23.09.2025 – Lautzenhausen im Rhein-Hunsrück-Kreis in Rheinland-Pfalz war im Jahr 2024 die jüngste Gemeinde Deutschlands

Dämmerung über der Schwangeren Auster. Götterdämmerung. Untergang der uns bekannten Welt. Wir wissen nicht, was nach der derzeitigen Phase der Transition kommt. Die utopische Hoffnung, da sei irgendwas Positives dabei, kann nur haben, wer Kinder hat und das demzufolge einfach hoffen muss. Dass die Besitzerinnen von Kindern trotzdem mehrheitlich unverantwortlich handeln nach dem Motto „Nach mir die Sintflut“ und somit ihrer Brut die schlechtestmögliche aller Welten hinterlassen, ist nicht mein Thema. Mit Geisteskrankheiten kenne ich mich nicht so aus. Auch die Tatsache, dass „wir“ selbst das Zwei-Grad-Ziel, also die globale Erwärmung auf weniger als zwei Grad Celsius bis zum Jahr 2100 gegenüber dem Niveau vor Beginn der Industrialisierung zu begrenzen, nicht einhalten können, geht mir am Südpol lang.

Was mich umtreibt, ist das 3. Buch Mose/Levitikus: „Aaron soll seine beiden Hände auf den Kopf des lebenden Bockes legen und über ihm alle Sünden der Israeliten, alle ihre Frevel und alle ihre Fehler bekennen. Nachdem er sie so auf den Kopf des Bockes geladen hat, soll er ihn durch einen bereitstehenden Mann in die Wüste treiben lassen und der Bock soll alle ihre Sünden mit sich in die Einöde tragen.“

Dieser Bibel-Text ist 3.400 Jahre alt und beschreibt das Prinzip des Sündenbocks. Der Sündenbock als Person oder Gruppe, der die Schuld anderer angelastet wird und der dafür von den so Anlastenden in die Wüste gejagt wird. Also in den Tod. Mit diesem vermeintlich reinigenden Akt in Krisenzeiten wird die Identität der so handelnden Gruppe rituell hergestellt und es herrscht innerhalb der Gruppe Friede, Freude, Eierkuchen, während der arme Ziegenbock in der Wüste verreckt. Friede, Freude, Eierkuchen hält allerdings nicht lange an und daher findet das Ritual regelmäßig statt. Laut Bibel einmal im Jahr, am sogenannten Jom Kippur, dem höchsten Feiertag der Juden.

Dieses jahrtausendealte Gesellschaftsmuster wird paradigmatisch, wie aus einem Lehrbuch, derzeit global exekutiert. Sündenbock ist der Jude, egal, ob gläubig oder nicht, ob Israeli oder in Grönland wohnend. Die Krisen der Welt, immer rasender, gewaltiger, überwältigender, überfordern den globalen Mob offensichtlich derart vollkommen, dass er sich innerhalb kurzer Zeit auf einen Sündenbock geeinigt hat, den Juden. Unfähig, seine individuellen Probleme zu lösen, sich um die drängenden, wahren Probleme in seiner Region zu kümmern, das Heft des emanzipatorischen Handelns in die eigenen Hände zu nehmen, entfesselt er auf der Welt Auf- und Umstände, die nichts weiter sind als düstere Vorboten von Pogromen. Jeden Tag Meldungen über gewalttätige antisemitische Demonstrationen auf der ganzen Welt, teilweise zehntausende, anschwellend. Die Solidarität, die die Welt, vor allem die Linke, Jüdinnen und Juden, dem Staat Israel nach dem 7. Oktober 2023, in Empathielosigkeit verweigert hat, erfährt jetzt ihre Wiedergeburt als hässliche Fratze eines globalen Antisemitismus. Am Wochenende in Düsseldorf eine Demo mit vermutlich Zehntausenden. Aus Berlin, woher sonst, dazu der Aufruf nach Geschlechtertrennung bei der Demo.

Wenn die Entwicklung so weitergeht, werden wir Ende des Jahrhunderts laut Expertinnen bei einer Erhöhung der globalen Durchschnittstemperatur von 2,9 Grad landen. Schade, dass es nicht schon so weit ist. Nach mir die Sintflut? Von mir aus gleich her damit.

Wir wollen aber versöhnlich enden und schicken daher unsere Glückwunsche nach Lautzenhausen im Rhein-Hunsrück-Kreis in Rheinland-Pfalz. Lautzenhausen im Rhein-Hunsrück-Kreis in Rheinland-Pfalz war im Jahr 2024 die jüngste Gemeinde Deutschlands. Das Durchschnittsalter der 1.122 Einwohnerinnen und Einwohner lag bei 33,7 Jahren, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt. Von Lautzenhausen lernen heißt siegen lernen.

