Kategorie-Archiv: Schuppen aktuell

26.01.2025 – Die glücklichen Bewohner der Britzer Siedlungen wählen selbstverständlich Sozialdemokraten!

Das Original ist fast auf den Tag genau 100 Jahre alt. (Aus dem Berliner Mitte Museum, in Wedding). Geschichte wiederholt sich nicht? Nur für diejenigen, die nicht aus ihr lernen?

Auch hier wiederholt sich Geschichte. Als Farce. Früher hatte die SPD Wohnungen für die Arbeiterklasse gebaut. Die zum Dank dafür in Scharen zur NSDAP übergelaufen sind. In den Siebzigern hat die SPD der Arbeiterklasse den Bildungsaufstieg und damit vielfältige Karrierechancen ermöglicht. Zum Dank dafür läuft das, was von der Arbeiterklasse noch übrig geblieben ist, in Scharen zur AfD über.
Der Mitbegründer der obigen Hufeisensiedlung, Bruno Taut, ist Städtebau-Legende.
Wer hier flaniert, sich die Musterwohnung anschaut, atmet den Geist der Geschichte. Die Hufeisensiedlung ist für mich ein absolutes Berlin Highlight, immer wieder gerne besucht. Um das Maß der Reise in die Vergangenheit vollzumachen, kehre ich dann gerne im Restaurant „Zum Hufeisen“ ein – Cevapcici, Ražnjići, Sliwowitz, und das dazu passende Mobiliar der 70er. Heute gehen wir zum Jugoslawen. Hier passt der Begriff „Kult“ ausnahmsweise.
Bevor das Ganze hier zur rührseligen Nostalgie ausartet: Seit Jahren findet in der Gegend dort faschistischer Terror statt, mit Mord, Brandanschlägen auf Antifaschist*innen, auf die Infrastruktur. Behördenschlamperei, Polizei-Kumpanei, Desinteresse und Feigheit der Zivilgesellschaft, es kommt eins zum anderen. Und am Ende …

Das Skandalöse an Friedrich Merz und seiner nun auch für den letzten Naiv-Tropf von der Bürgerpresse erkennbaren Abrissbirne an der sowieso nur noch als Fiktion existierenden Brandmauer ist nicht nur seine Gesetzesinitiative, die wohl diese Woche im Bundestag zur Abstimmung kommt. Sie ist in Teilen schlicht rechtswidrig und würde von jedem Amtsgericht kassiert werden. Schlimmer noch ist die Tatsache, dass Merz immer mehr auf den Rohstoff zurückgreift, der der Treiber für Faschismus schlechthin ist: Erregung. Erregung, die auf Angst basiert und diese im Wechselprozess schürt. Wer seiner öffentlichen Rede zuhört, spürt das sofort, auch jenseits der Oberflächenstruktur seiner Worte, also des reinen Inhaltes. Es ist dieses unselige Vibrieren, was bei ihm noch latent vorhanden ist, im Duktus von Weidel wesentlich ausgeprägter ist. Und bei Höckes grotesken Goebbelsanleihen für Außenstehende eher lächerliche Assoziationen an Chaplins Great Dictator erweckt, bei den geneigten Volksgenossinnen aber auf verzückte Erfüllung stößt. Die die Volksgenoss*innen erotisierende Climax findet sich bei diesen Prozessen in Hitlers rhetorischen Rasereien. Ob sich die Mädels dabei damals erregt vollgepisst haben, wie es später bei Beatles Konzerten angeblich der Fall gewesen sein soll? www.delamar.de
Gut, dass es kein Geruchsfernsehen gibt. Sehr schön ist der Wechsel von Erregung und Verzückung auch bei Elon Musks Hitlergruss zu sehen .
In Zeiten von rasender Beschleunigung von Radikalisierungsprozessen bleibt die Frage: Was kommt als nächstes? Und hat das eher tragische Züge oder die einer Farce und wo verläuft da überhaupt die Grenze? Nicht umsonst gibt es ja das Phänomen des im Halse steckenbleibenden Lachens.

Ich ertappe mich öfter dabei, in Bildwelten der Erinnerung abzutauchen, wie hier beim Sommerfestival auf der Terrasse vom Haus der Kulturen der Welt. Kleine Fluchten.
Ob da dann nach einem kulturellen Paradigmenwechsel 2029 statt Worldmusic Ernst Mosh und die Egerländer aufspielen, wie hier mit „Die schöne Pragerin“?
Der Kommentar von Georg Kandel dazu: „Der Ernst bleibt einfach der König der Blasmusik“.
Es lebe die Blasmusik. Wobei ich eher auf Maceo Parker und den Horny Horns stehe.
Sex Machine und so Zeug

25.01.2025 – CDU? AfD? CADfUD!

Fußball Europameisterschaft. Verbrüderung zwischen Spaniern und Engländern unter dem Brandenburger Tor vor dem Endspiel. Die Zeit der EM in Berlin war schön: Sommer, Party vor dem Reichstag, Mittags Liegen in der Sonne auf dem Kunstrasen der da noch menschenleeren Fanmeile vor dem Brandenburger Tor, Abends hoch die Tassen vor dem Hades, dem Kreuzberger Imbiss der Mühseligen und Beladenen in unserem Haus,

