Archiv für den Autor: admin

26.04.2024 – Käuflichkeit ist keine Frage des Ob, sondern des Wie hoch.

Revolutionäres 1. Mai Plakat Berlin 1990

Wenn ich in Kreuzberg ankomme, studiere ich als erstes die endlosen Plakate unter den Yorckbrücken (die eigentlich in Schöneberg liegen). Sie liefern Infos über Veranstaltungen, an die ich normalerweise nie kommen würde. Und sie geben in ihrer bunten Konzentriertheit Auskunft über Zustand und Perspektive der Stadt und der Gesellschaft, sowie über den aktuellen Stand der gestalterischen Ästhetik. Besser und sinnlicher als es Internet, Bücher oder Zeitungen je könnten. Die Plakate zum 1. Mai sind dagegen eine lehrreiche Reise in die Vergangenheit, über zerstörte Utopien, gescheiterte Kämpfe. Und wenn man Glück hat, über Hoffnungen. Da muss an aber sehr viel Glück haben, um sowas zu finden. Oben, im Plakat von 1990, deutete sich schon zart an, dass nach dem Fall der Mauer die glückseligen Zeiten von Berlin als höchstsubventionierte Insel und bunte Freiraum-Spielwiese für allerlei mit ABM-Stellen finanzierte Alternativträume zu Ende gehen würden. Erstmals taucht Begriffe wie „Miete“ und „Spekulation“ auf einem Mai-Plakat auf.

Revolutionäres 1. Mai Plakat Berlin 1992.

1992 war die Befürchtung zur Gewissheit geworden: Spekulanten würden sich das neue Zentrum der BRD flächendeckend unter den Nagel reißen, Vertreibung aus den Stadtteilen fing in Prenzlau an und hört bis heute nicht auf. Ich war damals natürlich auch gegen Berlin als Hauptstadt, Berlin als Vorposten und Speerspitze eines nationalbesoffenen BRD-Imperialismus in der Eroberung der neuen Märkte im Osten? Berlin als Hauptstadt eines Vierten Reiches? Niemals.

Naiv. Die neuen Märkte in Osten wären im Zeitalter von digitaler Globalisierung auch mit Bonn oder Pattensen als Hauptstadt erobert worden, der Zar des Neoimperialismus kommt nicht aus dem Reichstag, sondern aus dem Osten und was Nationalbesoffenheit angeht, sind andere Länder x-mal schlimmer, von Italien über England bis Ungarn, Türkei etc. pp.

Aber was ist nicht ist, kann ja noch werden: Die AfD in ihrem Lauf, hält weder Ochs noch Esel auf. Der skurrile Glaube, dass ihre diversen Spionage- und Korruptionsgeschichten ihre Klientel auch nur einen Furz interessieren und von der Wahl abhalten würden, wird sich spätestens bei der Bekanntgabe der ersten Wahlergebnisse zur Europawahl in Luft auflösen.

Geradezu albern finde ich die Vorwürfe der demokratischen Parteien, die AfD würde mit ihren Affären das Vaterland verraten. Erstens verhält sich die AfD nur marktkonform und systemgetreu, sie verkauft an den Meistbietenden. Und das Beste, was man in nationalbesoffenen Zeiten jemanden an die Jacke kleben kann, ist: Vaterlandsverräter.

Die Konterattacke der AfD wird sich warmlaufen und Erfolg haben: Das Alles sei nur eine Schmutz-Kampagne der Lügenpresse und der Systemparteien, um von den Messermännern und Kopftuchgebärmaschinen abzulenken, die die große Umvolkung hierzulande vornehmen. Außerdem ist das AfD-Wahlvolk vermutlich ehrlicher als das versammelte Bürgerfeuilleton. Sie bewundern die Käuflichkeit der AfD eher als jene Schlitzohrigkeit, die sie selbst an den Tag legen würden, wären sie nur nahe genug an den Töpfen dran. Jede hat ihren Preis. Käuflichkeit ist keine Frage des Ob sondern des Wie hoch.

Ich muss jetzt in den Keller, meine rote Fahne aus der Mottenkiste holen.

25.04.2024 – Die letzte Schlacht gewinnen wir ….