21.09.2025 – Das Wort zum Sonntag

Antisemiten-Demo, neulich am Brandenburger Tor. Zum Denkmal für die ermordeten Juden Europas 200 m. Solche Bilder kann man sich nicht ausdenken.

Die Appelle auf derartigen Demos an Israel, auch und gerade von der gutmeinenden Mehrheit der friedensbewegten Demonstrantinnen dort, laufen auf eines hinaus: Auf eine Aufforderung an die Juden Israels, sich wehrlos ins Meer treiben zu lassen. Oder glaubt irgendjemand allen Ernstes, die Faschisten von der Hamas würden sich an irgendeine Verhandlungslösung halten? Es gab mal einen linken Konsens: Mit Faschisten verhandelt man nicht. Keinen Fußbreit für die. No pasaran. Das gilt offensichtlich im Fall Israel und Hamas nicht.

Bei Demos in Berlin kommt es zu grotesken Szenen, wo die Veranstalter Geschlechtertrennung durchsetzen, Frauen an den Schluss. Zu jeder Gelegenheit würden Feministinnen aufheulen und zu Recht Gegendemos organisieren. Das gilt offensichtlich im Fall Israel und Hamas nicht. Da sieht man, also ich in dem Fall, bei den notorischen Demos junge Frauen aus den hiesigen Szenen mitlaufen, mit Bierflaschen in der Hand, die in der Nacht vorher vielleicht noch in queeren Clubs in Kreuzberg abgehangen haben, mit Drogen hantierend, deren Namen ich noch nicht mal kenne. Wer wissen möchte, was mit ihnen unter Hamas-ähnlichen Zuständen hierzulande mit ihnen passieren wird, kann sich gerne in einschlägigen Statistiken zu Hinrichtungen und Folter in Saudi-Arabien und Iran kundig machen.

 Die Liste der Nachweise von der Wahnhaftigkeit der Ideologie des Antisemitismus ließe sich fortsetzten. Bleibt die Frage, warum die Hamas angesichts der furchtbaren Konsequenzen des schrecklichen Krieges für die Zivilbevölkerung in Gaza nicht kapituliert. Die deutschen Faschisten kapitulierten nach dem Tod Hitlers, ihrer messianischen Erlöser-Gestalt. Die japanischen Faschisten kapitulierten nach den zwei Atombomben. Hat die Tatsache, dass der Hamas das Leid der eigenen Bevölkerung egal ist und sie nicht kapituliert, mit ihrer klerikalen Ausrichtung zu tun? Die Belohnung wartet auf alle im Paradies? Religiöse Motive im politischen Handeln sind eine schreckliche, unausrottbare Seuche. Das ist die reine Wahrheit, so wahr mir Gott helfe. Halleluja. Der Name des Herrn sei gepriesen. Amen. Soweit mein Wort zum Sonntag.

Wir fahren mit dem Radl vom Brandenburger Tor 10 Minuten weiter in Richtung Asien, zum Roten Rathaus, dem Sitz des Berliner Senates. Nächstes Jahr sind hier Wahlen. In der neuesten Umfrage ist die SPD nur noch auf Platz 5, mit 13 Prozent. Früher stellte sie jahrzehntelang lang den Regierungschef hier und hatte in der Spitze über 60 %. Der aktuelle Fall ist logisch: Berlin ist zweitjüngstes Bundesland vom Durchschnittsalter her und wer unter 100 ist, wählt keine SPD mehr. Die ältesten Bundesländer befinden sich übrigens alle in Ostelbien und sind weiter auf dem Weg der Entvölkerung. Um mal eine positive Botschaft zu vermelden.

Auch positiv: Wenn sich die FDP weiter so in Umfragen entwickelt, wird sie nur noch unter „Sonstige“ auftauchen.

Ansonsten setzt gerade der Regen ein, der Herbst beißt zu. Der Fall ist tief, nach Tagen voller Wärme und Nächten, die man gerne umarmt und festgehalten hätte. Corfu nächste Woche 28 Grad und Sonne pur ….

18.09.2025 – Ich hol mal meinen Koffer raus.

Schloß Sacrow bei Potsdam. Ausstellung EXIT PARADISE. Exit Paradise , inspiriert vom biblischen Motiv der Vertreibung aus dem Paradies, thematisiert das Spannungsfeld zwischen Erotik und Revolte, Körperlichkeit und Entfremdung, Naturerfahrung und Naturverlust.