tolle Konzerte auf der Terrasse der wunderschönen Schwangeren Auster. Nächte, die nichts versprachen und alles hielten, und als Sahnehäubchen das unverdiente, ungerechte, millionenfach beklagte und beweinte Ausscheiden UNSERER Ostgoten gegen die Spanier, der Elfmeter, der UNS verweigert wurde, der Titel, der UNS gestohlen wurde. Herrgöttin, war ich selig. Für einen Sommer war ich mit der Welt im Reinen.
Und nun haben wir Winter und um überhaupt aus dem Tal der Dänen (40:30 im Handball Sieger gegen UNSERE Jungs bei der WM) wieder rauszukommen, muss ich die Bilder der Erinnerung hervorkramen.
In was für Zeiten leben wir jetzt. Alles ändert sich in rasender Geschwindigkeit. Im November hatte der Lügenbaron aus dem Sauerland, Fritze Tünkram, noch drei Eide geschworen, er wolle keine Zufallsmehrheit mit der AfD . Schon hatte der Hahn dreimal gekräht und sein Geschwätz von gestern interessiert weder ihn noch den Rest der Republik. Alice Weidel bietet ihm auf der Basis seiner Gesetzesinitiative zur Verschärfung der Zuwanderung und dem damit verbundenen Abriss der schon lange nicht mehr existierenden Brandmauer die Koalition an. Noch wird „Koalition“ „koordinierendes Gespräch“ genannt, und das begeisterte „Jawoll, meine Führerin“ der Christen dazu wird noch „Man nehme das Schreiben zur Kenntnis“ genannt. Warten wir mal ab bis in die Iden des März.
Und zur nächsten Bundestagswahl 2029 – oder früher, man weiß ja nie – stellt sich nicht die Frage nach einer CDU/AfD Koalition, sondern ob dann die CDU überhaupt noch koalitionsfähig ist. Der Zerfall jener Bürgerlichen, die zu jeder Schweinerei mit den Faschisten bereit sind, geht rasend vonstatten. Siehe Italien, da gibt’s keine christliche DC mehr, nur noch die Mussolini Tochter. In der Ostmark wird gerade die ÖVP von den Kickl-Nazis unter das Joch gezwungen und die Bürgerlichen in Frankreich wurden schon lange von Le Pen ans Kreuz genagelt. Alles im Handumdrehen. Wenn man auf der Lawine sitzt, merkt man nicht, wie rasend schnell sie bergab donnert und wenn man die Tigerin reitet, sollte man niemals absteigen. Das endet immer tödlich
Ich sitze gerade am Merchandising für die Nach-Wahlzeit. Fritze Tünkram als Wackeldackel, ein Millionengeschäft. Lügen haben ja bekanntlich kurze Beine und da bietet sich der kürzestbeinige Friedrich Merz als Dackel an. Eine geradezu ikonische Installation wäre der Tünkram-Wackeldackel hinten im Ford 17M, auf der Ablage, neben der Klorolle mit der Strickhaube in SchwanzRotGold. Was für ein Bild: Von hinten, was Hundesteuer kostet, verschwindet der Ford in der untergehenden Sonne auf der Sauerlandautobahn und der Dackel wackelt im Takt der dritten Strophe des Deutschlandliedes. Schlingensief würde vor Freude im Grabe rotieren, wenn er das noch miterleben könnte.
Im Hintergrund tickt die Uhr. Bis zum nächsten Anschlag, der mit tödlicher Unsicherheit kommt. Aschaffenburg wird nicht die letzte Tat eines Verrückten bleiben. Die psychischen Erkrankungen in unserer Gesellschaft explodieren grundsätzlich, unabhängig vom Status der hier Lebenden. Der Verbrauch von Psychopharmaka hat derartige Ausmaße angenommen, dass die Fische im Abwasser dauerstoned durch die Bäche der Republik torkeln. Die Flüchtlinge, Zugewanderten, Illegalen haben hierzulande oft überhaupt keine psychosozialen und/oder medizinischen Anlauf- und Hilfestellen. Die fallen auch bei psychischen Erkrankungen durch das ohnehin immer dünner werdende Auffangnetz unserer abgerockten Infrastruktur. Und so ist der nächste Amoklauf nur eine Frage der Zeit. Und was fordert der Wackeldackel dann? Schießbefehl an den Grenzen?
Warum, zum Teufel, gehen mir gerade jetzt die Zeilen des göttlichen Hölderlin durch den Kopf:
Nur Einen Sommer gönnt, ihr Gewaltigen!
Und einen Herbst zu reifem Gesange mir …

21.01.2025 – Blick in den Rückspiegel und fünf Euro ins Phrasenschwein

21.01.2008 Neue Presse. Kopfnüsse gegen Wahlverdrossenheit. Es handelte sich um die Landtagswahl in Niedersachsen.
An rechten Parteien gab es damals die NPD, die erzielte 1,5 Prozent der Stimmen. Das war’s. Die Linke hatte 2008 noch 7,1 Prozent. Heute taucht sie in den Prognosen für Niedersachsen kaum noch auf, als marginalisierte Kleinpartei. Die Faschisten, dieses Mal AfD, hingegen sind stabil bei 16 Prozent in den Nds.-Umfragen, für die Bundestagswahl mittlerweile bei 21 Prozent. Während die CDU peu à peu abkackt und Fritze Tünkram demnächst bestimmt deswegen die Kontrolle verliert und einen raushaut, der die Partei 5 Prozent kostet . Hoffentlich ….