Revolutionäres 1. Mai Plakat Berlin 1988. Die letzte Schlacht gewinnen wir …

Revolutionäres 1. Mai Plakat Berlin 1990. Da hatte der Kapitalismus mal wieder eine der letzten Schlachten gewonnen, die Ostzone kehrte heim ins Reich. Von nun geht’s bergab.

Interessiert sich überhaupt noch irgendein Schwein für den 1. Mai als Kampftag der Arbeiterklasse, außer dem Rollatorgeschwader des DGB, das auf der traditionellen Mai-Latschdemo den Valium gedämpften, von keinerlei rhetorischem oder gar inhaltlichem Furor tangierten Ansprachen der – notorisch mit SPD-Parteibuch bewaffneten – jeweiligen DGB-Vorsitzenden entgegen rollert? Nö, eher nich. Es gibt zwei Gründe, diese Mai-Mischung aus Zombies und Zauseln gerade in Hannover zu meiden: 1. Hannover. Und 2. ist hier offensichtlich die zentrale Mai-Veranstaltung des DGB mit der Vorsitzenden Yasmin „Hoch lebe die Sozialpartnerinnenschaft“ Fahimi. Schöne Partnerschaft, bei der der Eine dem Anderen das Fell über die Ohren zieht und es hinterher meistbietend auf dem Weltmarkt verscherbelt. So weit so bekannt. Aber wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Arschloch her … Und damit sind wir bei einer zweiten Gruppe, die sich auch noch für den 1. Mai interessiert, nämlich die notorisch revolutionären Genoss*innen vom wahlweise schwarzen, feministischen, antikapitalistischen, auf jeden Fall aber antisemitischen Block.

Vor 8 Jahren wurde in Berlin versucht, antisemitische Parolen auf der sogenannten revolutionären 1. Mai-Demo zu unterbinden. Das wurde im Koordinierungsrat mit großer Mehrheit abgelehnt und die betreffenden Initiatoren des Minderheitenantrags sind seitdem völlig zu Recht nicht mehr dabei. Zur Größenordnung: Auf dieser Mai-Demo werden mehrere tausend TN erwartet, sie ist damit wesentlich größer als die DGB-Demo und vereint mittlerweile, soweit mir bekannt, alle anderen früheren schrägen und durchgeknallten Veranstaltungen an diesem Tag, wie die der peruanischen Genossen vom Leuchtenden Pfad hinter irgendeiner Hecke in Lichterfeld.

Was von Relevanz bleibt, ist also die Razzia im Grunewald Villenviertel

Das wird eng getaktet am 1. Mai für mich. Natürlich strebe auch ich auf der traditionellen DGB-Latsch-Demo Freibier und Erbsensuppe entgegen, allein des Genius Loci wegen: Die Demo startet an der Ecke Karl-Marx-Allee/Straße der Pariser Kommune und endet am Roten Rathaus! Mehr revolutionäres Erbe geht nicht. Abmarsch 10 Uhr.

Um 12 Uhr geht es dann mit meinem Klappi zur Fahrraddemo in Richtung Grunewald, zur sachgemäßen Durchführung der Razzia. Ab 14 Uhr läuft auf dem legendären Mariannenplatz, wo früher immer die autonome Hütte brannte, dann ein Maifest der Linken. Mit Lesung! Siehe auch Blücherplatz, da geht auch irgendwas ab. Ab 18 Uhr bin ich dann am Südstern beim Abmarsch der Antisemitinnen. Natürlich nicht um mitzumarschieren, sondern um das Geschehen zu dokumentieren und archivieren, für diesen Blog. Früher war es Konsens unter Linken: Antisemitismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen. Da bin ich wertkonservativ, das gilt.

Spätestens danach werde ich wahrscheinlich leicht beduselt vor dem Hades, dem Imbiss in unserem Haus, einen Absacker nehmen und endlich den Helm abnehmen. Fahrrad-Helm natürlich, in Berlin ist Radln lebensgefährlich. Ich werde hier also in loser Folge Material um den 1. Mai, auch historisches, veröffentlichen. Denn:

Damit sich keine hier beschwert,

falls die Nachwelt nichts erfährt:

Nicht nur zum 1. Mai,

bleibt es für mich dabei:

Alle Macht den Archivaren,

sonst wird die Nachwelt nichts erfahren.