Ich hatte das Schloss, den Park und den See fast für mich alleine, ein Gefühl von transzendentaler Tiefe. Körperlichkeit und Naturerfahrung.

Elina Brotherus. Wanderlust. 2020. (Beachten Sie bitte das Motiv auf der Tasche).

Die Fahrt nach Sacrow gestaltete sich Dank des BRD-Ticket kostengünstig. Ich kann nur hoffen, dass das ähnlich günstig weiterläuft im nächsten Jahr. Die Verhandlungen laufen gerade. ÖPNV müsste eigentlich kostenfrei für alle sein. Das würde ca. 12 Mrd. Euro kosten. Womit finanzieren? Zum Beispiel mit der Streichung des Dienstwagenprivilegs. Diese staatliche Verbrenner-Subventionierung für überwiegend Besserverdienende kostet die Steuerzahlerin jedes Jahr …. Kleine Kunstpause … ca. 14 Mrd. Euro.

Tusch. Narhalla Marsch.

Es wäre alles so einfach, wenn Vernunft statt ökonomischer Interessen regieren würde. Aber eher fällt der Apfel nach oben. Um die Herbststimmung weiter zu verdüstern, stehen noch zwei finstere Gedenktage vor der Tür. Der 3. Oktober, der Tag der doitschen Einheit, und der 7. Oktober, der Terror-Überfall der faschistischen Hamas auf Israel. Die allgemeine Stimmung zum 3. Oktober ist von einem nationalistisch-euphorischen Gejubele und Gejuchze zu einem eher düster-pessimistischen Mollton gewechselt, über den ganzen Kladderadatsch, der sich da logischerweise eingestellt hat. Das Ende der (Konflikt-)Geschichte, dass sich nach dem Wegfall der Systemkonkurrenz im Osten einstellen sollte, scheint eher ein Ende von Zivilisation zu werden. Mein Gefühl dabei: Fröhliche Rechthaberei eines „Ich hab’s doch von Anfang gesagt.“

Ganz anders meine Gefühlslage zum Jahrestag des Überfalls der Hamas. Angesichts des Tsunamis von Antisemitismus, der seitdem über den Globus rollt, alles an Anstand und Empathie mit sich reißend, möchte ich diesen Tag angesichts der zu erwartenden Rohheiten auf allen Kanälen von allen Nachrichten befreit an irgendeinem Strand der Welt verbringen, wahlweise besoffen oder bekifft, gerne auch beides.

Natürlich ist der Krieg in Gaza grauenhaft und herzzerreißend. Die Bilder sind nicht zu ertragen. Das ist aber keine spezifisch israelische (oder gar jüdische, etwas, was die Antisemiten dieser Welt immer wieder vermischen in ihrem Wahn) Eigenschaft, die dort obwaltet. Das liegt am Abgrund der Zivilisation überhaupt, am Krieg. Wer anderes unterstellt und verbreitet, ist ebenso ein Antisemit, wie jene, die bei den tausenden Veranstaltungen, Konzerten, Demonstrationen zum Gaza-Krieg mit keinem Wort die Opfer der Hamas erwähnen und die Mitglieder dieser Terrororganisation nicht als das bezeichnen, was sie sind: Faschisten.

Ich wette, in fünf Jahren glaubt die Mehrheit, dass am 7. Oktober das faschistische Judenregime in Israel die wehrlosen, demokratischen Pazifisten der Hamas im Schlaf überfallen hat.

Ich hol mal meinen Koffer raus.

17.09.2025 – Der Seniorenteller lebt doch noch!

Und zwar in Berlin, Pichelsdorf, im Stara Kuća.

Ein Jugoslawe. Nennt sich zwar Kroate, aber diesen völkischen Quatsch mache ich natürlich nicht mit. Hinterher gab’s einen Sliwowitz, aufs Haus, ordentlich eingeschenkt. Fröhlich schwankend machte ich mich über die Haveldüne auf den Weg nach Kreuzberg, lauter putzige Bilder im Kopf. Die SPD beispielsweise. Erinnerte mich nach dem NRW-Wahlergebnis an ein geköpftes Huhn. Kopflose Hühner flattern mitunter noch längere Zeit über den Hühnerhof, nachdem der Bauer sie enthauptet hat, auch wenn das Gehirn schon ausgeschaltet ist. Reine Reflexsache. Ich komme vom Eichsfeld, hab das selber gesehen als kleiner Pöks und fand es, Asche auf mein verrohtes Haupt, einfach nur lustig.

