16.12.2024 – Knotenmänner, Körperpanzer, Ninja Warriors und meine Gefühle.

Hätte, hätte, Lichterkette. Vorweihnachtliche Installation mit Sarotti-Mohr und Zigeunersosse, ein morgendlicher Anblick auf meiner Veranda, der mich mit freundlichen Gefühlen erheitert. Gefühle ganz anderer Art hatte ich, als mir neulich in einem verstaubten Winkel ein Roman von Herdis Möllehave in die Hände fiel: Le und die Knotenmänner. Aus den Achtzigern, als die zweite, autonome Frauenbewegung aus dem politisch-kämpferischen Ansatz heraus langsam in einer individualisierenden, selbstermächtigenden Reflexions- und Therapiebewegung versandete. Le Holm: dreißig Jahre, von Beruf Gymnasiallehrerin, geschieden, eine sechsjährige Tochter, allein lebend in Kopenhagen. Eine Frau, die sich beneidenswert findet. Und sich eines Tages das Leben nimmt. Diesem Widerspruch spürt Herdis Møllehave nach. Le ist offensichtlich an den «Knotenmännern» gescheitert, Männern mit versiegelten Seelen und versteinerten Gefühlen.
Knotenmänner, frauenfeindlich, die nicht in der Lage sind, ihre Gefühle zu zeigen und auszuleben, ihre Beziehungen mit Nähe und Wärme zu füllen, was zu Alkohol- und Medikamenten-Süchten und -Flüchten führt.
Der Roman hat nach wie vor Gültigkeit. Er beschreibt das, was man am besten das vorpolitische Terrain nennt, also die Emotionen, Mentalitäten, Dispositionen, die über den zwischenmenschlichen Bereich hinaus in politisches Denken und Handeln münden, die Grundlage dafür sind. Ich würde das Konstrukt der psychischen Verknotungen eher Panzerungen nennen, darin Wilhelm Reich folgend . Die hermetische Abschottung der männlichen Innenwelt gegen das Außen durch einen Körper- und Mentalitätspanzer, der Nichts nach Außen dringen lässt und gerade dadurch Verheerungen im Mann-Innern, in seinen Beziehungen und am Ende in der Welt anrichtet.
Dieser Körperpanzer findet ganz real zunehmend seine Entsprechung auf der Erscheinungsebene. Unlängst fiel mir eine protofaschistische mediale Zurichtung in die Augen beim Zappen: Ein Format namens Ninja Warrior Germany, das logisch und konsequent ein Produkt von Krisenzeit ist, bei dem sich muskelgestählte Krieger sinn- und schmerzfrei durch irgendwelche Parcours hangeln, homoerotisch von den Moderatoren angeschmachtet. „Guck Dir mal das V an, dass der hat“. Damit war wohl die V-förmige Rückenmuskulatur eines hangelnden Kriegers gemeint.
Ein unsägliches Männerbild, nichts weiter als die Zurichtung der Körper und nicht ausgelebter Gefühle für eine zukünftige Verwendung auf dem Schlachtfeld. Von der Körperertüchtigung zur Kriegsertüchtigung sind es nur ein paar kleine Schritte durch einen Parcours und in der Volksverblödungsmaschine.
Es gibt Nichts, was der Kapitalismus nicht funktionsverwendungsfähig macht. Im vorliegenden Fall wird die allgemeine Fitness-Hysterie in eine potentielle Kriegsverwendung überführt. Fitness als Religionsersatz, die Erkenntnis ist nicht neu. Die Hantel ist die Monstranz, die Muckibude die Kathedrale, die Bank zum Drücken war früher die zum Niederknien, der Lauf mit der Konzentration auf das Ich, auf den Augenblick, ersetzt die Exerzitien im Kloster, statt Hostien gibt es Nahrungsergänzungsmittelchen und allerlei esoterisches Gedöns. Und die systemstabilisierende Funktion dieses ganzen Humbugs dürfte auch dem dümmsten Trottel der Kompanie auffallen. Normalerweise würde ich sagen: Jedem Tierchen sein Pläsierchen, soll‘n se machen. Aber leider leben wir nicht in normalen Zeiten.
Da wir hier über Gefühle reden: Was waren und sind nun meine Gefühle in dieser Angelegenheit? Den TV-Trash fand ich gefährlich in seiner ideologischen Funktion, den Anblick der Muskelmänner albern, peinlich, lächerlich. Wie kann man kostbare Lebenszeit für die Zurichtung von Muskeln vergeuden. Zumal das wichtigste männliche Organ ja kein Muskel ist.
Das Gehirn. Und etwas traurig war ich beim Anblick des verstaubten Romans darüber, wie die autonome – politische – Frauenbewegung geendet ist, wäre sie doch heute notwendiger denn je.
Denn die Dritte Welle der Frauenbewegung ab den 90ern hat sich leider im Verheddern in Identitätskonstruktionen und Ethnozentrismusdebatten in weiten Teilen in einen veritablen Antisemitismus verstrickt. Und das, liebe Schwestern, finde ich zum Kotzen. Um bei meinen Gefühlen zu bleiben.

Nun aber wieder zu freundlichen Vorweihnachtsgefühlen, mit einem kleinen Vierzeiler von früher:
Advent, Advent,
ein Kaufhaus brennt.
Erst eins, dann zwei, dann drei, dann vier,
dann steht der Baader vor der Tür.

1 thought on “16.12.2024 – Knotenmänner, Körperpanzer, Ninja Warriors und meine Gefühle.

  1. drover sointeru

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