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16.05.2025 – Hermetische Zirkel

Liege hier am Strand von Mathraki, Diapontische Inselgruppe. Nordwestlichstes Griechenland .

Die Inseln sind so einsam, dass noch Wracks von gestrandeten Holzschiffen am Strand verrotten. Aber irgendwo muss auch ein Militärstützpunkt sein. Auf der Fähre verstauten drei Soldaten jede Menge Proviant. Ob die wackeren Krieger Ausschau halten gen Italien, falls der freche Italiener mit seiner Armada naht und sich diesen Teil Ioniens unter den Nagel reißt, wie weiland die Republik Venedig vor 500 Jahren? Geschadet hat es der Gegend hier nicht, Musik, Kultur, Essen, all das ist italienisch beeinflusst und die Millionen Ölbäume, die die Italiener durch Prämienangebote hier pflanzen ließen, machen die Gegend auch bei Sonne zu einer feinen Wanderzone. Besetzungen ganz anderer Art bringt die Neuzeit mit sich.

Colibri Farm, riesiges Hippie Areal nahe Arillas im Nordwesten Korfus, in dem jedes Jahr ein Festival stattfindet, mit allem üblichen esoterischen Gedöns. Die unbeschwerte (Spät-) Jugend der wohlsituierten Mittelschichten der Welt fällt dann hier ein. Hermetisch abgeschottet vom Rest der Gegend durch riesige Zäune, Kameras an allen Ecken, Privat!“-Warnschilder und Zugang nur über Zahlencodes an den Türen.

Das erinnert nicht an, das ist das gleiche Prinzip wie das der Gated Communities in Friedrichshain beispielsweise, wo noch zusätzlich Schranken und Wachpersonal den Mob auf Distanz halten. Eine Öffentlichkeit im bürgerlichen Sinne einer Demokratie findet nicht mehr statt und leistet deren zunehmendem Verfall, wie zu sehen, weiteren Vorschub. Die Existenz von immer mehr hermetischen Zirkeln ist ein antidemokratisches Krebsübel unserer Zeit. Siehe auch Tech Milliardäre in USA. Für das offene, obszöne Treiben der Klasse der Superreichen gerade am Kabinettstisch ihres Oberclowns kann man im Sinne des Klassenkampfes nur dankbar sein, führt es doch auch dem Dümmsten drastisch vor Augen, was das Wesen des Kapitalismus ist: Nicht Wohlstand für alle, wie der hiesige, wenigstens noch demokratische, Oberclown in seiner letzten Büttenrede, genannt Regierungserklärung, ins immer weniger geneigte Volk scherzte, sondern Schamlosigkeit. In Ausplünderung, hysterischem Geblöke auf allen Kanälen und überhaupt…

13.05.2025 – Verteilungskämpfe

Blauer als die Adria

war Willy als er Lilly sah.

Gedicht aus einem Heinz Erhardt Film . Fällt mir jedesmal ein, wenn ich aufs Meer schaue.

Korfu, im Nordwesten. Der soll eine Gegend für Individualtouristen sein. Steht im Reiseführer. Wenn sowas erst im Reiseführer steht, ist die Gegend Ruckzuck gerammelt voll. Am vollsten sind die Plätze unter der Überschrift „Geheimtipps!“. Wobei Reiseführer ein aussterbendes Genre sein dürften in Zeiten von Insta. Es geht ja auch nicht mehr um Sterne der Hotels und Unterkünfte, sondern deren Bewertungen bei Booking.com , TripAdvisor etc. Zur Zeit ist es hier angenehm leer.

Die Sonne scheint, der Himmel lacht

Das hat die SED gemacht.

Scherz zu DDR-Zeiten. Das Wasser ist herrlich hier, warm, ca. 20 Grad. Viel zu warm für diese Jahreszeit. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Tornados hier regelmäßig auftauchen. Ich glaube, ab 27 Grad Wassertemperatur über längere Zeiträume. Bin aber zu faul zum googeln. Die ohnehin schmalen Strände verschwinden hier langsam. Was von Kulturkämpfen zu den härtesten aller Kämpfen führt: Verteilungskämpfe.