Wie sich die SPD dieses desaströse Wahlergebnis schön schweigt, ist an Verdrängung des eigenen Kadaverzustandes kaum zu überbieten. Es sind nicht so sehr die reinen Prozentzahlen, die so erschreckend sind. Es sind der Prozess und die Mentalitäten, die dahinterstecken. Eine Halbierung der Wahlergebnisse in wenigen Jahren und vollständige Vergreisung des eigenen Wählerpotentials. Die SPD hatte in den Achtzigern hier die absolute Mehrheit im Lande und bis zu ihrem Genickbruch, der Agenda 2010, noch locker über 40 Prozent. Jetzt wählen nur noch die halbsenilen über 100jährigen Taubenzüchter und altersstarrsinnige AWO-Senioren diese Partei. In einem DLF-Interview zur NRW-Wahl röchelte doch tatsächlich ein führender NRW-Sozi ins Mikro, die AfD sei eine Protestpartei. Der gute Mann glaubt wahrscheinlich auch, Willy Brandt sei Bundeskanzler und August Bebel SPD-Hauptkassierer.

Genauso schlimm, schlimmer noch, weil ja nur halbverkalkt, die Bürgermedien, die die frohe Botschaft verkündeten, immerhin hätten ja fast 85 Prozent die AfD nicht gewählt und somit sei alles gut im Lande und Biedermann könnte weiter Hand in Hand mit den Brandstiftern beim Jugoslawen einen bechern gehen.

Diese Prozentfixierung ist typischer Medienquark, breitgetreten zwar, aber nicht stark. Entscheidend sind die Mentalitäten, die psychosozialen Dispositionen, die den Mob an die Urne treiben, egal, wo er sein Kreuz macht. Und was für eine rohe Realpolitik von der bürgerlichen Mitte exekutiert wird, surfend auf dieser Mentalität, sich immer weiter von der eigenen Bürgerlichkeit entfernend. Ein Bild aus einer surrealen Tragikomödie: Die Armen ausplündern, den Reichen die Taschen vollstopfen. Und der Pöbel schreit dazu: Kreuzige ihn. Womit er mal die Ausländer meint, im Zweifel immer die Juden, und dümmstenfalls sich selbst.

Was da an den Urnen sich abspielt, ist nachrangig für gesellschaftliche Prozesse. Die werden woanders gemacht und haben jenseits der Sphäre der Politik ihre Ausprägungen, bevor sie auf diese rückwirken.

Entscheidend ist eben, was hinten rauskommt.

Früher war die SPD an Rhein und Ruhr eine Macht. Heute zitieren wir mal als Intro die Feuerzangenbowle, abgewandelt, und fragen, was ist denn überhaupt die Ruhr: „Da stelle mehr uns janz dumm. Und da sage mer so: Die Ruhr ist eine Krankheit, die zu blutigem Durchfall führt.“

Der Rest wird sich demnächst auch noch von der SPD verabschieden. Jeden Tag Schlagzeilen über Arbeitsplatzabbau in der Industrie. Heute Ford und Bosch, morgen VW und Mercedes. Die so verunsicherten Facharbeiter laufen in hellen (braunen) Scharen zur AfD über. Der Amok laufende Kleinbürger, das hatten wir schon mal.

Und auf dem Hühnerhof der Demokratie flattert die kopflose SPD noch mit beiden Flügeln, hat aber keine Stimme mehr.

Zum Abschluss ein Bild, das mehr als 1000 Worte sagt, aus der phänomenalen Ausstellung „Global fascisms“ in der Schwangeren Auster in Berlin.

14.09.2025 – Von Schloß Bellevue bis zur Bülow 54

Schloß Bellevue, Sommerfest des Bundespräsidenten. Jekami, Jeder kann mitmachen. Steinmeier macht sich für 2 Stunden mit dem Mob gemein. Volksnähe nennen die bürgerlichen Schreiberlinge das. Ich nenne es eine Schmierenkomödie. Die politische Elite im Lande hat nicht den Hauch einer Ahnung, wie die prekäre Realität von zig Millionen aussieht. Wann ist Steinmeier, ehemaliger Bürobote von Gerhard Schröder und Agenda 2010-Architekt, das letzte Mal U-Bahn gefahren, alleine, nach Neukölln, in der Hauptverkehrszeit? In Lärm, Dreck, Gestank, wo in den Aufgängen der Stationen sich halbe Leichen in Kot und Urin einen Schuss setzen? Wo gehäuft auf den Straßen Menschen liegen, einfach so, ohne Decke, Tasche, Rucksack, als ob sie irgendein Blitz getroffen hätte. Von normaler Wohnungslosigkeit, Erwerbslosigkeit, Gewalt, ganz zu schweigen.