24.04.2024 – 1. Mai 2024 – Razzia im Villenviertel!

Razzia im Villenviertel Im Berliner Villenviertel Grunewald wohnen die Reichen und die Hässlichen, die sich mit Milliarden im Laufe der Jahrzehnte in den endlosen Skandalen der Berliner Betonmafia bereichert haben. Hier nur ein Beispiel von vielen, der Skandal um die Berliner Landesbank, mit dem Ergebnis  : „…. Darüber hinaus folgten Entlassungen von Vorstandsmitgliedern und Geschäftsführern, teilweise mit traumhaften Abfindungen und Renten. Es gab Anklagen von zahlreichen Bankmanager*innen wegen Untreue, die alle maximal eine Strafe auf Bewährung erhielten. Der von CDU und SPD dominierte parlamentarische Untersuchungsausschuss zeigte wenig Interesse an Aufklärung…“

Kein Wunder, Mitglieder dieser Parteien, der gehobenen Berliner Gesellschaft und damit auch der Justiz haben jahrelang von völlig risikofreien sogenannten Promifonds profitiert.  In Berlin wie überall im Lande findet seit Jahrzehnten eine gigantische Umverteilung von öffentlichen Geldern zu Privaten statt. Die Rendite den Millionären, die Risiken baden die Armen durch Abbau des Sozialstaates aus. Irgendwer muss die privaten Milliardengewinne ja finanzieren.

Kein Wunder, dass der EDV-Leiter der verantwortlichen Baugesellschaft in diesem Skandal, der mit den Behörden zusammenarbeitete, später erhängt aufgefunden wurde. Die Baugesellschaft hatte auf dubiosen Wegen Einsicht in die Ermittlungsakten und wusste Bescheid.

Selbstmord. Verfahren eingestellt

Die im Cum Ex-Skandal federführende Oberstaatsanwältin Brorhilker hat von den mafiösen Sumpf-Verhältnissen hierzulande so die Schnauze voll, dass sie ihren Beamtenjob hinschmeißt und zur NGO Finanzwende wechselt.

Für den Chef der Finanzwende Schick stellt die Frage, ob die Behörden hierzulande teilweise inkompetent, korrupt oder faul seien oder ob es womöglich politische Weisungen gegeben habe. Wie im Fall Hamburg, wo Kanzler Scholz ganz offensichtlich bis über beide Ohren in der Cum Ex-Scheiße steckt und die Justiz ein Totalausfall ist, obwohl diverse Bankendarin verwickelt sind.  Gleiches Muster in Stuttgart

Kein Wunder, man kennt sich, schätzt sich und läuft sich in der Hansestadt, wie überall, dauernd plaudernd und Sekt trinkend über den Weg, im Golfclub, beim Presseball, bei den Rotariern, bei Empfängen. Eine Hand wäscht die andere, Karrieren werden gegen Gefälligkeiten befördert, risikofreie Kredite, Darlehen, Anlagemöglichkeiten vermittelt, teuer bezahlte Vorträge, Beraterjobs und Karrieren jenseits der Beamtenlaufbahn werden beim Dinner in Sternerestaurants ausgehandelt.

Die Großen lässt man laufen, bis auf ein paar Alibitrottel wie den Cum Ex-Erfinder Hanno Berger, der es gar zu arg getrieben hat und jetzt im Knast sitzt. Der Mann war vor seiner Milliarden-Karriere als Krimineller leitender Regierungsdirektor in Hessen und ranghöchster Bankprüfer….

Die ausgleichende Gerechtigkeit findet bei den Kleinen statt. Zehntausende von Schwarzfahrerinnen und Ladendiebinnen, die oft aus purer Not handeln, sitzen wegen ein paar Euro im Knast.

Mich wundert nur eins: dass im Rahmen der überaus verdienstvollen Razzia am 1. Mai der geschätzten Kolleginnen vom S.E.K. (Spezial-Enteignungs-Kräfte) Grunewald in diesem Hotspot der Kriminalität keine Villen brennen werden.

22.04.2024 – Ein Sommermärchen!

Fight capitalism.