Soviel zum Paradigmenwandel in unserer Gesellschaft, auf Zahlenebene. Heute ist natürlich nicht der größte Feind der Demokratie, wie ich laut Artikel etwas geschwollen daherschwadronierte, die Wahlverdrossenheit, sondern der real existierende Faschismus. Und selbstverständlich muss aktuell das Ziel jeder Intervention vor Wahlen sein, die Wahlbeteiligung zu drücken. Der Mob darf auf keinen Fall zur Wahl gehen, denn er wählt nur Scheiße. Die Wahlbeteiligung nimmt seit Jahren grunzsätzlich wieder zu und das zahlt fast ausschließlich auf das Konto von Faschisten ein. Die Leute, die sich früher von der Demokratie abgewandt hatten – Wählen bringt ja eh nix – wenden sich dem Wahlgeschehen wieder zu, fühlen sich in ihrer früheren Demokratieverdrossenheit weiter bestätigt, ja verstärkt, und haben jetzt eine Projektionsfläche für die Abschaffung der so verabscheuten Demokratie: Die AfD. Deshalb müssen alle kreativen Denker*innen und avantgardistischen Kulturschaffenden sofort in die sozialen Brennpunkte – sorry, wir sollen ja jetzt diskriminierungsfrei sagen: Gebiete mit besonderem Förderbedarf – ausschwärmen, mit Kampagnen wie: „Finger weg von der Wahlurne“. Oder: „Wählen? Nein Danke“! Oder „Wählen bringt nix.“ Oder: „Nur die dümmsten Kälber WÄHLEN ihre Metzger selber“. „Keine Stimme für die Quasselbude in Berlin“. Gut wären auch Plakate mit explodierenden Wahlurnen oder Wählerinnen, die an einem Ast hängen, dessen Baum die Aufschrift trägt: „Wahlen.“
Das ist aber ein bisschen hart, sagen Sie, meine lieben zartbesaiteten Freundinnen der Demokratie? Hart ist das Leben! Oder haben Sie gestern die Trump-Arie nicht mit verfolgt?
Also Fazit: Alles was den Mob von der Wahlurne fernhält, ist demokratiefördernd. Hört sich nach einer contradictio in adjecto an. Ist aber keine.
Wir sind eben auf den Hund gekommen. Und der hat auch noch Flöhe.
Gut, dass in dem Artikel der Satz zitiert wird: „Zu ernst kann man das nicht nehmen“. Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst. Aus Spaß wurde Ernst und Ernst ist heute 18. Schön ist, dass ich heute nicht mehr weiß, wie ich die Aktion gemeint habe. Noch schöner, dass in dem Artikel endlich mal korrekt erwähnt wurde, dass ich bei Aktionen einen Smoking trage. Und nicht wie sonst immer behauptet wird: Einen schwarzen Anzug. Schwarze Anzüge trägt man auf Beerdigungen Oder als Bankangestellter. Der Smoking hingegen ziert den Dandy.
Die Kopfnuss als Wa(h)lnuss. Heute würde ich eine Kokosnuss nehmen und bestimmten Wählergruppen an den Kopf … ach, lassen wir das. Keinen Verbalradikalismus.
Wenden wir uns lieber dem aktuellen Wahlgeschehen zu. Da spüre ich grundsätzlich eine von mir im letzten Blogeintrag angesprochene „Ermattung der Zivilgesellschaft“. Ich finde, was bisher von da, also von Verbänden, Organisationen, Initiativen an Aktionen, Kampagnen, Veranstaltungen, Verlautbarungen zur Wahl kommt, ist der Ernsthaftigkeit der Lage gegenüber vollkommen unangemessen, nichtssagend, schwach, beschönigend, verdrängend etc. pp.
Kommt ja vielleicht noch. Ich lass mich gerne eines Besseren belehren. Fünf Euro ins Phrasenschwein. Was auch schon wieder ne Phrase ist.

20.01.2025 – Mögliche Auswirkungen einer CDU/AfD-Koalition auf Länderebene. Teil 5: Das Wurst-Case Szenario.

Mir ist alles Wurst oder: Leibniz ging mir auf den Keks. HAZ, 14.11.2016.
Was eine mögliche CDU/AfD-Koalition 2027 in Niedersachsen oder 2029 im Bund angeht: Das ist, wie die Veganerin sagen würde, ein Wurst-Case-Szenario. Wäre ich unseriös, würde ich das, was ich hier dazu schreibe, als Trendforschung und Prognostik-Expertise bezeichnen. Es ist aber nichts weiter als Spekulatius. Kann alles auch ganz anders kommen. Der anständige Flügel in der CDU, die nicht nur verbal an christlicher Ethik ausgerichteten Vertreter*innen da, setzt sich durch und die koalieren doch mit der SPD. Oder die CDU kopuliert mit den Grünen nach dem 23.02. Von dem absehbaren Kladderadatsch danach profitiert neben der AfD auch die SPD und fährt 2027 in Niedersachsen mit dem Liebling der Partei, dem Menschenfreund Olaf Lies, einen grandiosen Sieg ein. Oder die Linke erreicht die absolute Mehrheit. Oder Grönland und Panama erklären der USA den Krieg. Kann alles passieren. Aber wer nicht mit dem Schlimmsten kalkuliert, macht seine Rechnung ohne den Wirt. Und das wird teuer.

Wie können es die Akteure billiger machen? Meint: Welche solidarischen Strategien können die Akteure in Niedersachsen umsetzen, um das Schlimmste, also eine CDU/AfD-Koalition zu verhindern? Es gibt zwei Wege: Den parlamentarischen und den außerparlamentarischen. Alles nichts umstürzend Neues oder Originelles, man muss es halt nur wollen und machen, auf Ebene der Verbände, Initiativen, NGOs, aber auch der individuellen Personen, Verantwortlichen. Also raus aus der rotgrünen Kuschelzone und Kontakte intensivieren zu „vernünftigen, anständigen“ CDU-Abgeordneten. Die findet man leicht in Gesprächen mit Leuten, die im „Betrieb“ sind, wie Abgeordnete, Referentinnen, Journalistinnen. Im Betrieb ist nichts ein Geheimnis: Wer mit wem vögelt, wer Alkoholiker ist, wer zuverlässiger Demokrat ist und wer jetzt schon an der Brandmauer zündelt. Mit den Anständigen veranstaltet man regelmäßig parlamentarische Frühstücke, besser noch: Abende. Mit Kultur. Irgendwas „Originelles“, was die nicht kennen. Poetry Slam z. B. Das halten CDUler*innen für was absolut Cooles, Neues, Rebellisches, obwohl es im Zweifel der ödeste und witzloseste Quark ist, den man sich vorstellen kann. Aber Der Wurm muss dem Fisch schmecken. Nicht dem Angler …

Und was mit Alkohol machen. Alkohol geht immer. Und nicht sparen. Kein Sekt Schloss Stolzenfels oder sowas in der Art! Den gab es neulich beim DGB-Neujahrsempfang. Meine Geschmacksnerven haben ein Infarkt gekriegt. Ich bin auf dem Absatz umgedreht und gegangen. Ich lass mich doch nicht feuchtbeleidigen. Also jetzt anfangen, langfristiges Netzwerk herzustellen in die CDU hinein, nicht erst Anfang 2027. Klassische Lobbyarbeit. Und die Ansprechpartner peu à peu bearbeiten, mit sozialpolitischen Argumenten und Appellen an das Demokratieverständnis. Hört sich dröge an, ist aber erprobtes Handwerkszeug. Und gegen dröge gibt’s ja den Crémant. Das ist Sekt, nur besser. (Für die Proleten aus dem Schweinegürtel ein Fass Bier). Schwieriger wird die außerparlamentarische Ebene. Dazu müssten sich alle geneigten Verbände, NGOs, Initiativen, Projekte verbindlicher als bisher vernetzen, in einem Netzwerk mit einprägsamen Namen. Etwas, worauf die Medien stehen, was selbst der Verfasser eher unterkomplexer Texte wie dem Obigen kapiert und gut findet. Also z. B. „Netzwerk Demokratie bewahren“.