Das Schild hing vor zwei Jahren noch nicht. Oberhalb der Klippen hat sich eine Art Hippiecamp mit angeschlossenem Sommerfestival etabliert. Der Hippie als solcher tritt gerne nackt in Erscheinung, jedenfalls am Meer. Die Normalotouris werden immer mehr, sind eher nicht FKK-affin, der normale Grieche als solcher schon garnicht. Und wenn er streng gläubig ist, orthodox, hasst er die Nackerten wie die Sünde, Sodom und Gomorrha, und hat die früher schon mal mit Steinen beworfen. Kulturkämpfe eben . Wobei ich über die Leute, Hippies etc., den Kopf schüttele. Ein derartiges Verhalten, zwanghaft seinem Lurch im grossen Tümpel die weite Welt zu zeigen, empfinde ich als Kulturimperialismus.

Da die Strände hier und überall auf der Welt immer kleiner werden, arten die Kulturkämpfe in Verteilungskämpfe aus. Die Fraktion der Liegestuhl Touristen braucht mehr Platz, kollidiert mit den Hippies, will sich das Geschäft nicht verderben lassen und bringt jetzt, nach Jahrzehnten, den Staat mit Erlassen und Schildern in Stellung. Siehe oben. Der Hippie mietet eben keine Liegestühle und mampft keine Hamburger von der Strandbar, der mümmelt sein mitgebrachtes Müsli, alles schlecht fürs Geschäft, so wie sein störender Anblick. Der ist ja fast so geschäftsschädigend wie ein Bus voller Behinderter.

Die Schilder strahlen nicht lange in der Sonne. Der Hippie, rebellisch wie er nun mal ist, überschmiert die regelmäßig mit Lehm. Den gips hier am Strand, mit dem schmiert sich der Hippie gerne ein und vollführt schamanische Tänze. Ein erhabene Anblick, bei dem mir meist blümerant wird. In Verteilungskämpfen bin ich natürlich auf der Seite der Anti-Staatler und so tue ich das, was ich in reinen Kulturkämpfen nicht machen würde: Ich zeige meinem Lurch im großen Tümpel die weite Welt. Aber erstmal ne Runde wandern, in die Berge, auch wenn Lurchi schon quengelt.

09.05.2025 – Habemus Blablam

Das ist mit Abstand die perverseste Postkarte, die mir je unter die Augen kam.
Als der neue Papst gestern auf den Balkon trat, dachte ich spontan: Das ist die Reinkarnation von Louis de Funès , ein französischer Filmkomiker, Hochzeit in den 60ern. Seine Filme waren so unfassbar dämlich, dass sie auf einer Metaebene zum Brüllen komisch waren. Im Gegensatz zu Chaplin, Buster Keaton oder Laurel und Hardy, deren mitunter bittere Komik aus Konflikten mit einem übermächtigen, bedrohlichen (kapitalistischen) System entsprang, war Funès eine heitere Flachfigur, an deren individuellem Scheitern man sich ergötzen wollte. Wenn man denn auf groteskem, hysterischem Grimassieren und Gestikulieren stand.
Und so hatte ich also beim Erscheinen des Bürger Prevost, vereinsintern Leo XIV genannt, eine Epiphanie. Nämlich dergestalt, dass nicht des Geist des HERRN/ der FRAU in ihn gesaust sei, wie es die Angehörigen seiner Skurrilsekte glauben, sondern der Geist von Louis de Funès. Und er nun in seiner Ansprache in ein groteskes, hysterisches Grimassieren und Gestikulieren verfiele wie weiland der Verblichene.

War aber nicht. Er verfiel nur in ein für Atheisten schwer verständliches Blabla, wirkte dabei aber nicht unsympathisch. Anders als beim deutschen Papst Ratzinger damals, bei dessen Anblick mir sofort der Gedanke durch das Hirn schoss: Das ist ein böser Mensch. Ich würde nur zu gerne wissen, warum der Mann zurückgetreten ist. Offizieller Grund: Schlaflosigkeit. Rücktritt wegen mangelndem Bubu? Er lebte nach seinem Rücktritt noch fast 10 Jahre ….
Es ging wohl eher um die Vatileaks Affäre, in der es um homosexuelle Netzwerke im Vatikan ging, verbunden mit Erpressungen und illegalen Geldflüßen. In den Dokumenten sollen auch explizite Namen genannt werden. In wieweit Bürger Ratzinger darunter ist, ist mir nicht bekannt. Ist mir auch Wumpe, die können privat machen, was sie wollen, solange sie in weltlichen Dingen die Schnauze halten und anderen Leuten nicht irgendeine abgeranzte Moral predigen
Ich bin Atheist, Gottseidank, und versuchte mir einen Reim auf Bürger Prevost Ausführungen zu machen. Es gelang mir nicht und ich war dann eher fasziniert von den offensichtlichen körperlichen Reaktionen der zigtausenden Abergläubigen, die auf dem Petersplatz ihrer Erlösung harrten. Tränen, Verzückung, Entrückung, die ganze Klaviatur dessen, was demokratischen Figuren abgeht. Tränen, Verzückung, Entrückung bei einer Ansprache von Olaf Scholz habe ich zumindest noch nicht erlebt.
Ich halte diese Art von Emotionen, die an die Ebene der Metaphysik geknüpft sind, für brandgefährlich. Auf dem Petersplatz mag das drollig wirken. Aber lassen Sie auf dem Balkon nicht die Reinkarnation von Louis de Funès stehe, sondern die von Benito Mussolini, dann werden Sie verstehen, was ich meine. Im Krieg in der Ukraine mobilisieren und faszinieren bereits jetzt die orthodoxen Popen auf beiden Seiten die Massen in den Krieg, ins Durchhalten, sich gegenseitig verfluchend und hassend.
Ich schaue mir jetzt den Louis de Funès Film „Louis und seine außerirdischen Kohlköpfe“ an , in dem er durch seine Blähungen Außerirdische alarmiert, die daraufhin auf de Erde landen.