Die FDP droht mit dem Koalitionsaus, wenn SPD und Grüne eine Aufweichung der Schuldenbremse auf den Weg bringen. Das Muster dieser Erpressung lieferte das sogenannte Lambsdorff-Papier von 1982, das damals den Wechsel der FDP zur Kohl-CDU einleitete

Im Unterschied zu damals würde die FDP heute vermutlich und hoffentlich bei notwendigen Neuwahlen nach dem Koalitionsbruch aus dem Bundestag fliegen. Insofern ist die aktuelle FDP-Drohung eine mit Selbstmord, um dem Tod zu entgehen, und nur halbernst zu nehmen.

Der derzeitiger Wahltrend im Bund: Eine stabile Mehrheit für offen faschistische, reaktionäre, neoliberale, asoziale Positionen, vertreten von AfD, CDU, FDP, Freie Wähler, Sonstige. Rechnet man die nennenswerten Anteile bei SPD und Grünen dazu, die kein Interesse an einer teilhabeorientierten Sozialpolitik haben, und die immer mehr werdenden Nichtwählerinnen, denen entweder die AfD noch zu lasch ist oder die völlig desinteressiert an Demokratie und Zusammenhalt sind, dann kommt man auf eine gesellschaftliche Zweidrittel-Mehrheit für Positionen, die mit dem im Grundgesetz postulierten sozialen Rechtsstaat wenig zu tun haben.

Selbst wenn sich für den unwahrscheinlichen Fall von Neuwahlen noch einmal, zum letzten Mal?, eine halbwegs demokratische Koalition jenseits von AFD zusammenraufen würde, wäre das für Millionen in der Gesellschaft eine Bedrohung. Ein möglicher Kanzler Merz würde mit der Kettensäge an die Reste des Sozialstaates gehen. Und egal wie diese Koalition aussähe, es wäre eine von Losern, die der AfD enormen zusätzlichen Zulauf brächte.

Auf die danach folgenden Landtags- und Kommunalwahlen darf man gespannt sein. Wenn flächendeckend Mehrheiten ohne die AfD schwierig bis unmöglich werden, die Brandmauer gegen Rechts wackelt und die AfD den Preis dafür einfordert: zum Beispiel Mittelkürzungen für Flüchtlingsorganisationen, Frauenhäuser, soziokulturelle Zentren, NGOs, Staatstheater, Freie Kulturszenen, etc. pp. für die ganze Breite von Zivilgesellschaft und Kultur. Gleichzeitig dürften faschistische Übergriffe auf Kommunalpolitikerinnen derart zunehmen, dass kaum noch jemand Lust darauf hätte, sich diesen Knochenjob ehrenamtlich anzutun. Die schleichende Erosion geht in eine galoppierende über. Es werden noch Wetten angenommen, wie eine bereits jetzt diskutierte Agenda 2030 konkret aussehen wird.

Apropos (Fussball-)Wetten: Das Schlimmste was vor dem Hintergrund der hier skizzierten dystopischen Phantasien zeitnah passieren kann, wäre ein Sieg der Ostgoten bei der Leder-EM im Sommer. Eine schreckliche Vorstellung: Das nationale Sommermärchen wird wahr, ein Meer von schwanzrotgoldenen Fahnen, Schland-Rufe wie Donnerhall im ganzen Land, Millionen Menschen bejubeln die glorreichen Sieger beim Empfang am Brandenburger Tor. Und im September sind Landtagswahlen in der Ostzone ….

Wir erinnern uns: Nach dem WM-Sieg 1990 brannten Flüchtlingsunterkünfte. Ich habe schon lange nicht mehr gebetet, aber im Fall eine Sieges der Ostgoten werde ich das alte Gebet meiner Kindheit aktivieren: Komm, Frau Jesus, sei unser Gast, und zerstöre, was du uns bescheret hast. Und eine Kerze werde ich auch anzünden.

Vielleicht im Reichstag …

21.04.2024 – High sein, frei sein, keinesfalls dabei sein

BILD

High sein, frei sein, keinesfalls dabei sein! Das Berliner Bündnis Revolutionärer und Antisemitischer 1. Mai veröffentlichte am Freitag einen Demonstrationsaufruf, den jW hier dokumentiert.