Dann die Medien bearbeiten, raus in die Öffentlichkeit, einmal im Jahr buntes Demokratiefest. Soziale Medien, Pressetermine, Straßenaktionen, auch in sozialen Brennpunkten!, etc. pp. Auch das ist alles klassisches Handwerk. Was allerdings aus meiner Wahrnehmung im Rahmen der allgemeinen politischen Ermattung der Zivilgesellschaft, um es mal euphemistisch zu formulieren, bei vielen Akteurinnen verkümmert ist.
Alles Handwerk. Dazu muss man kein Genie sein. Noch nicht mal eine Mischung aus, und hier zitiere eine jener Formulierungen, auf die die Medien stehen und die in jede PM rein müssen: Immanuel Kant und Lionel Messi.

18.01.2025 – Mögliche Auswirkungen einer CDU/AfD-Koalition auf Länderebene. Teil 4: So wird Politik im konkreten Einzelfall gemacht

101

101x von Nazis gelikt. Das Leben kann ganz schön grausam sein.
Politik ist immer auch eine Frage des Zeitpunktes. Wann übe ich was aus zum Erhalt meiner Macht? Machiavelli hat in seinem Werk „Il principe“, dem ersten überhaupt über politische Philosophie, einmal sinngemäß gesagt: „Übe die Grausamkeiten zum Erhalt Deiner Macht am Anfang Deiner Herrschaft und alle auf einmal aus“. Das hebt auf das kurze Gedächtnis der Beherrschten ab, die das schnell vergessen und dankbar sind, für alles, was danach kommt.
Konkret dazu richten wir jetzt eine Szene ein, aus den ersten 100 Tagen einer CDU/AfD-Koalition 2027 in Niedersachsen. Das Setting: irgendein Besprechungsraum im Sozialministerium. Die Personen: Ein ministerieller Referatsleiter, mit zwei Referentinnen, u. a. für das Protokoll, und Vertreter*innen einer NGO, hier der Landesarmutskonferenz LAK Niedersachsen.
Referatsleiter:
„Ich begrüße Sie ganz herzlich und freue mich, dass Sie unserer Einladung zu einem ersten Gespräch, seit ich die Leitung übernommen habe, gefolgt sind. Wir wollen heute in einem ersten Aufschlag sehen, was wir gemeinsam bewegen können, zum Wohl unseres schönen Bundeslandes und seiner Bewohner. Wie Sie sicher mitbekommen haben, die Medien haben ja umfangreich berichtet, wollen wir eine grundsätzliche Neuausrichtung der Politik in die Wege leiten. Weg von einem bevormundenden Staat, hin zu mehr Eigenverantwortung. Weniger Gängelung, mehr Freiraum schaffen. Die Bürger sollen sich freier entfalten können, das schafft die wirtschaftliche Dynamik, die letztlich auch den Wohlstand im Land generiert. Runter mit den Steuern, rauf mit der Wirtschaft. Weniger 24-Stunden-Vollversorgung für alle, mehr eigene Leistung, Arbeit, Verantwortung. Mehr fordern, weniger fördern. Soziale Leistungen nur für die, die sie wirklich benötigen. Und das vorrangig für die Bürger unseres Landes, erst an zweiter Stelle für Wirtschaftsflüchtlinge. Dazu werden wir die soziale Infrastruktur straffen, optimieren, schlank machen, die Mittel umschichten und die Akteure dort ermächtigen, diesen Prozess proaktiv zu begleiten. Oder sich anderweitig zu orientieren.
Wie Sie ja sicher gelesen haben, gibt es jetzt schon Organisationen, die sich im Rahmen dieses Prozesses neu orientieren müssen, sich auf ehrenamtliche Arbeit umstellen, da die Mittel dort gestrichen wurden. Es gibt aber auch Organisationen, die, nun, wie soll sagen, zu den Gewinnern der Neuorientierung gehören.“

Der Referatsleiter legt eine Kunstpause ein und schaut erwartungsvoll alle Beteiligten an. Das Ganze hier ist ja ein Theaterstück und da müssen „Kunst“pausen sein. Der Referatsleiter könnte auch aufstehen, zum Fenster gehen, hinausschauen. Das schafft irgendwie Bedeutung, passiert in jedem Film, hat irgendwas zu bedeuten, keine Ahnung was, macht aber was her. Die Steigerung: er öffnet das Fenster und sagt:
„Bisschen frische Luft reinlassen.“
Extremsymbolik, wenn Sie, liebe Leserinnen, verstehen was ich meine. Und nach einer kurzen Pause schließt er das Fenster wieder und sagt, mit einem bedeutungsschwangeren Lächeln:
„Hoffentlich ist Ihnen jetzt nicht kalt geworden.“
Dann, nach einer weiteren Pause:
„Nun, zu den Gewinnern gehören tatsächlich Sie, die LAK.“
Pause. Schweigen. Jetzt wird der Ministeriale konkreter:
Wir stellen uns folgendes vor: Das Land stellt der LAK Personal- und Sachkosten für die Einstellung eines zweiten Geschäftsführers, den wir Ihnen vorschlagen werden, und zweier Referentinnen zur Verfügung. Damit verlagern Sie Ihr Tätigkeitsfeld weg von politischer Lobbyarbeit und, wie Sie es immer so schön bezeichnen: öffentlicher Skandalisierung von Massenarmut in einem der reichsten Länder der Welt. Hin zu Beratung und Information von Betroffenen, vor allem in sozialen Brennpunkten. Also: Wo finden diese Menschen, die sicherlich immer mehr werden, zielgenau die richtige Tafel, die passende Kleiderkammer, Drogenberatung und – ein ganz zentraler Schwerpunkt Ihrer zukünftigen Arbeit: Den passenden Ein-Euro-Job. Dieses Instrument werden wir deutlich ausbauen. Also wird Ihnen eine neue Vermittlerrolle zukommen. Dazu setzen wir im Nachgang zu unserem Gespräch eine Zielvereinbarung auf, über die Sie in einem Gespräch in jedem Quartal mir direkt berichten. Und je nach Erfolg, sehen wir dann weiter, inwieweit wir Ihre Fördermittel verstetigen, über das erste Jahr hinaus.“
Der Referatsleiter endet hier, lehnt sich zurück, legt die Fingerspitzen aneinander und schaut die Runde erwartungsvoll an:
„Wie finden Sie unseren Vorschlag?“