Und im Schloß klopft der Politikdarsteller leutselig dem Mob auf die Schulter, guckt bekümmert drein und fragt:“ Na, mein Guter, wo drückt denn der Schuh? Frank und frei heraus damit, nehme er kein Blatt vor den Mund!“

Kein Wunder, dass dessen Arbeiterpartei SPD Punkt 18 Uhr bei den Wahlen in NRW furchtbar aufs Haupt geschlagen wird, weiter in den Abgrund torkelnd.

Wesentlich drolliger, weil ehrlicher, schratiger und skurriler war da die Antisemitendemo zwei autonome Steinwürfe umme Ecke der Wagenknechtpartei vor dem Brandenburger Tor. Bevor allerdings ein Sturmgeschütz der Demokratie wie der Knattermime Hallervorden das Wort ergriff, ergriff ich die Flucht.

Und verbrachte den Abend bei der Soliparty für die Bülow 54, ein ehemals besetztes und jetzt selbstverwaltetes Haus, einen Steinwurf bei mir umme Ecke. Wir kifften ein bisschen, tranken ein, zwei Bier, sogen die Spätsommerluft ein, mit einem Hauch von Freiheit und Anarchie. Wird wohl eher der Hauch von Marihuanaschwaden gewesen sein, der wie Bodennnebel über dem Geschehen lag.

11.09.2025 – 11/09

Kommunismus, Kapitalismus, Sozialismus, ist doch eh alles gleich. Und fehlerhaft. So ähnlich die Botschaft dieses Kunstwerkes von der Eröffnung der Berlin Art Week in den Wilhelm Hallen, einer ehemaligen Eisengiesserei. So flach und dümmlich auch die Erkenntnisfallhöhe dieses Werkes ist, so großartig war dennoch die Gesamtkunst, die dort präsentiert wurde. Opulent, bunt, spektakulär, handwerklich brillant, die Gegenwartskunst auf einen funkelnden Nenner gebracht. Wenn es so etwas gibt, kann ich mir die Documenta sparen.

Crisis? What Crisis? Nach drei Stunden Kunst waren wir platt, chillten später noch im Volkspark Friedrichshain. An solchen Tagen sind russische Drohnenangriffe mit nachfolgender Nato-Habachtstellung und US-amerikanische Bürgerkriegsübungen mittels Attentate sehr fern. Wobei das ein ordentlicher Schütze gewesen sein muss, Entfernung über 150 Meter und gleich Blattschuss, gute amerikanische Waffenschule, wo rein statistisch auf jeden Ami mindestens ein Ballermann kommt. In Trump Regionen hat wahrscheinlich jeder Haushalt 5 Knarren. Im Grunde herrscht da doch jetzt schon asymmetrischer Bürgerkrieg mit unsichtbaren Frontverläufen quer durchs ganze Land.

Worüber wir wohl an 9/11 in 5 Jahren reden werden….? Bei aller Müdigkeit gegenüber den immer schneller immer gruseliger werdenden Nachrichten muss ich mich manchmal zur Ordnung rufen, wenn ich einfach keinen Bock mehr auf neue Nachrichten habe. Nach oben ist auf der Horrorskala der Nachrichten, der Krisen noch sehr, sehr viel Luft. Wir hier in unseren Breitengraden stöhnen auf sehr flachem Krisenniveau. Ein Blick in den Rückspiegel der Geschichte: 1942 z. B waren riesige Flächen des Globus braun eingefärbt vom scheinbar unaufhaltsamen Siegeszug des Faschismus. Das war eine Form der Globalisierung, die ungleich mörderischer war als die unsrige. Wenn ich einen Musikwunsch für den heutigen Tag frei hätte, würde ich mir wünschen, dass heute, am 11.9 um 11 Uhr, die Bombenalarmsirenen im ganzen Land heulen und den Mob schon mal musikalisch auf die Zukunft einstimmen. Schaun mer mal.

Und nun wieder zur Kunst…

09.09.2025 – Das Hämmern der Bekloppten

Hoch die internationale Solidarität! Es lebe die Volkerfreundschaft zwischen der DDR und Italien! Gesehen gestern in Warnemünde, wohin ich vor der Welt, den Nachrichten und dem Lärm der Metropole für einen Ausflug geflohen war. Kost ja nix, hab BRD-Ticket. Es war wundervoll, der längste deutsche Strand an der Ostsee , Meer noch locker 19 Grad, strahlende Sonne, Warnemünde ist überaus entzückend. So döste ich also glücklich in der Sonne.