Der Aufruf ist ein weiterer Beleg der Selbstdemontage der revolutionären, libertären, diversen, queeren, feministischen Linken. Nicht erst seit dem Überfall der faschistischen Terror-Organisation Hamas am 07.10.2024 auf Israel und der Ermordung, Vergewaltigung und Folterung von über 1000 Menschen tritt der tiefsitzende Antisemitismus dieser Fraktionen offener denn je zutage. Zitat aus dem Aufruf:

 „ Von der Ukraine, über den Jemen und Kongo, bis nach Kurdistan und Palästina – überall fallen Bomben auf Arbeiter:innen und ihre Kinder. Mit beschämender Selbstverständlichkeit sprechen israelische Offiziere von dem »Auslöschen von Tieren«, während die israelische Armee Krankenhäuser bombardiert und auf Menschenmengen schießt, die auf Hilfslieferungen warten. Rund 40.000 ermordete Palästinenser:innen stellen nicht zuletzt auch die Bundesregierung an den Pranger, welche die Waffenlieferungen an Israel erhöht und die Palästina-Solidarität hierzulande mit massiver Repression überzieht und Grundrechte wie die Versammlungsfreiheit einschränkt.“

Kein Wort vom barbarischen Auslöser des Gazakrieges, dem Überfall der Terror-Hamas. Stattdessen Solidarität mit diesen Faschisten. Das ist Geschichtsklitterung nach Art des Hauses Stalin.

Es steht zu befürchten, dass die israelische Armee im legitimen Akt der Notwehr Kriegsverbrechen begangen hat und begehen wird. Das ist zu verurteilen und wird Gegenstand von Ermittlungen in der einzigen Demokratie in dieser Region sein. Die Täter gehören nach den Maßstäben des Rechtsstaates verurteilt und landen hoffentlich ebenso hinter Gittern wie der Gauner Netanyahu und seine rechtsextremen Spießgesellen. Das wird die Demokratie Israel in einem zivilisatorischen Prozess klären, ohne dass ich oder andere unberufene Ostgoten ihren dümmlichen Germanensenf dazugeben. Festzuhalten bleibt: Israel ist eine Insel der Zivilisation in einem Meer von Barbarei ringsum. Die revolutionären, libertären, diversen, queeren, feministischen Aufruf-Avantgarden der Arbeiter*innenklasse sind gerne aufgerufen, revolutionäre, libertäre, diverse, queere, feministische internationale Brigaden zu bilden zur Aufklärung der Massen im Iran, Saudi-Arabien, Palästina, Libanon, Syrien etc. pp.

Die würden sich wundern, in wie kurzer Zeit sie von Baukränen baumeln würden.

Ich werde auf jeden Fall dabei sein am 1. Mai in Neukölln, um hoffentlich mitzuerleben, wie der Repressionsapparat diesen Aufruf-Mummenschanz in feuchtfröhlicher Reinigungsarbeit von der Straße kärchert und dabei lauthals skandieren: Deutsche Stalinisten, alles nur Faschisten. Ich hoffe nur, dass ich vom Wasser verschont bleibe. Schließlich will ich hinterher in irgendeiner schicken Bar im Bergmannkiez ein Glas Crémant erheben auf den Schwanengesang der stalinistischen Linken und die Hoffnung auf die Wiederkehr einer wirklich aufgeklärten, undogmatischen, zivilisatorischen Linken.

Randnotiz: Als Folge der uneingeschränkten Solidarität mit Israel (nicht: Mit dem Netanyahu Regime!) in diesem Blog sind die Visits hier seit Oktober um ca. 20 Prozent zurückgegangen. Da kann ich nur froh sein, dass ich hier noch keine Werbung geschaltet habe. Sie wissen ja, erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral.

 Jeder Krieg birgt in sich per se das Wesen des Verbrechens an der Menschheit, auch der legitime und ethisch gerechte, wie jener gegen Faschismus, siehe Hamas. Krieg ist immer das Versagen von Zivilisation.

17.04.2024 – Paradoxon

Bahnhof Bunyola, Mallorca.

