Impression am Meer. Alles im Nebel.
Jeder Tag, den die beiden Protagonisten der nebulösen Dritten Generation bei der Jagd auf sie durchhalten, ist ein kleiner Triumph über das System. Wer Bilder des famosen Westerns „Butch Cassidy and the Sundance Kid“ im Kopf hat, weiß, wem die Sympathien gehören . Robert Redford und Paul Newman bildeten in dem Film von 1969 als Outlaws auf der Flucht vor dem Gesetz ein liebenswertes Duo, dass als Gegenpol zum albernen Affen und Halbfaschisten John Wayne jede Menge Westernstereotypen quasi im Vorbeiflanieren dekonstruierte. Das Ende: Der Kugelhagel des Repressionsapparates.
Ein ähnlicher Kugelhagel, nur viel chaotischer, fand beim legendären Shootout am Bahnhof in Bad Kleinen 1993 statt, beim Zugriff der GSG 9 auf Angehörige der Dritten Generation. Auch hier ist die zugängliche Quellenlage zweifelhaft, nebulös, wie bei allem über die Dritte Generation., Vergleichbar vom Legendenstatus ist die Ballerei mit der Schießerei am OK Corral , bei der Wyatt Earp, eigentlich Sheriff, aber ein ganz normaler Gauner, mit seiner Bande drei Mitglieder einer anderen Bande erschoss. Einziger Unterschied der beiden Shootouts: Die GSG 9 stellte sich wesentlich dämlicher an, verballerte erheblich mehr Munition, brauchte mehr Zeit, hatte mehr Unbeteiligte angeschossen und eigene Verluste.
Western sind nicht so mein Ding, zu viel dicke Hose und humorbefreite Machoattitüde. Einen realen Westernhelden dagegen schätzte ich früher durchaus, den an der Schießerei am OK Corral beteiligten Doc Holliday. . Für mich war er der Walter Benjamin des Wilden Westens, beide Außenseiter, Desperados, gemacht durch ihre Umstände, und „Grenzlandvagabunden, Philosophen, Spieler“. So Wyatt Earp über Doc Holliday. Das gilt aber auch für Walter Benjamin, den genialsten linken, radikalen Kulturphilosophien des 20. Jahrhunderts. Auf seinen Schultern steht der staubtrockene Spießer Adorno. Benjamin hingegen war manischer Zocker, rauchte, drückte, schluckte alles an Drogen, was damals erreichbar war, hier die Haschisch- und Mescalinprotokolle, entdeckte Ibiza 30 Jahre vor den Hippies. Über seine Frauengeschichten decken wir lieber den Mantel der Verschwiegenheit, weil er wohl ein veritables Arschloch war.
Wenn es einen Mitbegründer der mäandernden Erkenntnissuche gab, dann ihn.
Ich bin hier im Kleinen (Siehe oben, Scherz, hahaha) etwas mäandernd auf Erkenntnis- und Geschichtswegen, weil nur so ein Versuch möglich ist, Mythen und Legenden zu rekonstruieren. Auf welchen verschlungenen, untergründigen, nicht sichtbaren Pfaden und Verknüpfungen, Rhizomen, hängen moderne Erzählungen voneinander ab. Wo entscheidet sich, ob jemand ein Held, eine Ikone für Generationen wird oder als Loser im Nebel der Geschichte verschwindet. Aus welchen Geschichten der Vergangenheit wird das Lagerfeuer der Zukunft?
Was bleibt, ist die Hoffnung, dass unsere beiden Flüchtigen nicht so enden wie Butch Cassidy und Sundance Kid.