Und vernahm nach kurzer Zeit von irgendwo her ein Stakkatoartiges Hämmern, tock, tock, tock , fast immer der gleiche Rhythmus. Nach einer Weile stoppte das. Und ploppte kurze Zeit später woanders auf, wehte an mein Ohr. Irgendwann schwand mein Glück. Ich richtete mich auf. Und erkannte die Ursache

Eine immer größer werdende Zahl von Bekloppten hämmerte wahnsinnigen Sandspechten gleich Pflöcke in den unschuldigen Strand von Warnemünde, um daran irgendwelche bescheuerten Stofffetzen zu befestigen. Damit wurden riesige Areale abgesteckt, die das private Territorium dieser Arschkrampen bilden sollten. Eine unglaubliche Dummdreistigkeit. Strandimperialismus vom übelsten, eine Mischung aus Konquistadoren wie Cortez und Imperialisten wie Cecil Rhodes. Kein Mensch kommt da noch durch oder sieht irgendwas. Psychologisch erklärbar: Eine Mischung aus kapitalistischer Ellenbogenmentalität des „Alles meins hier“ und Flucht vor der bösen Außenwelt. Eine Art Krisen-Cocooning.

Ich steckte mir Ohropax in die Gehörgänge und rächte mich auf dem Rückweg auf meine Weise, indem ich mich demonstrativ an einige Stoffbunker aufbaute und einfach da stehen blieb. Ich merkte nach Sekunden, wie die Insassen da fast wahnsinnig wurden. Ein Oberarschloch fragte pampig: „Is irgendwas?“ Ich:“ Nee, wieso?“ – „Weil Du da stehst“ (Ostzone, da duzt jeder jeden. Furchtbare Unsitte ). „Ist nicht verboten hier zu stehen, ist public space“. Es wurde mir aber schnell zu blöd. Was für ein Pack. Ich rettete den Tag mit einem exceptionellen Zander an Ratatouille und einer trockenen Scheurebe von der Unstrut im „Weineck“ vom legendären ex DDR-Hotel Neptun (der große, weisse Klotz im Bildhintergrund), wo Uwe Barschel von Stasi Prostituierten abgezogen wurde und nach Irrungen und Wirrungen des Waffenhandels letztlich in der Badewanne des Beau Rivage in Genf den finalen Diver machte. Lange her.

03.09.2025 – Den Imperialismus in seinem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf.

Plakat Klaus Staeck. 1984. Ausstellung „Zerreißprobe. Kunst zwischen Politik und Gesellschaft.“ Neue Nationalgalerie Berlin. Sammlung 1945 – 2000.

Belgien will die Palästinensergebiete bei der UN-Vollversammlung in diesem Monat als Staat anerkennen. Die Palästinensergebiete als Staat anzuerkennen, ist ein grotesker Witz. Weder gibt es ein einheitliches Palästina-Staatsgebiet noch eine einheitliche Staatsgewalt, die die Herrschaft im Staatsgebiet durchsetzt und garantiert. Was es gibt, ist eine Terrorbande namens Hamas in Gaza und eine etwas gemäßigtere Variante davon im Westjordanland namens Fatah, die beide 2006 Krieg gegeneinander geführt haben und sofort in einem Bürgerkrieg übereinander herfallen würden, wenn es ein einheitliches Staatsgebiet gäbe.

Zudem werde die belgische Regierung Sanktionen gegen Israel verhängen, teilte Außenminister Maxime Prévot auf der Plattform X mit. Zu den zwölf nationalen Sanktionen gehört ein Importverbot für Produkte aus israelischen Siedlungen.

Kauft nicht bei Juden, nannte man das früher.

Mir kommt es vor, als seien mittlerweile auch Teile der sogenannten westlichen Wertegemeinschaft regelrecht erleichtert, dass sie sich in Sachen Antisemitismus nun, 80 Jahre nach dem Holocaust, keine Hemmungen mehr anlegen müssen. Und wer ist schuld daran? Der Jude. Wie immer in den letzten 2000 Jahren.

Anstand und Verstand gehen über Bord. Ob es das Bord jenes US-Kriegsschiffes war, das vor der Küste von Venezuela ein angeblich mit Drogen beladenes Schiff versenkt hat, entzieht sich meiner Kenntnis.