17.01.2025 – Mögliche Auswirkungen einer CDU/AfD-Koalition auf Länderebene. Teil 3: Über die Konsequenzen der Zerstörung einer Struktur

Plakat um 1990 an unserem Haus. W+Ehlers war eine ehemalige Bettfedernfabrik mitten im Kiez hier. Heute heißt das „Faust“, das größte Kulturzentrum in Hannover. Heimat für Flüchtlingsinitiativen, Frauenprojekte, Ateliers, Kunst, Disco, Biergarten, Lesungen, Flohmärkte etc. pp. . Ein rotgrünes Projekt, getragen von der Stadt Hannover und dem Land Niedersachsen. Eine CDU/AfD-Koalition würde solche Projekte mit Sicherheit nicht fördern.
Das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur (MWK) unterstützt im ersten Halbjahr 2025 soziokulturelle Zentren und Vereine mit insgesamt rund 1,2 Millionen Euro. Hier eine Übersicht.

Die Mittel wurden auf Grundlage der Empfehlungen des Beirats des Landesverbands Soziokultur Niedersachsen über den Landesverband vergeben. Auch der Landesverband existiert in der vorliegenden Form nur auf Grund von Fördermitteln des Landes. Wenn die wegfallen, kann auch der Verband dichtmachen.
Wenn die Struktur dieser bunten Initiativen, Projekte und Organisationen wegfällt, hat das nicht nur Auswirkungen auf die Träger der Institutionen, die im Zweifel alle in die Insolvenz gehen, womit jede Menge Arbeitsplätze verloren gehen. Eine alternative und bezahlbare Clubkultur verschwindet dann ebenso wie Festivals, Auftrittsmöglichkeiten für alternative Künstler*innen etc. pp.. Eine wesentliche Farbe im Kulturspektrum eines Landes würde nicht mehr existieren. Stattdessen würden mittelfristig feldgrau-braune Farben bevorzugt mit Fördermitteln.
Und nicht nur das: Die Immobilien der hier genannten Kulturorte sind nicht selten 1a Lagen, wie es sie in den Kommunen kaum noch gibt. Faust z. B. ist ein riesiges Areal, denkmalgeschütztes Ensemble, am Wasser gelegen, direkt in einem lebendigen Kiez, die Uni liegt um die Ecke, in ein paar Minuten ist man mit dem Rad sowohl in der City als auch draußen auf dem Land. Wir können davon ausgehen, dass derartige Objekte bereits jetzt in den Listen von Investoren mit rot markiert geführt werden unter dem Label: Potentielle Premiumprojekte für Wohnen und Arbeiten in exclusiver Lage. Im Falle einer Insolvenz stehen Immobilienhaie sofort Schlange. Landesbürgschaften zur Rettung fallen dann weg und die Kommunen sind alle finanziell am Limit, die fallen als Rettungsanker aus.

Damit würde der Verdrängungsprozess in alternativen Kiezen gefördert. Zwei Fliegen mit einer Klappe: Herstellung rechter kultureller Hegemonie durch Umstrukturierung der Fördermittel und Umwidmung öffentlich-rechtlicher, sozialer Arbeits- und Lebensformen in profitorientierte Kapitalanlage-Strukturen. Gentrifizierung pur.
Diese Prozesse werden sich langfristig abspielen. Eine politisch ausgerichtete, jenseits des Einzelinteresses solidarische Gegenwehr-Strategie des Alternativ-Milieus kann ich nicht erkennen. In den folgenden Blogeinträgen werde ich versuchen, Module einer derartigen Strategie zu skizzieren.
Randnotiz: Auf dem Plakat oben ist ein fetter Kapitalist mit der Aufschrift EXPO 2000 (Hannover) zu sehen, der sich unter anderem das Faustgelände einverleiben will. Die Kopfschusswunde zeigt, welche feuchten Phantasien als Gegenstrategie Teile der Hausbesatzung damals umtrieben. Leute, die selbstverständlich mit Palästinensertüchern rumliefen und vermutlich immer noch rumlaufen und einem militanten linken Antisemitismus frönen. Wie sehr das antisemitische Ressentiment weit über die Nazizeit wirk- und bildmächtig ist, zeigt der Vergleich der fetten Kapitalisten – heutzutage, wo die alle sportgestählt, schlank und fit wie Windhunde, Leder und Kruppstahl sind, eine groteske Phantasie:

Zitiert aus: Blinde Flecken der Globalisierungskritik. Gegen antisemitische Tendenzen und rechtsextreme Vereinnahmung. Herausgegeben von Attac Österreich.

Der im Bild oben abgebildete Smokingträger und Hausbewohner deutet auf einen dort sich anbahnenden Paradigmenwechsel hin. Heute sind die Hausbewohner*innen auf Israel-Solidaritätsdemos anzutreffen. Und das ist auch gut so.

