Liminaler Raum: Einkaufszentrum Mauritius-Kirch-Center, Berlin-Lichtenberg
Liminale Räume sind menschengemachte Räume, die ihre Funktion verloren haben und auf eine neue warten. Ich beschränke mich hier auf private Bauten zum Zweck der Profitmaximierung im öffentlichen Raum, wie z. B. Investorenfinanzierte Einkaufszentren. Sie sind Räume der Veränderung und Innovation, Räume, in denen alles möglich scheint und die sich ständig im Wandel befinden.
Liminale Räume unterscheiden sich von den popkulturell bekannten sogenannten Lost places, korrekt eigentlich: off maps, die zumeist dem Verfall anheimgegeben sind. Liminal Spaces als entwicklungsoffene Räume sind eine Repräsentanz des derzeitigen Zustandes unserer Demokratie: Vom Übergang zum Scheitern …. ? Sie sind aber auch oft konkretes Produkt und Ergebnis normaler Profitgier eines alltäglichen Kapitalismus, der damit die Grundlage und Voraussetzung des Scheiterns von Demokratie produziert. Liminale Räume sind also beides: Repräsentanz und Symbol, aber auch materielle Realität.
Hier im Detail das Beispiel, auf das ich zufällig beim Klappradgestützten Flanieren durch Berlin-Lichtenberg stieß. Das Mauritius-Kirch-Center MKC , ca. 1996 errichtet.
MKC, Atelier & Abendmodenverleih. Dadaismus der Realität ….Durch diese Orten schweben wie nirgends sonst in Metropolen körperlich spürbare Wellen von Melancholie, Sehnsucht, Freude am Entdecken, am Abseitigen, von kontemplativer Ruhe … Es muss nicht immer das Brandenburger Tor sein oder Disney-Prenzelberg. Wenn Sie wissen wollen, was Flanieren ist: Das.
Nach der Finanzkrise 2008 ging es dort stetig bergab, Investoren gaben sich die Klinke in die Hand, der letzte Eigentümer, die Euroboden GmbH, ist pleite. Ihr vermutlicher Plan, aus dem Klotz teuren Büroraum zu machen, ist am Zusammenbruch des Office-Immobilienmarktes gescheitert. In der Marktanalyse von Jones Lang LaSalle ist dieser Zusammenbruch noch vornehm umschrieben . In Berlin stehen zig Bürobauprojekte halbfertig, unangefangen oder pleitegegangen leer, mit absehbar Null Chancen auf Realisierung. Homeoffice nach Corona, Digitalisierung, Rezession und Strukturwandel der Arbeitswelt haben den hochfliegenden Plänen den Garaus gemacht. Bleibt abzuwarten, bis diese Krise, die noch überwiegend eine in den Bilanzen der Investoren und Banken ist, ähnlich wie damals bei Lehman auf die reale Restwirtschaft durchschlägt. Das war damals die größte Wirtschaftskrise nach dem Zweiten Weltkrieg …
Es gibt Ansätze, die hier einen geschlossenen Kreis zum Sommer der Anarchie 1990 sehen, als die Mauer gefallen war und im Osten unglaublich viele Häuser, Wohnungen, Räume leer standen, liminale Räume. Daraus entstand letztlich die Kultur-Metropole Berlin, in die es heute jedes Jahr Millionen zieht. Dass sich auf Grund des aktuellen Leerstands eine ähnliche Chance ergibt, sehe ich allerdings nicht. Zu verschieden ist die Situation. Damals rechtsfreie Räume der Anarchie eines zusammengebrochenen DDR-Systems. Heute das schier unüberwindliche System eines Kapitalismus, dessen Rechtsgrundlage die quasireligiöse Unantastbarkeit des Eigentums ist. Besetztes wird sofort mit maximaler Gewalt geräumt. Und statt einer Pleite-DDR wie Ende der 80er haben wir es mit Milliardenschweren Investoren zu tun, die jahrelang jede Krise spekulativ aussitzen, in der Hoffnung auf veränderte Immobilienbedingungen.
Den Hinweis auf den Begriff der „liminalen Räume“ verdanke ich der intellektuellen Fraktion meines Kreuzberger Domizils, der dafür der Dank gebührt.