Eine der großen Paradoxien der Postmoderne: Wegfahren, um zu sich selbst zu finden. Also im Urlaub, fern der Heimat, soviel Distanz vom Alltag zu gewinnen, um Klarheit zu bekommen. Das ist sicher nicht das Ziel aller Reisenden, aber von vielen.

Wer sich allerdings die Ausstattung gigantischer Wohnmobile anschaut, mit TV-Schüsseln zur Heimat ausgerichtet und Wohnzimmer, Schlafzimmer, Küche, Bad von Zuhause kurz auf vier Räder gebockt, mit Motorroller hinten dran, weiß, dass die Insassen wenig mehr fürchten als die Distanz zur Heimat und zum Ich.

Und für alle touristischen Spots, die ich kennengelernt habe, gilt:

 Mittendrin Gedränge, mit Shops, Schnitzel, Pizza, Bier und Glas Wein für 10 Euro.

Zwei Gassen weiter: Niemand. Ruhe. Glas Wein für 2,50 Euro.

Wie hier in Valldemossa, wohin es Myriaden zieht, auf den Spuren von George Sand und Frédéric Chopin, die sich dort einen Winter lang den ungeheizten Arsch abfroren.

Und überall zunehmend Musik, man wird zugedudelt ohne Pause. Ein Restaurant kann so verlockend sein, wie es will, wenn ich da Dudelmusik, oft laut, höre, bin ich sofort wieder draußen. Chopin geht gerade noch, aber der wird in Valldemossa auch aus allen Boxen gedudelt

Haben Menschen mit zunehmenden Krisen wachsende Beklemmung, zu verweilen und in sich zu schauen, in der Angst, in einen Abgrund, von Leere, Sinnlosigkeit oder was auch immer da lauern möge, zu sehen?

Die Branche „Bekämpfung von Angst, Leere, Sinnlosigkeit, Was auch immer … “ boomt jedenfalls, von Literatur, Workshops über Psychopharmaka bis Alkohol und Drogen. Kein Wunder, dass ab 01.04 Narrenfreiheit in allen Tüten herrscht.

Wenn ich mehr Zeit und Zynismus hätte, würde ich mir in der Boom-Branche eine goldene Nase verdienen.

So aber wartete ich oben auf dem Bahnsteig von Bunyola auf den Zug aus Laramie, in dem die vier Revolverhelden sitzen würden, bereit zum Shootout.

Ich höre schon das langgezogene Tuten und Pfeifen der Dampflok hinter der Kurve ….

15.04.2024 – Er war cool.

Tramuntana.

Der Tipp kam während einer Bergwanderung in der Tramuntana von zwei Leuten, die gerade aus einem terrassierten Olivenhain kraxelten und talwärts davon stiefelten. Auf der Terrasse gäbe es frischen O-Saft, für drei Euro. In dieser Gegend so wahrscheinlich wie der Angriff eines Bären, zumal kein Schild oder Aushang irgendwo darauf hingewiesen hatte. Aber es stimmte. Die Terrasse war das paradiesische Anwesen eines Hippies, überaus geschmackvoll und individuell gestaltet, wie im Beispiel seines Balkons oben, aus lauter leeren Weinflaschen. Mit einer grandiosen Aussicht. Der Hippie lächelte unsere kleine Dreiermarschkolonne freundlich an. Er wolle jetzt ins Tal und würde keinen Saft mehr pressen, aber wir könnten sitzen bleiben, solange wir wollten, uns von den Orangen im Korb bedienen und auf dem Tisch das hinterlassen, was es uns wert gewesen sei. Dann trollte er sich mit seinem Hund.

Ich schaute mir sein kleines Häuschen durch die Glastür näher an, das Innere komplett ausgefüllt mit Schlagzeug und Marshallboxen. Whow, dachte ich, der muss die Musik ja lieben, das ganze Haus nur für Musik. Und ließ meinen Blick schweifen. Unter Olivenbäumen ein Bett und ein Mountainbike. Und zwei Terrassen darüber ein stattliches Haus, Home of the Hippie, in der klassischen Bauweise der Insel mit Steinen und Lehm. Das kleine Häuschen mit den Musikinstrumenten war offensichtlich nur der Übungsraum.