16.01.2025 – Blick in die Glaskugel: Mögliche Auswirkungen einer CDU/AfD-Koalition auf Länderebene

Einziger Vorteil dieses Schweinewetters: Ideale Kühlung für Sekt. In der AfD-Zentrale sind die Champagnerflaschen für den Abend des 23.02 sicher schon kaltgestellt. Kaltgestellt werden müssten dann auch nach Lage der Dinge die Parteiführungen von FDP und SPD.
Egal welche Koalition dann zusammengerührt wird, an den grundsätzlichen Problemen wie Rezession, Inflation (bei Grundnahrungsmitteln), Migration (gefühltes Problem, nicht real), Kriege, Klimawandel, Armut, Spaltung wird sich nichts ändern. Den Kapitalismus in seinem verhängnisvollen Lauf, hält weder Merz noch Scholz noch sonst wer auf. Das spielt der AfD in die Karten, die bei den nächsten Landtagswahlen Rekordergebnisse einfahren wird. Wo dann zusammen wächst, was zusammengehört, nämlich reaktionär-bürgerliches und neofaschistisches Lager, wie in Österreich.
Wir werfen einen Blick in die Glaskugel, auf die möglichen Auswirkungen einer CDU/AfD-Koalition, erstmal auf Landesebene, 2027 in Niedersachsen. Nachdem im letzten Blog die grundsätzlichen, strukturellen Voraussetzungen und Auswirkungen einer solchen Koalition wie Strukturreformen und Personalbesetzungen angerissen wurden, wird es nun konkret am Beispiel der Sektoren Soziales und Kultur.
Hier wird es auf Grund der rezessiven Entwicklungen zu extremen Kürzungen in den jeweiligen Haushalten kommen. Auf dieser Basis fällt eine komplette Umstrukturierung der Förderlandschaften umso einfacher. Mussten früher – in einem rotgrün regierten Bundesland, aber nicht nur da – in jedem Förderantrag für Projektmittel Begriffe stehen wie „Demokratische Kultur, Diversität, Betroffenenbeteiligung, internationale und transnationale Kooperationen, kulturelle Bildung, soziokultureller Ansatz, Völkerverständigung, blablabla…“ . sähe das in einem CDU/AfD-Bundesland etwas anders aus. Dort hätten eher Förderanträge Chancen auf Erfolg, in denen Begriffe auftauchen wie: „Identitätsstiftend, breitenwirksam, Volkskultur, nationaler Charakter von Kultur und Bildung, Förderung traditioneller Geschlechterrollen und des klassischen Familienbildes, Kultur als Hort der Erbauung und Entspannung, Schönheit statt Dekonstruktion, Bewahrung klassischer Ästhetik und Traditionen, das Soziale neu denken im Sinn einer helfenden und beratenden Kultur.. blablabla…“
Es gibt dutzende NGOs allein in Niedersachsen, in der BRD sicher über 300, Landesarbeitsgemeinschaften, Landesvereinigungen, Projekte etc. pp, die ohne Fördermittel nicht so arbeiten könnten wie sie das tun. Die deutsche Förderlandschaft im Kulturbereich ist weltweit gesehen einmalig. Man muss als Künstler schon sehr faul oder dumm sein, um nicht an Fördermittel zu kommen, auch völlige Talentfreiheit ist kein Hinderungsgrund. Diverse Landesvereinigungen nicht nur im soziokulturellen Bereich haben mittlerweile dank stetig fließender staatlicher Fördermittel einen beachtlichen Personalapparat aufgebaut. Wenn die sich nicht sofort nach (besser: deutlich vorher, sowas bahnt sich an, in hiesigen CDU-Kreisen wird jetzt schon die Brandmauer klein geredet) Regierungswechsel umorientieren im Sinne der oben skizzierten Begrifflichkeit, können die ihren Laden dicht machen. Das war`s dann mit ordentlich bezahlten Jobs nach TVÖD.
Mein Großvater sagte immer: „Steine kloppen und Torf stechen hat noch keinem geschadet“. Dass unter dieser Perspektive zahlreiche Organisationen sofort einen Ausrichtungswechsel vornehmen, dürfte klar wie die legendäre Kloßbrühe sein. So sieht dann die Herstellung kultureller Hegemonie aus,
Darum brauchen sich Organisationen wie autonome Frauenhäuser, Flüchtlingsrat, Migranteninitiativen, Klimaorganisationen, LGBTQ-Vereine und alles, was den Begriff „Soziokultur“ im Namen trägt, keinen Kopf machen. Die werden sofort wegrasiert. Gewinnerinnen sind Familienverbände, konfessionell Aufgestellte, die Tafeln, Jobvermittler, Trachtengruppen, Schützenvereine, Schrebergärtner, Blaskapellen.
Ich sitze gerade an einem Konzept, um das im Klassenkampf und in der Avantgarde bewährte Kollektiv SCHUPPEN 68 ab 2027 für jene Fördermittel umzuframen, die es bisher noch nie bekommen hat. Mir schwebt sowas wie Volkskunst vor, im Sinne des „Original Oberkreuzberger Nasenflöten Orchester“, deren Auftritte in den SO 36-Kneipenlegenden Goldener Hahn, Jodelkeller oder Trinkteufel ein Mythos sind.
Oder eine Blaskapelle. Nichts gegen Blasmusik…

15.01.2025 – Wie sähe Politik eigentlich aus unter den Vorzeichen einer CDU/AfD- Koalition?


Die kräftigen Farbbalken sind das Ergebnis einer Wahlumfrage vom 11.01.25, die blasseren Balken daneben die Ergebnisse der letzten Bundestagswahlen, die Zahlen darunter also die Verschiebungen.
Die Tendenz der letzten Wochen ist klar, alle Parteien mehr oder weniger festgenagelt auf ihren Umfragewerten. Wenn es extrem läuft – und das tut es andauernd – kann die AfD mit einem Stimmenanteil von 25 % einen Mandatsanteil in der Höhe der Sperrminorität von einem Drittel aller Sitze im Bundestag erzielen. Das tritt ein, wenn FDP, Linke und BSW nicht in den Bundestag kommen.

