sowieso). Statt weltweit anerkannter, praktizierter, wissenschaftlich fundierter Modelle wie Housing first.
Da hat’s mir dann mal wieder die Sprache verschlagen. Zumal auch das erst ein Auftakt ist.
Erst Verbot von Drogen und Prostitution, danach von Obdachlosigkeit, am Ende von Armut. Alles verbieten. Wer sich nicht dran hält, macht sich strafbar.
Und kommt am Ende ins Lager. Hatten wir alles schon mal.
Die Vorläufer einer extrem repressiven Wohlfahrtspolitik gab es in der Weimarer Republik, anknüpfend an die reaktionären Sichtweisen der Mehrheit der Bevölkerung. Vollendet wurde sowas ein paar Jahre später, unter anderem in der Aktion Arbeitsscheu Reich 1938.
Über 10.000 Landstreicher, Bettler, Prostituierte, Zigeuner, Trunksüchtige wurde damals in Konzentrationslager verschleppt. Und, aufgepasst, liebe Arbeitslose beim Jobcenter: Männer im arbeitsfähigen Alter, die zweimal einen ihnen angebotenen Arbeitsplatz abgelehnt oder nach kurzer Zeit aufgegeben hatten.
Viele haben das nicht überlebt.
Was die CDU, nicht nur in Niedersachsen, hier treibt, ist Framing in Vorbereitung auf eine Koalition mit der AfD.
Shortstory 2: Wir schauten uns im Wirtshaus um. Es war voll, mit alten, weißen Männern, noch älter als wir. Äußerlich keiner ein Hauptgewinn in der Lotterie. Ich: „Wenn jetzt drei (!) Frauen hier reinkämen, auf der Suche nach Abenteuer, dann wären wir die Hauptgewinne.“ Er, starrt mich an. Sagt nichts. Dreht sich in Richtung Theke und ruft: „Noch zwei Bier und zwei Rostocker. Aber bitte schnell, es ist ein Notfall.“

10.03.2025 – Erhalt von Demokratie – aber wie?


Bitterböse Ironie. April 2009. Die Stadt Göttingen hat mir den Euro übrigens zurückgeschickt. Der Briefwechsel war Bestandteil meines damaligen Kabarettprogramms. Verdamp lang her.
Egal auf welcher Ebene: Wie im vorliegenden Fall geht es, wenn es um den Erhalt von Demokratie geht, ums Eingreifen. In die Öffentlichkeit. Egal mit welchen Mitteln. Na ja, fast egal. Aber Kunst sollte immer dabei sein.
Unsere demokratische Gesellschaft konstituiert sich durch eine bestimmte Form von Öffentlichkeit. Die Entstehung von Demokratie ist seit den alten Griechen, die die Angelegenheiten der attischen Republik auf dem Marktplatz, der Agora, verhandelten, durch die Herausbildung einer mehr oder weniger offenen Form von Öffentlichkeit nicht nur geprägt, sondern zwangsläufig an sie gekoppelt. Ohne bürgerliche Öffentlichkeit keine bürgerliche Demokratie und umgekehrt. Deshalb z. B. wüten die AfD-Faschisten so zentral und vehement gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Sie hätten am liebsten 24/7 auf allen Kanälen Dschungelcamp, das große Promi-Kacken und öffentliche Auspeitschungen und Hinrichtungen. Informationen kann das doitsche Volk ja über social media beziehen. Motto: Grenzenlose Freiheit auf allen Kanälen für Alle! Keine staatliche Bevormundung!
Das ist klassische Liberalität im liberalen Sinne. Allein daran erkennt man, dass der klassische Liberalismus schon immer für den Arsch war, weil bei ihm aus „allen Kanälen“ nur Abwasserkanäle, Kloaken werden. Das Gesicht des klassischen Liberalismus war ja bekanntlich auch ein Arsch. In Antizipation dessen hatte die Partei SCHUPPEN 68 bei ihrem epochalen Wahlkampf 1991 auf ihre Wahlplakate die Ärsche einzelner Mitglieder abgebildet, mit dem Spruch: Wir haben die besseren Köpfe.
Die Theorie des öffentlichen Eingreifens der Kunst ist über 100 Jahre alt. Sie stammt aus der Blütezeit der sowjetischen Avantgarde bis Mitte der Zwanziger, bevor diese vom stalinistischen Terror erwürgt wurde. Siehe Sergej Tretjakow, Sergei Eisenstein, Wladimir Majakowski, die im Austausch mit Brecht und Walter Benjamin standen.
Ob aus Gründen des Erhalts von Demokratie die neue Regierung mit ihren Milliarden-Schulden den Vormarsch der AfD bremsen kann, ist fraglich. Bevor der kleine Volksgenosse von den Segnungen dieser Schulden direkt was mitgekriegt, sind wir locker bei der nächsten Wahl 2029. Steuererleichterungen für Unternehmen und Spitzenverdiener sind schnell in Kraft gesetzt, aber bevor die erste Brücke saniert ist, das erste Klo einer Grundschule renoviert oder der Erweiterungsbau einer IGS steht, vergehen beim Stand der Bürokratie und Vorschriften Jahrhunderte.
Daher macht es einen tieferen Sinn, wenn die Vertreter der Facharbeiterschaft, die SPD, und die Vertreter des Mittelstandes, die CDU/CSU, das abgeschlossen haben, was im Privatrecht unzulässig ist: Einen Vertrag zu Lasten Dritter. Nämlich zu Lasten der Geflüchteten und der Bürgergeldempfänger. Die müssen dann also zur Befriedigung niederer Gelüste wie Neid, Aggression, Hass von weiten Kreisen der Bevölkerung als klassische Sündenböcke herhalten.
Es gibt viel zu tun. Tüten wir es ein.