Ich fragte mich, wie haben die bloß das Material für den Bau dieser Terrasse und der Häuser transportiert, mit Eseln? Hier gibt es keine Straßen oder auch nur asphaltierte Wege. Und was macht der mit seinem MTB hier? Hier kann man nicht Radeln. Oder? Und welche Musik macht er? Und überhaupt.

Auf dem mitunter doch steilen und kraxeligen Abstieg ans Meer machte ich mir Gedanken. Was anderes sollte man bei sowas auch nicht machen, außer Aufpassen auf die Holprigkeiten und Unebenheiten der Wackersteine und Felsbrocken. Ein schöneres Beispiel über den Umgang mit Natur wie eben konnte es kaum geben. Außer natürlich sie in Ruhe zu lassen. Aber das Verhältnis von Natur und Mensch ist vom Beginn der Entwicklung der Hominiden vor vielen Hunderttausend Jahren ein Herrschaftsverhältnis. Scheiße gelaufen, dieser Prozess, wenn man sich den Zustand des Planeten anguckt, ist aber Fakt. In der Bibel als Mischung von kategorischem Imperativ und Realitätsbeschreibung auf einen Punkt gebracht mit: „Macht euch die Erde untertan und herrschet über die Fische des Meeres, die Vögel des Himmels, über das Vieh und alles Getier…“

Präziser, weil hier die Kategorie „Reichtum“ als Ziel aller Gier im Kapitalismus benannt wird, heißt es bei Marx: „ … Die Arbeit ist nicht die Quelle alles Reichtums. Die Natur ist ebenso die Quelle der Gebrauchswerte (und aus solchen besteht doch wohl der sachliche Reichtum!) als die Arbeit, die selbst nur die Äußerung einer Naturkraft ist, der menschlichen Arbeitskraft … “

Durch Arbeit in und an der Natur ist der Mensch erst Mensch geworden. Indem er Kommunikation, Sprache, Intelligenz und Werkzeuge entwickelte. Werkzeuge zum Bauen von Hippiehäusern, aber auch zum Vernichten von Natur, und in Form von Waffen zum Töten.

Eine besonders perverse Art der Auseinandersetzung mit der Natur durch Waffen fand im ersten Weltkrieg in den Bergen statt, im Gebirgskrieg zwischen Österreich-Ungarn und Italien. Auf teilweise über 3.000 Meter Höhe bekämpften sich in den Dolomiten ganze Divisionen Gebirgsjäger, Alpinisten, Soldaten mit allem, was die Technologie hergab. Dabei wurde u. a. mit tonnenweisem Sprengstoff ein ganzer Berggipfel des Col di Lana in 2.600 Meter Höhe weggesprengt. Durch Naturgewalten kamen ingesamt über 100.000 Menschen um, davon allein die Hälfte durch Lawinen, die teilweise durch Sprengungen aufgelöst wurden.

Schweißgebadet kam ich unten am Meer an. Nicht wegen der Gedanken. Göttin bewahre. Mit dem fatalen Ausgang des Konfliktes Mensch vs. Natur habe ich schon lange meinen inneren Frieden gemacht. Nein, über 6 Stunden Bergewanderung waren auch ohne Sprengungen und Artilleriefeuer schweißtreibend. Es herrschte Saharahitze, über 30 Grad, selbst in den Bergen. Ungewöhnlich.

Wie so vieles in letzter Zeit

10.04.2024 – Peace

Jeder Monat ein neuer Temperaturrekord. Für Februar und März sehr angenehm und spart Heizkosten. Aber was ist, wenn im Juli und August drei Grad über dem langjährigen Mittel herrschen? Urlaub im Süden dürfte dann lebensgefährlich sein . Ökonomisch ein gigantisches Konversionsprogramm, wenn die ganze Urlaubs-Infrastruktur hier umgebaut werden muss. Und nach Norden verlagert. Zig Millionen Urlauber-Heuschreckenschwärme, die in Arendshoop und auf Sylt einfallen. Herrliches Thema für SciFi Film…

08.04.2024 – Garten Eden

Das Tal von Soller.

