
Bahnhof Bunyola, Mallorca.
Eine der großen Paradoxien der Postmoderne: Wegfahren, um zu sich selbst zu finden. Also im Urlaub, fern der Heimat, soviel Distanz vom Alltag zu gewinnen, um Klarheit zu bekommen. Das ist sicher nicht das Ziel aller Reisenden, aber von vielen.
Wer sich allerdings die Ausstattung gigantischer Wohnmobile anschaut, mit TV-Schüsseln zur Heimat ausgerichtet und Wohnzimmer, Schlafzimmer, Küche, Bad von Zuhause kurz auf vier Räder gebockt, mit Motorroller hinten dran, weiß, dass die Insassen wenig mehr fürchten als die Distanz zur Heimat und zum Ich.
Und für alle touristischen Spots, die ich kennengelernt habe, gilt:

Mittendrin Gedränge, mit Shops, Schnitzel, Pizza, Bier und Glas Wein für 10 Euro.

Zwei Gassen weiter: Niemand. Ruhe. Glas Wein für 2,50 Euro.
Wie hier in Valldemossa, wohin es Myriaden zieht, auf den Spuren von George Sand und Frédéric Chopin, die sich dort einen Winter lang den ungeheizten Arsch abfroren.
Und überall zunehmend Musik, man wird zugedudelt ohne Pause. Ein Restaurant kann so verlockend sein, wie es will, wenn ich da Dudelmusik, oft laut, höre, bin ich sofort wieder draußen. Chopin geht gerade noch, aber der wird in Valldemossa auch aus allen Boxen gedudelt
Haben Menschen mit zunehmenden Krisen wachsende Beklemmung, zu verweilen und in sich zu schauen, in der Angst, in einen Abgrund, von Leere, Sinnlosigkeit oder was auch immer da lauern möge, zu sehen?
Die Branche „Bekämpfung von Angst, Leere, Sinnlosigkeit, Was auch immer … “ boomt jedenfalls, von Literatur, Workshops über Psychopharmaka bis Alkohol und Drogen. Kein Wunder, dass ab 01.04 Narrenfreiheit in allen Tüten herrscht.
Wenn ich mehr Zeit und Zynismus hätte, würde ich mir in der Boom-Branche eine goldene Nase verdienen.
So aber wartete ich oben auf dem Bahnsteig von Bunyola auf den Zug aus Laramie, in dem die vier Revolverhelden sitzen würden, bereit zum Shootout.
Ich höre schon das langgezogene Tuten und Pfeifen der Dampflok hinter der Kurve ….