08.02.2025 – Ist die beste Subversion nicht die, Codes zu entstellen, statt sie zu zerstören?


HAZ, 22.02.2025. Mit Fitness. Das hier geschilderte Vorgehen einer Kommunikationsguerilla nennt man Adbusting, in der neueren Literatur auch Subvertising. Worum es dabei geht, sagt Roland Barthes 1980 in einem Satz: „Ist die beste Subversion nicht die, Codes zu entstellen, statt sie zu zerstören?„
Nicht umsonst sickerte diese Strategie in die Subkultur ein parallel mit dem Beginn der massenhaften Verbreitung von Graffiti in der Öffentlichkeit. Graffiti codiert die Träger seiner Botschaften, die öffentlichen Wände, um. Subvertising entstellt die Codes selber.
Eine der inspirierendsten Ausstellung, die ich in den letzten Jahren gesehen habe, war diese hier im Kreuzberger Bethanien

Werbepause – the art of subvertising.
Bethanien? Da klingelt was bei den Kompostis. Aus dem Rauch-Haus-Song von Ton, Steine, Scherben von 1972:
„Der Mariannenplatz war blau, soviel Bullen waren da
Und Mensch Meier musste heulen, das war wohl das Tränengas
Und er fragte irgendeinen: „Sag mal, ist hier heut ’n Fest?“
„Sowas ähnliches“, sagte einer, „das Bethanien wird besetzt“

Heute findet im Bethanien unter anderem Kunst statt, radikal, engagiert, impulsgebend. Ein Besuch da lohnt sich immer. Auch ein Besuch des Mariannenplatz lohnt sich. In meiner Einflugschneise nach SO 36 liegt die dort angesiedelte „Eckkneipe“, ein vollgeräucherter und vollgekritzelter Ort der Authentizität, es gibt Bier und Korn, Ende, und bei Fehlverhalten rustikalste Ansage des tätowierten Personals. All das jenseits der um sich greifenden schick-veganen koreanischen Streetfood-Locations im Umfeld der nahe gelegenen Oranienstr.
Vom Mariannenplatz zum Reuterkiez ist es nur ein autonomer Steinwurf, paar Minuten mit dem Radl. Neukölln, an der Sonnenallee, fest in Händen der arabischen Community. Dort hat Ferat Koçak eins von 6 Direktmandaten für die Linke geholt. Sein Bezirksverband Neukölln fällt innerhalb der Linken seit Jahren mit antisemitischen Ausfällen auf. Da man bei der Bundestagswahl mit seiner Zweitstimme automatisch die jeweilige Landesliste einer Partei mit allen Kandidatinnen wählt, hätte ich die Linke in Berlin nicht gewählt. Dort ist ihr Antisemitismus auf Grund der internationalistischen Prägung der Partei wesentlich militanter, ausgeprägter als woanders. Wenn die Linke ihren Antisemitismus nicht in den Griff kriegt, wird ihr derzeitiges Hoch sich schnell als Scheinblüte entpuppen.
Was lernen wir daraus? Es ist nicht alles emanzipatorisch, wo Internationalismus draufsteht. Internationalismus – Eine von zahlreichen altlinken Mythen, die rasend schnell im Wandel der Zeit zertrümmert werden. Was viele Alt- und Alklinke überfordert. Aber nicht nur die.
Zum Schluss Profiling: der oder die Täter (m/w/d) aus dem obigen HAZ-Artikel dürften nicht älter als um die 30 sein. Für derartige Kommunikationsguerilla-Aktionen sollte man fit, flink (= spurtstark) und frech (= wehrhaft) sein. Wer da auf einen Haufen Arbeitsloser mit migrantischem Hintergrund trifft, sollte nicht darauf hoffen, denen angesichts von Plakaten wie „Arbeitslager für Sozialschmarotzer“ die Strategien der Kommunikationsguerilla erklären zu können. Da mündet die Ohnmacht des Diskurses auch schon mal in Kloppereien.
Und wer tut sich sowas schon mit 50 noch an ….