Dieses Zahlengeklapper ist nicht so wichtig. Entscheidend ist, dass der extreme Rechtsruck in der Wählerschaft, der immer mehr zu einem Ruck zur extremen Rechten wird, natürlich auch eine Entsprechung in der realen Politik finden wird. Was die Frage aufwirft: Wie sähe Politik eigentlich aus unter den Vorzeichen einer CDU/AfD- Koalition?
Erstmal auf Länderebene. Nach einer gewissen Brandmauer-Brösel-Schamfrist. Da greifen wir uns mal wahllos das Jahr 2027 raus, mit einer eher rechten CDU, also nicht sowas linksgrün angesifftes wie die Wegener-CDU in Berlin. Im Angebot hätten wir da: Niedersachsen. Landtagswahl 2027. Und eine ländlich-reaktionär, sorry, sehr konservativ geprägte Schweine-CDU. Was natürlich nicht despektierlich gemeint ist, sondern darauf abzielt, dass die Niedersachsen-CDU stark geprägt ist vom Gülle-Gürtel der Schweinehalter tief im Westen, um Wechda, respektive Vechta. Da besteht die Normalfamilie aus Vater, Mutter und 7 Kinder. Pro niedersächsischen Kopf kommt da ein ganzes Schwein. 7 Millionen, gigantische Fleischindustrie, mafiösen Ausmaßes. Dort wird nur eins schlimmer behandelt als die gequälte Kreatur Schwein: Der osteuropäische Wanderarbeiter, der unter unwürdigen Bedingungen in den Schlachthöfen dafür sorgt, dass unser Schnitzel verlässlich für 8 Euro das Kilo in den Handel kommt. Ideale Voraussetzungen für eine CDU/AfD Koalition. Im Landkreis Vechta kam die CDU bei der Europawahl auf über 50 Prozent und ließ rechts zur Wand der AfD nur 11 Prozent zu. In Gesamt-Niedersachsen reicht es locker für eine absolute CDU/AfD-Mehrheit.
Ziel der AfD ist die kulturelle Hegemonie in der Gesellschaft, um mittelfristig die Macht übernehmen zu können. Damit ist ein umfassender Kulturbegriff gemeint, der auch das Rechtsverständnis meint, unseren Begriff von Natur & Umwelt, von gesellschaftlicher Macht und Hierarchie, von Geschlechterrollen etc. pp
Um die Gesellschaft in ihrem Sinne umgestalten zu können, gehört die Übernahme bestimmter Ministerien zur AfD-Strategie. Schlüsselministerien sind klassischerweise das Innen-, Außen, Justiz, Verteidigungs- und Finanzministerium. Diese dienen der zentralen Aufgabe des Staates: Die Bürgerinnen anerkennen die Legitimität der Existenz des Staates, dieser sichert ihnen im Gegenzug Schutz nach Außen und im Innern zu und organisiert einen weitgehenden (klassenorientierten) Ausgleich der Interessen aller Einzelnen und Gruppen. Auf Länderebene fallen Außen- und Verteidigungsministerium weg, da zählt das Wirtschaftsministerium dazu.

Durch Strukturreformen und Personalentscheidungen im Innern und in der Justiz z. B. könnte die AfD bei der Übernahme dieser Ministerien mittelfristig die demokratische Struktur des Bundeslandes untergraben. Karrierebeamte sind gnadenlose Opportunisten, die machen jede AfD-Schweinerei mit, wenn ihnen dafür der Job eines Referatsleiters in einem Ministerium, Präsident oder Direktorposten einer Landesbehörde versprochen wird. Inhaltlich ist z. B. das Innenministerium u. a. zuständig für Polizei, Verfassungsschutz, Ausländerangelegenheiten, für die Kommunen, die Organisation der Landesverwaltung. Da einen AfD-Minister zu installieren ist so, als ob man einen Fuchs zum Wächter über den Hühnerhof macht.

Wie ein derartiger Strukturprozess zur Umwandlung von kultureller Hegemonie im Mikrobereich aussehen kann, gucken wir uns demnächst in den Bereichen Soziales und Kultur an. Die dafür zuständigen Minister*innen sitzen eher am Katzentisch einer Regierung, das ist eigentlich Gedöns, wo am ehesten der Rotstift angesetzt werden kann. Unwichtig für kulturelle Hegemonie sind sie aber keinesfalls. Und in den Ressorts kenne ich mich besser aus als bei Justiz und Inneres. Wir sehen uns.

12.01.2024 – Auf die Zivilgesellschaft wird sich die AfD verlassen können

Butzemann. Heute Morgen auf dem Weg zur Toilette kriegte ich beinahe einen Herzinfarkt, als ich in den Garten blickte. Im Dämmerlicht eine bedrohliche Gestalt, ein riesiger Butzemann. Wie ich im ersten Moment glaubte, bevor mir einfiel, dass ich gestern in Erwartung strengen Frostes meiner korfiotischen Olive eine Kapuze übergezogen hatte. Minus 8 Grad können die ab, darunter wird es kritisch. Der Baum geht dann zwar nicht ein, kriegt aber einen Schaden und muss im Frühjahr dann auf den Kopf runtergeschnitten werden, damit er wieder ausschlägt. Die Natur ist ziemlich robust.
Die Frage ist, ob die Gesellschaft „Frostschäden“ ähnlich robust übersteht und was heißt in dem Bild dann „Runterschneiden“? In Riesa läuft noch der AfD-Parteitag, ein paar Tausend wackere Antifaschistinnen haben versucht, ihn zu verhindern. Vergeblich. Unsere Staatsmacht verhinderte das Verhindern, nicht ohne im Vorbeigehen mal eben einen Linkenpolitiker, der „zufälligerweise“ nicht dem typisch arischen Erscheinungsbild entspricht, bewusstlos zu schlagen. Auf unsere Polizei wird sich die AfD bei einer möglichen Machtbeteiligung verlassen können.
Auf den Verfassungsschmutz sicher ebenso wie auf die Bundeswehr. Bei den genannten Organen von verstärkten rechten Tendenzen zu sprechen, wäre die Untertreibung des Jahrhunderts.