Vermutlich waren es eher arme harmlose Fischerschweine, die dem fröhlichen US-Imperialismus zu Opfer fielen. Dass der Spiegel in seiner Meldung als gesichert formuliert, dass es ein Drogenboot war, gehört zu den tausend kleinen Skandalen, die hierzulande kein Schwein interessieren.

Früher, vor dem ersten Weltkrieg, nannte man das, was der Ami da treibt, Kanonenbootpolitik . Die wurde nach dem Zweiten Weltkrieg von Scheckbuchpolitik abgelöst, in zivilisierten Zeiten, als die Sowjets noch am Ruder waren, in der Ostzone und anderswo. Damals kauften „wir“ uns im Wettkampf der Systeme die Zuneigung des globalen Südens mit Kohle.

Das haben wir heute, vor dem dritten Weltkrieg, nicht mehr nötig. Da gibt’s keine Kohle mehr, sollen die doch verrecken. Was sie auch immer mehr tun angesichts globaler Krisen, Hungersnöte und Kriege.

Und wenn sie nicht parieren oder die gelbsüchtige Föhnwelle aus dem Capitol von seinem desaströsen politischen Versagen ablenken will, gibt’s Schießbefehl.

Den Imperialismus ist seinem Lauf

Hält weder Ochs noch Esel auf.

Gibt es denn gar nichts, was wir kleinen Leute (< 175 cm) tun können? Doch, kleine zivilgesellschaftliche Zeichen setzen. Ich für meinen Teil werde zum Beispiel keine belgischen Weine mehr kaufen.

Zum Schluss, wie fast üblich, die gute Nachricht: Die Bevölkerungszahl in den östlichen Bundesländern ist seit 1990 um 16 % zurückgegangen. Das Problem mit der Ostzone ist also im Jahr 2235 gelöst. Die Einwohnerzahl ist dann bei Null. Ich freu mich drauf und werde den Tag mit einem belgischen Sekt begehen, wenn der Belgier bis dahin wieder zu Vernunft gekommen ist.

01.09.2025 – Berlin EXPO 2035!

Plakat Klaus Staeck. 1980. Ausstellung „Zerreißprobe. Kunst zwischen Politik und Gesellschaft.“ Neue Nationalgalerie Berlin. Sammlung 1945 – 2000.

Mehr Qualität geht nicht. Grandiose Langzeit-Ausstellung bis 2027 unter anderem mit Marina Abramović, Joseph Beuys, Francis Bacon, Rebecca Horn, Valie Export, Wolfgang Mattheuer, Bridget Riley, Pippilotti Rist, Andy Warhol usw. usf. Für mich auch anrührend, weil anhand der einzelnen Epochen, nach denen die Ausstellung aufgebaut ist, sich auch die eigene Lebensgeschichte mit entfaltet. Kunst war nach Popmusik eine frühe Begleiterin für mich, wobei letztere irgendwann für mich sanft entschlummerte. „Ich denke, Genossen, mit der Monotonie des Yeah Yeah Yeah und wie das alles heißt, ja, sollte man doch Schluss machen“ (Walter Ulbricht auf dem XI. Plenum des ZK der SED zum Verbot westlicher Beatmusik in der DDR). Was hätte der Mann erst zu Tekkno gesagt.

In der Ausstellung hängt auch eine Wand mit Plakaten von Klaus Staeck. Wer politisch in den 70ern sozialisiert wurde, kennt die Plakate. Staeck war ein wenig als SPD-Gebrauchsgrafiker verschrien. Umso erstaunlicher, wie fast alle Plakate den Zahn der Zeit überstanden haben und nach wie vor politisch und ästhetisch gültig sind, mitunter mehr denn je. Sei es zu Frieden, zum § 218, zu Klima und Umwelt, Reichtum und Armut.

Gegenüber in den Räumen der Nationalgalerie eine Dauerausstellung mit 100 Werken von Gerhard Richter. Der im Vergleich zur „Zerreißprobe“ relativ kraftlos wirkt, unentschlossen. Richter gilt als einer der bedeutendsten und teuersten zeitgenössischen Künstler. Für mich ein Fall wie Bob Dylan, Thomas Mann, Champagner und Darjeeling. Macht man nichts falsch mit, ecken nirgendwo an. Klassische Fälle von Konsenssoße. Ich steh mehr auf Lou Reed und deutsche Winzersekte. Aber über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten. Ist ein freies Land, sach ich immer. Um sofort bedauernd hinzufügen: Leider.