07.05.2025 – Feinfühlige Fallbeile

Zwei Bände „Best of Western“, für 1 Euro. „Blutspur nach Laramie“ und „Aufgebot des Bösen“. Von mir leicht angepasst an die Realität von 2025, featuring Lars Fallbeil, der neue Vizekanzler. Das Werk gibt es als Hauptgewinn bei meinem beliebten (jedenfalls bei mir) Quiz im Rahmen eines Auftritts bei einer Organisation, die der SPD nicht ganz fremd gegenüber steht. Nein, es ist nicht der Vatikan, auch wenn innerorganisatorische Willensbildung und Entscheidungsprozesse da ähnlich dubios top down ablaufen. Die Parallelen zwischen Vatikan und SPD sind ebenso erstaunlich wie offensichtlich: Irgendein „Basta“ Pontifex gibt den Kurs vor, und die Herde folgt willig. Es sei denn, sie ist schon ausgetreten, fluchtartig, in Massen. Der päpstliche Unfehlbarkeitsanspruch bei der SPD lautet: Wer bei mir Führung bestellt, bekommt sie auch. Der Verkünder dieser frohen Botschaft, die hanseatische Führer-Frohnatur Olaf Scholz, hatte nur vergessen, zu erwähnen, wohin die geführte Reise geht. Schnurstracks in den Abgrund nämlich, vor dessen Abbruchkante ein riesiges Schild steht: „Achtung! Freier Fall! 5 Prozent!“.
Bisher hatte ich gedacht, Scholz und Agenda-Schröder wären die Sargnägel der einst stolzen Arbeiterpartei SPD. So kann man sich täuschen. Mittlerweile werden die Nägel größer als der Restsarg. Genau 1,96 Meter groß. Einen Namen hat der Nagel auch: Lars Klingbeil, der mächtigste Mann in der SPD. Der Mann, der die Wahlkatastrophe der SPD im Februar mitzuverantworten hat, hat sich selbst befördert zum Vizekanzler und Finanzminister und bleibt Parteivorsitzender. Sowas nennt man Putsch. Früher wurden Putschisten erschossen. Heute tauchen sie jeden zweiten Tag in einer Talkshow auf. Diesen Prozess nennt man Zivilisation.
Lars Klingbeil, Wahldebakel-Verantwortlicher, ist also Vizekanzler, Finanzminister und Parteivorsitzender. Das ist so, als würde ein Autofahrer seinen Kleinbus mit ein paar Insassen, mehr ist es bei der SPD ja nicht mittlerweile, total besoffen, orientierungslos mit ausgeschaltetem Navi, durch die Gegend kutschieren und gegen einen Baum donnern. Totalschaden. Für den er seine Beifahrerin verantwortlich macht und ihr den Führerschein abknöpft. Seine Mitfahrer lässt er im Regen stehen und ruft sich eine Stretchlimousine als Taxi. Die Rechnung geht an die Mitfahrer. Er selber lässt sich am nächsten Tag zum Autofahrer des Jahres ausrufen.
Wenn der Musikwunsch von Olaf Scholz zum Zapfenstreich passt, dann auf die Leistung von Lars Fallbeil: Respect. Sowas muss man erstmal bringen.
Falls Sie jetzt Klarheit und Fröhlichkeit für Ihr Gemüt brauchen, und die werden Sie für die Schlusspointe brauchen, hier der zweite Musikwunsch von Scholz, das zweite Brandenburgische Konzert. .
Schlusspointe, ein absoluter Brüller. Quizfrage: Welchen überaus berühmten Orden besitzt Lars Fallbeil? Den Orden „Wider den tierischen Ernst“. Begründung: „… Er verstehe Politik als Service an den Menschen. Um seine Argumente zu vertreten, setze er auf Feinfühligkeit…“
Das werden Saskia Esken und seine Mitfahrer blind unterschreiben.
Wenn es sowas wie Bach nicht gäbe, würde ich mich erschießen.
Oder in Urlaub fahren. Tschüssikowski.

