15.02.2023 – Der bellizistische Tenor einer geballten veröffentlichten Meinung

Die Sonne lockt Bienen heraus, die sich auf der Suche nach Blumen schon mal verirren. Dieses fette Exemplar hat sich eher die Blumen des Bösen ausgesucht.
Der gleichnamige Gedichtband des notorischen Kiffers und Säufers Charles Baudelaire, der 1867 an den Folgen einer damals unheilbaren Syphilis starb, gehörte früher in den Tornister eines jeden Junghippies, ist aber heute noch lesenswert.
So wie die Hippies als Projektionsfigur nachbürgerlicher Sehnsüchte verschwunden sind, sind es auch die Philosophen und Soziologen als Taktgeber öffentlicher Diskurse. Mit dem Verschwinden von Utopien verschwanden auch sie aus der Wahrnehmung, entweder auf Lehrstühle oder als Taxifahrer. Ausnahmen wie Precht und Welzer bestätigen die Regel.
Die für ihre Forderung nach einem Waffenstillstand in der Ukraine ebenso Prügel bezogen vom veröffentlichten Mainstream wie Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer. Gegen die ließ der Mainstream einen seiner bellizistischen Kläffer namens Herfried (!) Münkler los. Von dem Mann habe ich noch keinen einzigen originellen oder gar kritischen Satz gehört, deshalb war er auch Lehrstuhlinhaber und ist dauernd in den Medien präsent. Mit Münkler liegt man immer richtig. Also falsch.
Dem Versuch des „Manifestes für Frieden“ – von den beiden Frauen initiiert und einer bunten Schar Promi-Bürgerlicher unterzeichnet -, einen Moment Innehalten in all der aktuellen Waffenbesoffenheit herzustellen, unterstellte die intellektuelle Nulllösung Münkler „Komplizenschaft mit dem Aggressor“. So befeuern Münker et. al. die mediale Kriegsbegeisterung, die allerdings von der Hälfte der Bevölkerung nicht geteilt wird.
Seit heute scheint sich allerdings eine Zäsur zumindest in Teilen des veröffentlichten Mainstreams anzubahnen. Denn siehe, Zeus ist vom Olymp herabgestiegen und hat zu uns gesprochen. Der letzte Vertreter aus der Hochzeit der Philosophen und Soziologen, er kannte Teddy W. Adorno noch persönlich, Horkheimer, Marcuse, Gadamer! Was Namen.
Die Rede ist von Jürgen Habermas. Der sich ähnlich nachdenklich äußert wie im Manifest beschrieben. Habermas, von linksradikalen 68ern auch Labermas genannt, kritisiert den „bellizistischen Tenor einer geballten veröffentlichten Meinung, in der das Zögern und die Reflexion der Hälfte der deutschen Bevölkerung nicht zu Worte kommen“.
Aus seiner Sicht „hat die Qualitätssteigerung unserer Waffenlieferungen eine Eigendynamik entwickelt, die uns mehr oder weniger unbemerkt über die Schwelle zu einem dritten Weltkrieg hinaustreiben könnte.“ Die von mir als vollkommen korrupt und undemokratisch titulierte Ukraine geht er professoral wesentlich feiner an, er bescheinigt der Ukraine, „wohl immer noch eine Nation im Werden zu sein“. Eine Formulierung für Feinschmecker.
Dieser Akt des öffentlichen Nachdenkens und Innehaltens des vermutlich weltweit renommiertesten Philosophen/Soziologen der Gegenwart wird nach meiner Einschätzung Wirkung zeigen, bei aller Geringschätzung und Irrelevanz von dessen Zunft. Den bürgerlichen Meinungsmacherinnen ist Habermas nicht nur Begriff, sondern noch Autorität. Das dürfte den Einen oder die Andere auch zum Innehalten bringen.
Ich kann mich aber auch irren. Schaun mer mal.

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