31.03.2024 – Ostermarsch und Flachwitze über Eiersuche

Bussard über dem Garten. Mitten in der Stadt hat er hier in einem Revier mit Garten, stillgelegter Bahnlinie und Kita-Grünfläche genug Nahrung. Leider keine Kinder, aber gerne auch mal eine Taube. Die Taube ist seit biblischen Zeiten der Arche Noah Hoffnungsträger, sie entdeckte Land, kehrte mit einem Ölzweig im Schnabel zurück und überbrachte die Botschaft vom Ende der Sintflut. Für den Weltfriedenskongress 1949 in Paris wurde von Pablo Picasso die Silhouette einer Taube entworfen und lithographiert. 1955 erhielt er für seine Lithographie den Weltfriedenspreis. Seitdem ist die Friedenstaube ein weltweites Symbol für den Frieden und die Friedensbewegung.

Aus der guten Küche sind gefüllte Tauben kaum wegzudenken. Ich bevorzuge Wachteln. Tauben sind in der Großstadt Überträger von Krankheiten und Parasiten, daher freue ich mich über jeden Haufen Federn im Garten, der von einer erfolgreichen Bussardjagd zeugt.

Tauben sind auch heuer wieder auf den Fahnen der Rest-Friedensbewegung bei den Ostermärschen zu sehen. Ca. 10.000 sollen es bisher in der BRD gewesen sein. In den Achtzigern waren allein auf einzelnen Friedensdemos Hunderttausende unterwegs. In der Verknüpfung von Friedensbewegung und Ökologiebewegung entstanden dann die Grünen.

In den Neunzigern dann war angeblich das Ende der Geschichte erreicht, nach dem System-Sieg des friedliebenden Westens über den bösen Feind im Osten würde das Paradies auf Erden und ewiger Frieden ausbrechen. Eine gigantische Friedensdividende, freier Handel, deregulierte Märkte, grenzüberschreitender Austausch von Gütern, Dienstleistungen, Kapital und Arbeitskräften, Digitalisierung würden für ungeahnten Wohlstand sorgen. Für Jüngere: Das waren keine Geschichten aus dem Kabarett der damaligen Zeit, das war der absolut vorherrschende Glaube in der Politik, den Medien und der „Wissenschaft“ der damaligen Zeit. Aber wie das mit jedem Glauben so ist, entpuppte sich auch dieses Hirngespinst als ein bösartiger Cocktail aus Aberglauben, Wahn und schierer Dummheit. Wer sein kritisches Handwerkszeug nicht an der Garderobe des Zeitgeistes abgegeben hatte, zitierte gerne Wilhelm Busch: Wehe, wehe, wenn ich auf das Ende sehe …

Ach ja, ungeahnten Wohlstand gab es, unvorstellbaren Reichtum für Krisen- und Globalisierungsgewinner und wachsende Armut global für alle Loser.

Vor dem eben zitierten Ende wurde dann in den 90ern erst die Friedensbewegung auf den Misthafen der Geschichte entsorgt, Utopien wie der Sozialismus gleich hinterher. Ökologiebewegung und Frauenbewegung wurden in die Parlamente und die Gleichstellungsbüros entsorgt, da richteten sie keinerlei Schaden, respektive Nutzen mehr an. Neue Massenbewegungen entstanden, wie die Loveparade und Rap und Hiphop, etc. die sich durch eins auszeichneten: Grenzenlose Konsumbejahung, Homophobie, Misogynie, kindisches Machogetue und Brutalitätsgestus. Antisemitismus nicht zu vergessen.

Diesen völlig subjektiven, ungerechten, verkürzten und diffamierenden Abriss der Geschichte sollte man im Hinterkopf haben, wenn frau sich statt auf die österliche Eiersuche auf die Suche nach den Gründen dafür begibt, warum die Welt heute so ist, wie sie ist.

Und so wird vielleicht auch verständlich, warum ich gerne, vor allem zu Ostern, in der Abenddämmerung mit einem Glas Port und einer Tüte auf der Veranda sitze und den Bussard bei der Taubenjagd anfeuere: Go, Johnny, go. Es ist dieses vollständige Scheitern aller sozialen Bewegungen in den letzten 100 Jahren. Es ist kein Versagen. Alle sozialen Bewegungen hatten ihre Notwendigkeit, ihre Ursachen, ihre Konsequenzen und haben die Welt in Teilen zu einem kurzfristig besseren Ort gemacht. Sie haben ihre Meriten, ihre Opfer, ihre Spuren. Aber in der Auseinandersetzung mit dem Kapitalismus und seiner noch hässlicheren Fratze, dem Gespenst des Faschismus, das in Europa umgeht, sind sie gescheitert.

Und als Belohnung dafür, dass Sie, liebe Leserinnen, bis hierher durchgehalten haben, erspare ich ihnen weitere Flachwitze über Eiersuche.

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