Respect ist natürlich nicht von Aretha Franklin, sondern vom Soulgott Otis Redding. HIer beim Monterey Festival kurz vor seinem Tod. Als ob man von einer Lokomitve überrollt würde

05.05.2025 – Helm auf zum Gebet

Wem gehört Deutschland? Blick von der Spree aus auf das Haus der Kulturen der Welt, HKW.
Ich bin nicht sehr weitgereist, was ich durchaus als Mangel empfinde, denn wie will man die Welt verstehen, ohne die Welt zu kennen. Berlin schafft da Abhilfe, denn dass die Welt nach Berlin kommt, ist eine Binse. Orte wie das Haus der Kulturen der Welt HKW sind symbolträchtige – und in diesem konkreten Fall durchaus magische – Träger von globalem Austausch, interkultureller Kommunikation und Begegnungen, vor allem mit außereuropäischen Positionen. Da das HKW in Trägerschaft des Bundes ist, wie unter anderem der Gropiusbau, um die Bundesrepublik der Welt zu präsentieren, ist hier an Geld kein Mangel, was sich unter anderem an den günstigen Eintrittspreisen, brillanten Ausstellungen und Projekten und offensichtlich höchstkompetetem Personal ablesen lässt.
Es bleibt abzuwarten, inwieweit der langsam sich in Konturen abzeichnende scharfe Rechtsschwenk in der deutschen Politik nach den Wahlen, und hier vor allem in der Kulturpolitik, in Konflikte mit der chronisch linksalternativen Kulturszene der Hauptstadt gerät. Einen Vorgeschmack gab es schon in der Person des Berliner CDU-Kultursenators Joe Chialo, der die brutalen Kultur-Kürzungsvorgaben des Senats ohne mit der Wimper zu zucken exekutierte, in der Hoffnung auf das Amt des Kulturstaatsministers in der neuen Bundesregierung. Die wollte aber lieber gleich einen beinharten Rechtsradikalen wie den Kreuzritter Weimer und nicht so einen windelweichen Hauptstadt-Liberalen.
Chialo wurde in den letzten zwei Jahren in Berlin angefeindet, angepöbelt und persönlich angegangen, indem sein Haus beschmiert wurde, augenscheinlich von der starken antisemitischen Fraktion der hiesigen (Un-) Kulturszene.
Kreuzritter Weimer kann sich für seine Auftritte in der Berliner Kulturszene schon mal warm anziehen, da geht’s ganz anders zu als am heimischen Tegernsee, wo die vorherrschende Dienstkleidung der Trachtenjanker und das Dirndl ist. Seine Vorgängerin Claudia Roth hingegen tummelte sich hier als ehemalige autonome Ton-Steine-Scherben Managerin im juste milieu, für sie waren Auftritte hier meist ein wohliges Heimspiel. Sie war zwar die inkompetenteste und am meisten überforderte Kultur-Beauftragte des Bundes aller Zeiten, ersetzte Mangel an Kompetenz aber durch Engagement und ließ die Ihren aus der Prenzlberger Crémant-Kulturschickeria nicht darben.
Da wird der hart rechte Wind of Change aus der Weimer-Ecke diesem Milieu eiskalt entgegen pfeifen, sowohl Etatkürzungsmässig als auch von der Ausrichtung her. Wer sich jetzt mit seinen Förderanträgen nicht blitzschnell umorientiert, kann vor allem in der Freien Szene ruckzuck zum nächsten 31.12 seinen und ihren Laden dicht machen. Nichts mehr mit dem üblichen Antragslyrikgeschwafel wie „Intersektionalität, Dekolonisation, Diversität, LGBTQ etc. pp. blablabla“. Jetzt heißt es, Segel setzen in Richtung „Heimat, Familie, Nation, Ehre, Vaterland, Blut und Boden.“ Ok, das war jetzt ein bisschen over the top, aber die Richtung dürfte jetzt auch dem dümmsten antisemitischen Kulturradikalinski klar sein. Ob Förderanträge zukünftig zwingend ein Bekenntnis zum Existenzrecht des Staates Israel beinhalten müssen, weiß ich nicht. Begrüßen würde ich es auf jeden Fall.
Fazit: Der Rechtsruck in Gesellschaft und Staat mäandert langsam in alle Ebenen, von der institutionell-ministeriellen bis hin in die Subkultur. Wie letztere damit umgeht, bleibt abzuwarten und spannend. Langweilig wird es in Berlin halt nie. Und Weimer sollte sich für seine Auftritte in Berlin schon mal einen Helm aufsetzen. Aber das ist ja für Kreuzritter nichts Ungewohntes.

