29.02.2020 – Realität, Metapher und Mythos: Vom Virus, vom Gift und vom Volkskörper.


Stecker rein, Stecker raus. Screenshot von meinem PC. Information ist alles. Aber man kann’s auch übertreiben. Zumal mir sowieso jedes Verständnis vom Innenleben eines Betriebssystems fehlt und mich diese Dinge eigentlich alltäglich überfordern. Dass es mit der wachsenden Flut an Informationen vielen Menschen ähnlich geht, ist eine Binsenweisheit, trägt aber aktuell in Zeiten von Pest und Cholera zum zunehmend nervösen Vibrieren des „Volkskörpers“ bei. Der Begriff „Volkskörper“ ist ein genuin faschistischer:
Er wurde (Zitat):
“ … im politischen Sprachgebrauch als Metapher (benutzt), die ein organizistisches und biologistisches Verständnis von „Volk“ und Gesellschaft ausdrückte. Sie wurde in Deutschland während des 19. und 20. Jahrhunderts vor allem in antisemitischen und rassenhygienischen Texten benutzt, um das als biologische und rassische Einheit konzipierte „Volk“ semantisch gegenüber sogenannten „Parasiten“, „Schädlingen“ und „Krankheiten“ abzugrenzen. … Die Metapher des Volkskörpers stand deshalb während des Nationalsozialismus in einem engen Zusammenhang mit der nationalsozialistischen Rassen- und Euthanasiepolitik.“
Grundlage für den Wikipedia-Artikel ist u. a. ein Artikel von Thomas Bryant in „Virus. Beiträge zur Sozialgeschichte der Medizin,“ 9, 2010, Hg. Verein für Sozialgeschichte der Medizin, Wien.“
AfD-Nazis wie Höcke delirieren von „brandigen Gliedern am Volkskörper, die nicht mit Lavendelwasser kuriert“ werden könnten.
Der „Volkskörper“ wird in der Sicht der Faschisten durch alles Fremde bedroht, was gerne mit Mikroorganismus-Metaphorik als naturgegebene Schädlings-Bedrohung diffamiert wird, siehe auch Bazillus und Parasit.
In diese Kategorie des Schädlings fällt auch „Virus“ (lat. „Gift“), zuerst 1935 als solcher benannt in Abgrenzung zum Bakterium, insofern eine modernere Schädlingsvariante.
Es ist eine Realität, dass das Corona-Virus nicht nur die Börse in Panik versetzt, sondern die Gesellschaft nervös macht. Noch nur nervös. Anstatt sich auf Informationen des Robert-Koch-Institutes zu fokussieren, wird in abendlicher Runde gerne schon mal verlautbar, dass das Corona-Virus aus einem CIA-Labor entlaufen ist. Diese alltäglichen Kleinigkeiten machen vor dem Hintergrund des eingangs Skizzierten nachvollziehbar, welche irrationalen Unterströmungen in unserer Gesellschaft um sich greifen.
Insofern hat es mich auch unangenehm berührt, als nach den faschistischen Morden von Hanau unisono im politischen Sprachgebrauch für diesen gesellschaftlichen Zusammenhang dauernd von „Gift“, einer biologistischen Metapher, die Rede war, siehe Merkel: „Rassismus ist Gift, etc.. „
Gift zersetzt den Körper. Und da ist über die Hintertür der Metaphorik dem Mythos vom „Volkskörper“ mit allen seinen semantischen und politischen Konsequenzen Tür und Tor geöffnet. Ohne es zu wollen. Ich unterstelle Angela Merkel und anderen gutmeinenden Bürgerlichen keine Nähe zu faschistoider Terminologie. Es ist einfach wieder mal „nur“ bürgerlicher und damit überforderter Antifaschismus.
Ich halte diese Form der hier in Ansätzen beschriebenen gesellschaftlichen Kontamination mit Metaphern und Mythen in letzter Konsequenz für gefährlicher als die Corona-Seuche. Die läuft sich irgendwann tot wie jede Seuche bisher. Bis zur nächsten.
Bis dahin: Händewaschen, Grippeimpfen, desinfizieren, Sport treiben und Finger weg von Verschwörungstheorien.

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