
Tramuntana.
Der Tipp kam während einer Bergwanderung in der Tramuntana von zwei Leuten, die gerade aus einem terrassierten Olivenhain kraxelten und talwärts davon stiefelten. Auf der Terrasse gäbe es frischen O-Saft, für drei Euro. In dieser Gegend so wahrscheinlich wie der Angriff eines Bären, zumal kein Schild oder Aushang irgendwo darauf hingewiesen hatte. Aber es stimmte. Die Terrasse war das paradiesische Anwesen eines Hippies, überaus geschmackvoll und individuell gestaltet, wie im Beispiel seines Balkons oben, aus lauter leeren Weinflaschen. Mit einer grandiosen Aussicht. Der Hippie lächelte unsere kleine Dreiermarschkolonne freundlich an. Er wolle jetzt ins Tal und würde keinen Saft mehr pressen, aber wir könnten sitzen bleiben, solange wir wollten, uns von den Orangen im Korb bedienen und auf dem Tisch das hinterlassen, was es uns wert gewesen sei. Dann trollte er sich mit seinem Hund.
Ich schaute mir sein kleines Häuschen durch die Glastür näher an, das Innere komplett ausgefüllt mit Schlagzeug und Marshallboxen. Whow, dachte ich, der muss die Musik ja lieben, das ganze Haus nur für Musik. Und ließ meinen Blick schweifen. Unter Olivenbäumen ein Bett und ein Mountainbike. Und zwei Terrassen darüber ein stattliches Haus, Home of the Hippie, in der klassischen Bauweise der Insel mit Steinen und Lehm. Das kleine Häuschen mit den Musikinstrumenten war offensichtlich nur der Übungsraum.
Ich fragte mich, wie haben die bloß das Material für den Bau dieser Terrasse und der Häuser transportiert, mit Eseln? Hier gibt es keine Straßen oder auch nur asphaltierte Wege. Und was macht der mit seinem MTB hier? Hier kann man nicht Radeln. Oder? Und welche Musik macht er? Und überhaupt.
Auf dem mitunter doch steilen und kraxeligen Abstieg ans Meer machte ich mir Gedanken. Was anderes sollte man bei sowas auch nicht machen, außer Aufpassen auf die Holprigkeiten und Unebenheiten der Wackersteine und Felsbrocken. Ein schöneres Beispiel über den Umgang mit Natur wie eben konnte es kaum geben. Außer natürlich sie in Ruhe zu lassen. Aber das Verhältnis von Natur und Mensch ist vom Beginn der Entwicklung der Hominiden vor vielen Hunderttausend Jahren ein Herrschaftsverhältnis. Scheiße gelaufen, dieser Prozess, wenn man sich den Zustand des Planeten anguckt, ist aber Fakt. In der Bibel als Mischung von kategorischem Imperativ und Realitätsbeschreibung auf einen Punkt gebracht mit: „Macht euch die Erde untertan und herrschet über die Fische des Meeres, die Vögel des Himmels, über das Vieh und alles Getier…“
Präziser, weil hier die Kategorie „Reichtum“ als Ziel aller Gier im Kapitalismus benannt wird, heißt es bei Marx: „ … Die Arbeit ist nicht die Quelle alles Reichtums. Die Natur ist ebenso die Quelle der Gebrauchswerte (und aus solchen besteht doch wohl der sachliche Reichtum!) als die Arbeit, die selbst nur die Äußerung einer Naturkraft ist, der menschlichen Arbeitskraft … “
Durch Arbeit in und an der Natur ist der Mensch erst Mensch geworden. Indem er Kommunikation, Sprache, Intelligenz und Werkzeuge entwickelte. Werkzeuge zum Bauen von Hippiehäusern, aber auch zum Vernichten von Natur, und in Form von Waffen zum Töten.
Eine besonders perverse Art der Auseinandersetzung mit der Natur durch Waffen fand im ersten Weltkrieg in den Bergen statt, im Gebirgskrieg zwischen Österreich-Ungarn und Italien. Auf teilweise über 3.000 Meter Höhe bekämpften sich in den Dolomiten ganze Divisionen Gebirgsjäger, Alpinisten, Soldaten mit allem, was die Technologie hergab. Dabei wurde u. a. mit tonnenweisem Sprengstoff ein ganzer Berggipfel des Col di Lana in 2.600 Meter Höhe weggesprengt. Durch Naturgewalten kamen ingesamt über 100.000 Menschen um, davon allein die Hälfte durch Lawinen, die teilweise durch Sprengungen aufgelöst wurden.
Schweißgebadet kam ich unten am Meer an. Nicht wegen der Gedanken. Göttin bewahre. Mit dem fatalen Ausgang des Konfliktes Mensch vs. Natur habe ich schon lange meinen inneren Frieden gemacht. Nein, über 6 Stunden Bergewanderung waren auch ohne Sprengungen und Artilleriefeuer schweißtreibend. Es herrschte Saharahitze, über 30 Grad, selbst in den Bergen. Ungewöhnlich.
Wie so vieles in letzter Zeit
no9kkh
h5sqmq