04.05.2025 – Christliches

Statue der Giordano Bruno-Stiftung beim Kirchentag in Hannover. Mittlerweile hat sich die evangelische Kirche von Luthers Antisemitismus distanziert. Ob die katholische Kirche sich mittlerweile von Hexenverbrennungen distanziert hat, entzieht sich meiner Kenntnis.
Interessant ist vielmehr die Frage, was passiert nach dem 6. Mai, wenn „wir“ einen Kanzler haben werden, dessen Partei das „C“ für „Christlich“ im Namen trägt. Erstmal kommt der 8. Mai, der 80. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus. Und dann geht es in die ersten 100 Tage einer Kanzlerschaft. Ist eigentlich schon ein Feuilletonschreiber auf die Idee gekommen, Parallelen zwischen den zu erwartenden 100 Tagen dieser Kanzlerschaft zu ziehen und den „100 Tagen von Sodom“, dem Werk von de Sade und Film von Pasolini? Beide Werke kann man jenseits ihrer sexualpathologischen Oberfläche auch als Auseinandersetzung mit absoluter, autoritärer Herrschaft lesen, dem Heraufdämmern einer gesellschaftlichen Apokalypse. Pasolinis Film spielt im Jahr 1944, hier ist die Parallelität zum Faschismus offensichtlich. Ganz so dicke wird es unter Fritze Tünkram nicht kommen, aber das Heraufdämmern von etwas Drohenderem als es eine Christlich/Sozialdemokratische Regierung ist, darf das geneigte Publikum schon erwarten.
Alle Projekte, die diese Regierung angehen will, stehen explizit unter „Finanzierungsvorbehalt“. Das ist das Schlüsselwort in der Koalitionsvereinbarung. Deren ausufernder Umfang nur eins klar macht: Beide Partner trauen sich keinen Millimeter über den Weg, kriegen sich jetzt schon die Flicken über jedes Projekt und haben in den Papieren ihre Planungsabteilungen bereits jetzt detaillierte „Exit“-Strategien liegen, wie sie am besten rauskommen aus einer Koalition, die ihren allmählichen Untergang einläutet. Bei den kürzlichen Nachwahlen in England trat das ein, was den Sozis und den Christlichen hier drohen wird : Desaströse Ergebnisse für die demokratischen Parteien, strahlender Sieger die Antidemokraten.
Logisch, dass die Christlichen Angst davor haben, von den wahren Faschisten, echt nur mit dem AfD-Siegel, überrannt und zermahlen zu werden. In anderen Ländern Europas gibt’s schon gar keine Christlichen mehr. Also schickt die CDU Kreuzritter an die bröckelnde Front, wie den Don Quijote vom Tegernsee, Wolfgang Weimer, als nächsten Kultur(!)minister, der gerne von Europa schwadroniert, als „ ….die biologische Selbstaufgabe« eines Kontinents, der es versäumt habe, »die Fortdauer der eigenen Familie, des eigenen Blutes, der Sippe, des Stammes, der Nation, der Kultur, der Zivilisation« zu bewahren.“

Adolf Nazi hätte es auch nicht schöner sagen können.
Wird den Christlichen nix nutzen. Erstens hasst der Mob solche Elitenheinis und zweitens wählt er lieber das Original, Anstreicher-Proleten wie Chrupalla.
Soweit das heutige Wort zum Sonntag und für die Älteren noch ein Witz aus meinem Witze-Verleih. Ich bitte um gefl. Rücksendung nach Gebrauch mit der Überweisung einer kleinen Spende. Hier der Leih-Witz:

„Herr Doktor, wird mir die Fangopackung denn helfen?“ – „Nein, aber Sie gewöhnen sich schon mal an das Gefühl von feuchter Erde“