06.03.2025 – Herein zum internationalen Frauentag!

Plakat, 1918. Männe ist noch einen Schritt voraus, aber die Richtung stimmt. So können wir auch ungefähr die Fallhöhe des aktuellen gesellschaftlichen Rollbacks bestimmen: Zurück auf das Niveau von vor 1918. Gewalt gegen Frauen. Im Berichtsjahr stieg die Zahl der weiblichen Opfer um 5,6 Prozent auf 180.715 an (2022: 171.076). Fast jeden Tag ein Femizid.
Frauen sind unterbezahlt und unterrepräsentiert. Beispiel SPD 2025, nicht 1918: Die Führungsriege besteht fast ausschließlich aus Männern und die letzte Frau da, Saskia Esken, wird geschnitten und gemobbt. Der Bundestag gibt ein groteskes Bild an gesellschaftlicher Fehlrepräsentanz ab, der Frauenanteil sinkt auf 32 Prozent.

In sozialen Medien und zunehmend in Politik und Gesellschaft vermehren sich Rollenbilder wie die der Tradwifes , ein reaktionäres und sexistisches Frauenverständnis, wie es sich AfDler (Frauenanteil im Bundestag 11 Prozent) in ihren feuchten Träumen ausmalen. Wenn links sein bedeutet antikapitalistisch zu sein, antinationalistisch, antirassistisch, also auch gegen jeden Antisemitismus, und antipatriarchal, sind die Fronten klar.
Sind sie das?
Die mangelnde Solidarität von weiten Teilen der Frauenbewegung, nicht nur um notorische Antisemitinnen wie Judith Butler, mit ihren jüdischen Schwestern nach dem Überfall der faschistischen Hamas auf Israel hat zumindest bei mir jeden Respekt für und jede Solidarität mit diesen Teilen der Frauenbewegung zerstört. Wer derartig empathielos auf das Schicksal der geschändeten, vergewaltigten und ermordeten jüdischen Schwestern reagiert, zeigt, wes Geistes Kind sie sind. Niederträchtig, bereit zu jeder Schandtat. Zitat dazu von Rosa Jelinnek: „

…. Aber dass feministische Gruppen so konsequent ihre Grundsätze über Bord werfen, um die eigenen Narrative nicht hinterfragen zu müssen, das fand ich schon schockierend. Was es eigentlich gebraucht hätte, ist zu den eigenen Werten zu stehen, Vergewaltigungen nicht zu leugnen oder zu relativieren, sondern eine echte feministische Solidarität zu zeigen, auch wenn sie nicht in die eigenen Narrative und Vorstellungen passt, sondern die zu hinterfragen und Gleichzeitigkeiten auszuhalten…“

Es reicht, steht auf vielen Plakaten im Kiez zum 8. März. Wohl wahr. Mir reicht’s.
Gleiches gilt auch für die weiten Teile der hiesigen, notorisch antisemitischen Kulturszene. Wie weit meine Abneigung diesem Pack gegenüber gediehen ist, zeigt mein erster Schadenfreude-Impuls angesichts der Kürzungen im Berliner Kulturhaushalt. Prima, dachte ich, da können einige Kultur-Herrschaften demnächst mit echter Arbeit ihr Dasein verschönern. An der frischen Luft, Muskeln, Herz und Verstand schärfen. Hat noch nie geschadet, Steine kloppen oder Torf stechen zum Beispiel.
Natürlich rief ich mich zur Ordnung. Damit wird ja nur das Spiel der anderen, braunen Seite gespielt und es würde auch Anständige treffen, Mitglieder der „Lederer Fraktion“ z. B. . Klaus Lederer war Kultursenator in Berlin und trat 2024 mit Elke Breitenbach und anderen aus der Partei die Linke aus, wegen des Antisemitismus in der Partei.
Also für alle Fortschrittlichen muss das Motto zum 8. März lauten:
Herein zum internationalen Frauentag!