Freiheit ist in der bürgerlichen Philosophie der höchste Wert und sie als das in Frage zu stellen, kann sich nur leisten, wer – wir wir in unseren Breitengraden- dieses Gut im höchsten Maße genießt. Das tue ich. Und daher nehme ich mir die Freiheit, sie als höchstes aller erstrebenswertesten Güter in Frage zu stellen. Jene Freiheit zum Beispiel, die ich gerne anderen nehmen möchte, z. B. den Millionen Faschisten hierzulande. Jene Freiheit zum Beispiel, die sich die dummdreiste Berliner CDU/SPD-Betonmafia nach wie vor, nach Jahrzehnten, nimmt, um die Stadt im Interesse der Baukonzerne und der eigenen Taschen immer menschenunwürdiger zu gestalten. Der neue Abschnitt der Berliner Stadtautobahn A100 Dreieck Neukölln nach Treptow hat über 700 Millionen Euro gekostet und war schon vor Beginn seiner Planung völlig dysfunktional und spottete jeder Stadtplanung, Klimapolitik und Verkehrslenkung Hohn. Am Eröffnungswochenende staute sich der Verkehr dort auf den lächerlichen 3 km für 20 Minuten. Das mache ich locker zu Fuß. Für den Erweiterungsbau werden jede Menge Clubs wegrasiert, die an der Strecke liegen.

Den Freiheitsbegriff sollten wir also vielleicht nochmal diskutieren, unter der Prämisse: Wer nimmt sich welche Freiheit in wessen Interesse und wer nimmt dadurch wem welche anderen Güter? Zum Beispiel das auf körperliche Unversehrtheit, wenn im irrsinnigen Berliner Verkehr auch dieses Jahr wieder x Radfahrerinnen von LKWs zu Tode gewalzt werden, weil der verpflichtende Einbau in allen LKW von nicht abschaltbaren Abbiegeassistenzsystemen (ein Wort, fast so tödlich wie der LKW selber) nach wie vor aus Kostengründen nicht implementiert ist.

Und da sind wir noch lange nicht bei den ganz großen Freiheitsfragen, wie im Ukrainekrieg zum Beispiel. Wer verteidigt da wessen Freiheit? Die armen Schweine, die keine Möglichkeit haben, sich freizukaufen vom Militärdienst, die Freiheit der ukrainischen Oligarchen, sich im zweitkorruptesten Land Europas die Milliarden westlicher Militärhilfe in die Taschen zu stopfen?

Und wo bleibt das Positive heute? Wenn schon die Realität Scheiße ist, dann sind wenigstens die Aussichten positiv

Berlin EXPO 2035. Ich trainiere jetzt schon dafür….

28.08.2025 – Räumung der Rigaer 94

Draußen regnet es, ich sitze im legendären Café Sibylle in der Stalinallee, mit Blick auf dieses Plakat. Heute heißt sie Karl Marx Allee. Eben war ich an der Rigaer 94, einem der letzten (teil)besetzten Häuser überhaupt noch in der BRD. 700 Angehörige des Repressionsapparates haben dem heute morgen ein Ende gesetzt. Nennenswerte Demos gab es nicht, als ich dort mit dem Klapprad einritt, war der Spuk schon vvorbei. Nebenan die Liebigstr. Ist schon lange geräumt. Die Party ist vorbei. Alles weitere regelt der Markt.

Früher hatten solche Wohnprojekte meine Solidarität und ich beteiligte mich an Demos in der Sache. Zumindest bis es zur Sache ging. Ich muss in meinem Alter nicht mehr jeden Blödsinn mitmachen. Heute betrachtete ich die erfolgte Räumung als Chronist mit klammheimlicher Freude. Teilfreude zumindest, erfolgte doch aus der Rigaer 94 anlässlich des Terrorüberfalls der Faschisten von der Hamas am 7. Oktober eine Solidaritätdadresse an die barbarischen Killer unter dem Motto „Erfolgreicher Ausbruch aus dem Massengefängnis Gaza“. Der ganze Appell war so krank, dass er jegliche Solidarität innerhalb der Linken sprengte, auch innerhalb der Rigaer. Zusammen mit den gerichtlichen Risiken für die , die Wohnraum suchten und keinen Krawall, war das das Ende eines linken Projektes. So beerdigen Stalinisten die letzten Reste von Anstand in der Restlinken. Mir tut es leid um den Rest. Meine Begeisterung für den antisemitisch verseuchten Kultur- und Linkssumpf gerade in der Hauptstadt ist aber wie das Wetter auf dem Nullpunkt. Trübe Wolken allenthalben.