03.05.2025 – Vorsicht Stufe

Humboldt-Universität, Berlin, Unter den Linden. Die 11. These über Feuerbach, in deren Gesamtfassung Marx den deutschen Idealismus vom Kopf auf die materialistischen Füße stellt . Es kommt eben auf die Praxis an und nicht auf das Wollen und Denken. Bemerkenswert allerdings in der ehrwürdigen Alma Mater (= nährende Mutter) fand ich die Tatsache, dass auf jeder Stufe „Vorsicht Stufe“ steht. Eine feine und von den damaligen DDR Behörden sicher nicht beabsichtigte Ironie: Das Wesen der Dialektik im Weg zur Erkenntnis liegt in drei Stufen: These, Antithese, Synthese. Man könnte also auch Schilder aufstellen mit der Aufschrift: Vorsicht Erkenntnis.
Und warum um Engels Willen ist da auf jeder Stufe ein Schild? Hätte nicht auch jede zweite gereicht? Oder, ganz kühn, unten nur eines? Liegt in diesem Schilder-Exzess vielleicht das Wesen des Scheiterns des DDR-Sozialismus, in der überfürsorglichen, allnährenden und den Individuen nichts zutrauenden, noch nicht einmal die Freiheit, Rolle des Staates?
Asche der Geschichte. Die DDR konnte damals gar nicht anders handeln. Die Mehrheit der DDR-Bevölkerung war nach dem Krieg immer noch komplett mit faschistischem Gedankengut und Ideologie verseucht, bis ins Mark antibolschewistisch infiziert. Wer an Details über den Nachkriegsalltag und das Denken und Fühlen der Menschen in der sowjetischen Besatzungszone interessiert ist, sollte sich den faszinierenden DLF-Podcast anhören über Viktor Klemperers Tagebücher . In seinen Tagebüchern beschreibt Victor Klemperer, wie er die großen Umbrüche erlebt – von der Weimarer Republik über die Nazi-Zeit bis zum ersten Jahrzehnt der DDR. Was seine Aufzeichnungen bis heute so spannend macht: Geschichte wird nicht von ihrem Ende her bewertet, sondern fortlaufend notiert.
Viktor Klemperer war nach dem ersten Weltkrieg Angehöriger des nationalkonservativen, akademischen, jüdischen Bürgertums, überlebte die Nazi-Diktatur nur knapp, weil seine nichtjüdische Frau zu ihm hielt und sich nicht scheiden ließ. Als Humanist reinsten Wassers und Intellektueller blieb ihm im Gang der Geschichte nach der Befreiung vom Faschismus durch die Sowjets nur eine ethische Wahl im „Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus“: Der Sozialismus. Bei allen Konflikten und negativen Entwicklungen blieb er parteiisch bis zum Lebensende. Wie er im Detail den immer noch vorhandenen alltäglichen Antisemitismus beschreibt, die „Russen“feindlichkeit, die Engpässe, den verlorenen materiellen Wettlauf mit den Westzonen, all das lässt nur den deprimierenden Schluss zu: Um die DDR, den Sozialismus, den Antifaschismus auf deutschem Boden am Leben zu erhalten, war mit dieser in großen Teilen niederträchtigen Bevölkerung kein demokratischer Staat zu machen. Was blieb, war der autoritär-obrigkeitsstaatliche Versuch der Umerziehung, der Vorschriften auf allen Wegen. Vorsicht Stufe! Auf Tritt und Schritt.
Es war die Wahl zwischen Scylla und Charybdis. Es musste scheitern.
Ich aber stand an der Treppe der Humboldt Universität und war vom Mantel der Geschichte gestreift, ergriffen. Wer von der prachtvollen Straße „Unter den Linden“ in die Alma Mater eintritt, vorbei an den Denkmälern der Humboldts, und nicht angerührt ist, dem ist nicht zu helfen. Und mit dem ist genau das nicht mehr zu machen, was schon damals, zu Klemperers Zeiten, nicht machbar war: Demokratischer Staat. Und genau danach sieht’s im Moment ja auch aus. Sonniges Wochenende, liebe Leserinnen, und zum etwas sinnlicheren Abschluss ein kurzes, erotisches Gedicht, das bei einem Besuch meines Lieblingskonditors entstand:

Wenn ich Deine Rosinenschnecke
lecke …

01.05.2025 – Der 1. Mai

Sitze gerade im IC nach Nienburg, wo ich kurzfristig als Mairedner bei der DGB Maifeier einspringen soll. Für begnadete Revolutionsrhetoriker gilt bei machtvollen Agitationen: Wer Manuskripte nutzt, ist feige. Nienburg kann sich freuen. Die City von Hannover ist voll, aber nicht in schwarz, vom autonomen Block sondern in lila. Kirchentag. Oben das Logo. Von Langnese Eis geklaut.