Worauf wird sich die AfD im Zweifel noch verlassen können? Sicherlich auf die zerbröselte Brandmauer, erstmal die zur CDU. Alles weitere ergibt sich. Im wahrsten Sinne des Wortes. Felsenfest wird sich die AfD auch auf die vierte Gewalt im Staat, die Medien, verlassen können. Medienkonzerne sind eine Fraktion des Kapitals und wie das stramm steht, haben wir in den USA im Fall Fuckerberg, Facebook und Trump gesehen. Die Welt und der Springer Verlag haben das hierzulande auch schon vorgemacht, wohin die mediale Reise nach rechts geht, mit ihrem famosen Musk-Beitrag, der so bescheuert war, dass er nur von einer KI stammen kann . Egal, Hauptsache Reichweite und Klicks.
Bleibt noch die Zivilgesellschaft. Auch auf die wird sich die AfD verlassen können. Vor einem Jahr waren noch Millionen auf der Straße, als zivilgesellschaftliche Reaktion auf das Nazi-Treffen in Potsdam mit den feuchten Remigrationsphantasien. Klassischer Fall von bürgerlichem Latschdemo-Antifaschismus. Alle klopfen sich auf die Schulter, wie toll sie es den Nazis gezeigt haben, die Feuilletons der Bürgerpresse hyperventilieren förmlich vor Freude, wie stabil doch unsere Zivilgesellschaft sei. Und hinterher gehen alle nach Hause und man hört nie wieder was. Ein Jahr später, in Riesa, waren gerade mal ein paar Tausend Aufrechte unterwegs, die nichts verhindert haben. Und in der Halle redete Alice für Deutschland ganz normal mehrfach von Remigration. (Was macht eigentlich Georg Elser?).
Bleibt die Justiz. Unerschütterliches, unbestechliches, unparteiisches Bollwerk der Demokratie.
Wie die Justiz in einer bürgerlichen Demokratie binnen kürzester Zeit zu einer Farce verkommt, ist derzeit in den USA zu beobachten.
Bei uns nicht möglich, sagen Sie? Göttin erhalte Ihnen, liebe Leserinnen, Ihren Glauben an das Gute in der Demokratie

Que viene el Coco. Hier kommt der Butzemann. Radierung von Goya.

Beim Butzemann handelt es sich offensichtlich um eine kulturübergreifende Visualisierung archaischer Ängste. Manifestation aller Schrecken aus dem Unterbewusstsein, die gesellschaftliche Gestalt annehmen kann. Butzemann für president. Und sowas steht bei mir im Garten. Wird Zeit, dass Frühling kommt.

11.01.2025 – Hitler was a feminist.

Überwinternder Hibiskus im Arbeitszimmer. Über Nacht plötzlich erblüht. Lichtblicke gibt es nur im privaten Bereich.
Der Blick in aktuelle Schlagzeilen hat im besten Fall etwas von einer Groteske, im schlimmsten Fall etwas von einer Vorapokalyse. Wir hierzulande haben keine Apokalypse, die herrscht im Sudan, in Syrien, an der Front in der Ukraine. Wir haben Winter, Frost, Bundestagswahlen und bis Morgen Alice im Wunderland Weidel. Dann ist ihre „Hitler was a communist“-Aussage Schnee von gestern, zerrieben im Mahlstrom der täglichen medialen Ungeheuerlichkeiten. Wenn Weidels groteske Aussage für überhaupt etwas gut war, dann dafür, dass sie wie mit einem Brennglas den Zustand des öffentlichen Diskursverhaltens kenntlich gemacht hat. Und damit den Zerfall unserer bürgerlichen Öffentlichkeit.
Die kann man mit Fug und Recht kritisieren, nicht zuletzt ist sie Trägerin und Stütze von Macht und Herrschaft in unserer Gesellschaft. Und insofern auch Trägerin und Stütze von Unterdrückung und Ausbeutung in einer Klassengesellschaft. Die wurde den einheimischen Volksgenossen, vulgo dem deutschen Facharbeiter, bisher versüßt durch Eigenheim, Auto und zweimal Malle im Jahr. Aber mit diesem Sozialklimbim wird ja jetzt aufgeräumt.

Bürgerliche Öffentlichkeit hat uns aber auch oft den Blick in eine herrschaftsfreie Zukunft, in eine Utopie, ermöglicht: Durch Vielfalt von Medien, Meinungsfreiheit, technische Medienentwicklung, Diskursoffenheit. All das trug in sich den Keim der Überwindung jener Verhältnisse, der bürgerlichen Herrschaft, die so etwas wie bürgerliche Öffentlichkeit überhaupt erst ermöglicht hatte. Aber das ist alles Schnee von gestern, versandet im allgemeinen hysterischen Blablabla sozialer, unkontrollierter, faktenfreier Medien. Und in der Angst vor dem sozialen Absturz.

Keine Utopie mehr. Meinungsfreiheit bedeutet nur noch, faktenfrei mit dem größtmöglichen Unfug die größtmögliche Reichweite zu erzielen. Daran zerschellt auch das gutgemeinte, hilflose Gebaren bürgerlicher Medien, mit sogenannten Faktenchecks die Lügen von AfD und anderen zu enttarnen. Also: Aussage Alice Weidel: Hitler was an communist. Faktencheck: Hitler was not an communist. So what, who cares? Die Gutmeinenden sagen: Wusste ich’s doch, die Nazis lügen wie gedruckt. Werden also in ihrer Gutmeinung weiter bestätigt. Und den Nazis geht jeder Faktencheck am Arsch lang.
Es gilt das Prinzip: Aussagen haben heutzutage keine Bedeutung mehr. Bedeutung steht für den durch ein Zeichen, ein Wort oder eine Aussage hervorgerufenen Wissenszusammenhang. Die Bedeutung weist auf den Sinn einer sprachlichen Äußerung.
Wo aber Wissen und Fakten nicht mehr gelten, gibt es keinen Zusammenhang mehr, keine Bedeutung. Kommunikation findet nicht statt. Ich kann auch behaupten „Hitler was a feminist“. Oder: „Im April fällt Schorf von der Decke, weil die Erde eine Scheibe ist “ oder: „Grrgh“. Es ist egal, solange es Resonanz erzielt.
Beispiel: Coronaschwurbler haben behauptet, Impfungen hätten schwerste Nebenwirkungen und würden Millionenfach töten. Fakt ist: Etwa 65 Millionen Menschen in Deutschland haben sich gegen das Coronavirus impfen lassen. Bei 467 von ihnen haben die Behörden laut einem Medienbericht einen Impfschaden anerkannt, 0,00072 Prozent. Coronaimpfungen haben ein noch größeres Massensterben verhindert. Diese Tatsachen dürften jedoch nicht einen einzigen Schwurbler von seinem Wahn geheilt haben.

Aussage: Wahn ist Faktenresistent. Faktencheck: Stimmt.
Na dann, schönes Wochenende, liebe Leserinnen.