Das Tal wird auch das „Goldene Tal “ genannt. Wenn es einen Garten Eden gäbe, sähe er wohl so ähnlich aus. Den Garten Eden, das Paradies oder den Himmel als Orte ewigen Glücks in einer anderen Welt gibt es nur als Sehnsuchts-Imagination. Die Kunst ist, einen Zipfel vom Paradies auf Erden zu erhaschen. Aber die Sehnsucht nach einer Welt jenseits des Alltags, des grauen Horizontes der Realität ist eine der stärksten und die Tatsache, dass die Welt so deformiert ist, wie sie ist, zeigt, wie deformiert und verschüttet diese Sehnsüchte sind.

04.04.2024 – Cannabis Pro und Dafür

Gesehen an einer Kneipe in Hannover-Linden. Vom soziologischen Typus her eine der letzten zwei Kneipen in diesem Kiez, in der eher Angehörige des Prekariats verkehren. Es gibt in diesem ehemaligen Arbeiterviertel noch eine Kneipe, die man früher Arbeiterkneipe genannt hat. Sonst nur unzählige Szenekneipen.

Vor vielen Jahren gab es hier auch noch eine Kneipe, eher Restaurant, des gehobenen hiesigen Bürgertums: Der Ratskeller. Die Kellner trugen Westen und typische Speise war der Filettopf mit Rahmchampignons. Typische Speise in den damals ungezählten Arbeiterkneipen hier, Treffpunkte des Facharbeiteradels der SPD-Ortsvereine und Gewerkschaftskungelrunden: Bauernfrühstück.  In den Kneipen des Prekariats, Marx hätte gesagt: klassenloses Lumpenproletariat, gab es keine Speisen, und Formen organisierter Kollektivität fanden hier nicht statt. Auf meinen früheren sozioethnologischen Exkursionen durch die hiesige Kneipenlandschaft stand mein Urteil nach nur einem Rundblick auf Interieur und Personal fest, im Falle der Prekariatskneipen lautete es stets: Danach kommt nur noch die Parkbank.

Tatsächlich trinkt im Freien, im Umfeld von Kiosken, Büdchen, Spätis, mittlerweile auch Supermärkten, wer sich Kneipen nicht mehr leisten kann. Oder noch nicht, wie die Myriaden unzähliger Studis, die hier schlimmer als Heuschrecken einfallen, zum nächtlichen Vorglühen die Kioske auf dem hiesigen Boulevard leer saufen und Hauseingänge vollpissen. Dann gibt es Outdoor noch gemischte Säufer/Kifferszenen, die sich eher halböffentlich aufhalten, wo Sträucher etc. Sicht und polizeiliche Kontrolle verdecken. Und die Elendsszenen, mit immer mehr Abhängigen harter Drogen, obdachlos in Zelten, oft in der Nähe von Orten, wo Beratung, Betreuung und Substitution stattfindet.

Früher waren Kneipen und Orte informeller kollektiver Treffen (z. B. Arbeitslose in der Schlange vor dem Arbeitsamt) auch Möglichkeiten und Ausgangspunkte politischer Organisation und Gegenwehr. Nicht umsonst waren sie in totalitären Systemen (nicht nur da) Ziel geheimdienstlicher Kontrolle, als Seismographen der Stimmung im Volk. Mit dem Verschwinden der hier genannten Orte, und dem massenhaften Aufkommen von Prekarität und öffentlichem Elend, geht einher auch das Verglimmen von Diversität kollektiver und damit politischer Organisation. Mit der Konsequenz einer grundlegenden Veränderung der psychosozialen Verfasstheit von Individualität. Brutalität statt Solidarität.

Nicht zu vergessen in dieser Aufzählung natürlich Treffpunkte jenseits der Heteronormativität wie das hiesige „Barkarole“, heute eine „Schlagerkneipe“.

Angesichts dieses kurzen, unvollständigen Trips in die Kneipenkulturgeschichte halte ich die These für gewagt, dass unsere Gesellschaft immer diverser geworden sei. Ich glaube, ihre vereinzelten Mitglieder krakeelen nur lauter rum und die Tatsache, dass alle auf allen Kanälen blöken „Ich bin aber anders als alle anderen“ ist eher der Beweis für das Gegenteil.

Demnächst ist mal wieder ein Kneipenbesuch fällig. Siehe oben, sozioethnologische Exkursion. Früher nannte man das Zechgelage.