Der Kulturblock trifft sich um 9 Uhr in Hannover. Das hätt ich mir angeguckt. Der Ort passt: Debakel. Ich ahne, wer dahinter steckt. Guter Mann. Ich drücke die Daumen. Auf meinem Manuskript für Nienburg steht jetzt:“ Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen…“

Das wird nix. Noch ein Schluck aus meinem Reiseflachmann. Am Horizont leuchtet Nienhagen. Nienstedt? … Das wird ein Desaster. Und die Lokalpresse ist dabei. Ich meld mich wieder.

Hier verkehrte schon Amy Winehouse. Oh, Nienburg, Du graue Stadt am Meer. Als ich am Festplatz ankam, war ich schon leicht angeknetert. Und enthusiasmiert.

Es war mit Abstand das entzückendste Ambiente für eine Maifeier, das ich je erlebt habe. Im Biedermeiergarten eines Museums. Der Genius Loci fuhr in mich und ich redete in Zungen. Das ist biblisch und meint, dass der HERR aus mir sprach. Erleuchtet. Es soll laut Aussagen von Anwesenden sehr lebendig gewesen sein.

Jetzt ist es 14.14 Uhr ich sitze im Zug zurück und bin stocksauer, dass niemand von der Weltpresse da war. Resignierende Aussage des Veranstalters: Die Lokalzeitung gehört jetzt zum Madsackkonzern und seitdem gibt es keine Berichte mehr über sowas. Nicht, dass ich irgendwie eitel wäre und mich auf irgendwelchen Titelseiten sehen muss. Es geht mir immer nur um die Sache….🤣Aber das ist Zensur. Die Bourgeoisie will mich mit aller Macht unterdrücken. Das ist doch schon fast Faschismus… Und der Tag ist noch nicht zuende.

27.04.2025 – Den Kapitalismus retten, um die Demokratie vor dem Faschismus zu retten?

Haus Lindenberg, Kreuzberg, Bergmann-Kiez. Leerstand seit Jahren. Sobald das besetzt würde, erfolgt Ruckzuck-Räumung. Mit allen Mitteln. Berliner Linie seit Jahren. Berliner Antwort auf die katastrophale Entwicklung des Wohnungsmarktes.
Kann man machen, wenn man den Kapitalismus vor der Not seiner Bewohner*innen schützen will. Mittlerweile stellen sich langsam, aber sicher wie das Amen in jener Kirche, in der demnächst ein ultrareaktionärer Papst gewählt wird, ganz andere Fragen. Dazu folgendes Zitat vom der Kapitalismusfeindschaft eher unverdächtigen Chef der Allianzversicherung Thallinger, aus Spiegel online unter der Überschrift: Wie Trump den Kapitalismus bedroht  : Ab einem bestimmten Punkt (der Klimakrise, d. A.), so Thallinger, funktioniere die mathematische Logik der Versicherungen nicht mehr: »Die erforderlichen Prämien sind höher als das, was Menschen oder Firmen noch bezahlen können. Das ist bereits im Gang. Ganze Regionen werden unversicherbar.« Das sieht man bereits, etwa in Kalifornien und Florida. Auch Staaten wären bald überfordert, diese Lücken mit Steuergeldern auszugleichen. Der Immobilienwert ganzer Regionen werde wegen Unversicherbarkeit »aus den Kassenbüchern verschwinden«, und dieser Prozess werde »schnell und brutal« verlaufen, so Thallinger. Auch »Anpassung« an Hitze sei in vielen Fällen eine vergebliche Hoffnung. Es gehe nicht darum, »den Planeten zu retten«, so Thallinger. »Es geht darum, die Bedingungen zu retten, unter denen Märkte, Finanzmärkte und die Zivilisation an sich weiterhin funktionieren können.« Die Klimakrise sei eine »existenzielle Bedrohung« – für den Kapitalismus.“

Da der Kapitalismus aber pfiffig ist, anpassungsfähig, lernbereit, hat er auch für diese Bedrohung eine (Zwischen?)-Lösung: Die extremste Form der bürgerlichen Herrschaft, deren Wesen ja der Kapitalismus ist. Faschismus.

Diesen Prozess des Übergangs erleben wir gerade in den USA. Der Kampf zweier Fraktionen: Hie Faschisten in Reinkultur, militante Kämpfer um die kulturelle Hegemonie in der Gesellschaft, wie J. D. Vance, Steve Bannon etc. pp. Da (Dada?) die Ökonomisten wie Musk, die ihre Gewinne geschmälert sehen. An der Demokratie liegt ihnen nichts, aber am Profit liegt ihnen alles. Auf den Ausgang dieses Konfliktes werden noch Wetten angenommen.

Ich würde ja gerne in Eskapismus machen und irgendwohin retirieren. Aber sowas wie ein günstiges Exil in düsteren Zeiten wie früher, bei den Nazis, wird es wohl zukünftig, siehe oben, kaum noch geben. Mein Favorit wäre der Garten Eden, hier:

Haus Lindenberg, Garten. Paradiesische Zustände.  An der Straße bin ich jahrelang dutzendfach vorbei gegangen, bevor ich das Haus Lindenberg zufällig entdeckt habe

25.04.2025 – Der 1. Mai steht vor der Tür.

Mir sträuben sich mitunter die Haare, angesichts der wankenden Gestalten und Politzombies da.

Politzombies. Antisemitische Trotzkisten, die China gegen Imperialismus verteidigen wollen. Da kann man auch gleich den Wolf zum Hütehund der Schafherde machen. Beim 1. Mai in Berlin kommen Untote aus ihren Gräbern und feiern fröhlich Mao, Lenin und Stalin. Politkarneval vom schrägsten

Liegt da die Hoffnung? Autonome Schülerinnen.

Was aber bleibt am Ende jenes Tages, an dem das Phrasenschwein wieder ordentlich Futter kriegte, ist die endlose Weite der autobefreiten Karl-Marx-Alle, der schönsten Straße der Welt. Diese Blicke sind jene Momente von Transzendenz, die Tage wie diesen den glänzenden Goldlack gelungener Größe geben. Beachten Sie bitte die „5 G“ Alliteration.

Das Ärgerliche an den fast niedlich-schrulligen Politzombies ist die Tatsache, dass ihre Existenz und der Blödsinn, den sie verzapfen, Legitimation liefern für eine grundsätzliche Desavouierung aller sozialistischen Gedanken, auch von Klassikern wie Lenins Imperialismustheorie. Die Theorie in Kürze:

– der Kapitalismus führt zu einer Phase der Konzentration von Kapital und Produktion in den Händen einiger weniger Monopole. Diese Monopole üben Macht über den Markt, die Wirtschaft und Staaten aus, was Lenin als den Imperialismus bezeichnet

–  die Fusion von Bank- und Industriekapital ist eine wichtige Triebkraft des Imperialismus.

– Das Finanzkapital ermöglicht es den Monopolen, in Kolonien zu investieren und sie wirtschaftlich zu unterdrücken.

– der Bedeutungszuwachs des Kapitalexports im Verhältnis zum Warenexport

– letztlich erfolgt die vollständige territoriale Aufteilung der Erde unter die kapitalistischen Großmächte. Im digitalen, postindustriellen Zeitalter müssen sie die Territorien nicht notwendig materiell besetzen. Insofern ist Trumps Griff nach Grönland und Panama ein Anachronismus.

Aber sonst passt Lenins Theorie im Groben (!) nach über 100 Jahren immer noch. Die USA und Russland teilen gerade ihre Einflusssphären auf: Gib Du mir die Ukraine, lass ich Dir Panama und Grönland. To be continued. China passt auf, dass es nicht zu kurz kommt und die EU rüstet massiv auf, um mitpokern zu können. Deutschlands Interessen wurden früher schon laut SPD-Peter Struck am Hindukusch verteidigt.

Was bei der Aufteilung des globalen Kuchens am Ende rauskommen kann, zeigt ein Blick in die Geschichte: Nazi-Deutschland und die Stalin-Sowjetunion teilten sich Polen und die baltischen Staaten. Das Ende ist bekannt, 55 Millionen Tote im Zweiten Weltkrieg. Da können Sie in einem Dritten locker eine Null dranhängen, wenn es ganz dicke kommt, zwei Nullen.

Lenins Theorie ging übrigens vom notwendigen weltweiten Sieg des Sozialismus aus, weil sich die Imperialisten gegenseitig zerfleischen würden und die revolutionäre Avantgarde der Arbeiterklasse die Massen erfolgreich mobilisieren könnte. Da kommen beim Anblick der wankenden Politzombie-Gestalten am 1. Mai doch Zweifel auf. Wenn das die Avantgarde ist, dann gute Nacht, Wladimir.