09.03.2020 – Der Hitlergruß als Seuchenprävention


Wo aber Gefahr ist, wächst das Blühende auch. Blutpflaumenblüten, Anfang März.
Im Originalgedicht „Patmos“ von Hölderlin heißt es:
„….
Wo aber Gefahr ist, wächst
Das Rettende auch.
Im Finstern wohnen
Die Adler und furchtlos gehn
Die Söhne der Alpen über den Abgrund weg
Auf leichtgebaueten Brücken. …“

Wohlan, Söhne und Töchter der norddeutschen Tiefebene, des Mittelgebirgsraumes, von Ioniens Gestaden, der Äolischen Ufer und der Pontinischen Sümpfe, folgt den Bildern des Meisters und seid furchtlos. Angesichts des Abgrunds, der sich gerade an den Börsen auftut, die mit Minus 7 Prozent eröffnen, eine weise Sicht der Dinge. Das Öl ist in der Nacht um 30 Prozent abgekackt und dabei handelt es nicht um kaltgepresstes Olivenöl. Keine weiß, wo angesichts der Seuche die Reise hingeht und das nehmen wir durchaus wörtlich. Urlaubsplanungen sind volatil wie die Tesla-Aktie. Italienreisen? Haken dran. Wieso sind eigentlich in Italien so viele infiziert? Die Medien sind bisher reichlich hilflos in der Analyse. Weil angeblich soviel getestet wird. Hm.
Nirgendwo – nach meiner Kenntnis – wurde die Existenz des sogenannten „Pronto Moda“ Systems als mögliche Mitursache diskutiert. Zehntausende Chinesen arbeiten in Norditalien illegal in Sweatshops der Modeindustrie – ohne Papiere, ohne Versicherung, ohne Gesundheitsversorgung. Unter verheerenden hygienischen Bedingungen, sicher auch in direkten Kontakten mit dem Heimatland. Das 1. Gebot des Kapitalismus wird hier idealiter verwirklicht: Ich bin der Herr, Dein Profit. Du sollst keine anderen Gefühle neben mir haben außer Gier.
Billig, schnell. Und mit dem Stempel, der für Mode der Goldstandard ist: Made in Italy.
Könnte man ja mal in Erwägung ziehen als möglichen Seuchenbeschleuniger. Wer von Seuchen redet, darf vom Kapitalismus nicht schweigen.
Meine flapsige Empfehlung von unlängst, zur Begrüßung die Ghettofaust zu nehmen, ziehe ich hiermit zurück. Grundsätzlich keinen Handkontakt, maximal die Heinsberg-Begrüßung: Ellbogen an Ellbogen. Am Wochenende habe ich ein paar einführende Worte zur Vernissage eines Künstler-Kollegen verloren. Es waren doch einige Leute da und ich wunderte mich nur über die Unbefangenheit, mit der Hände geschüttelt wurden und Umarmungen ausgetauscht. Ich bin nicht Seuchenparanoid, aber in ein paar Dingen versuche ich schon, peu à peu mein Alltagsverhalten zu ändern, zumal niemand weiß, wohin die Reise noch …. siehe oben.
Ich veranstaltete eine kleine Perfomance, die erste Corona-Performance der Welt, bei der ich unter anderem verkündete, dass die Bundesregierung per Erlass vor 10 Minuten die Heinsberg-Begrüßung für alle Insassen der BRD zwingend vorgeschrieben habe und verloste Corona unter das Publikum. Corona Bier. Alles verbunden mit wohlfeilen Appellen an Verstand und Vernunft der Anwesenden. Für einen Moment hatte ich erwogen, den Hitlergruß als Seuchenprävention zu propagieren. Null Hautkontakt und idealer Abstandshalter, wenn sich zwei so begrüßen, weit über den empfohlenen einen Meter hinaus.
Ich habe es gelassen. Es waren Jugendliche im Publikum. Ironie versteht der Mensch, wenn überhaupt, als letztes sozialkognitives Verhaltensmuster und ich hatte keinen Bock auf keifende Gesamtschullehrer*innen, die am Montag bei mir anrufen und sich beschweren, dass ich ihren Blagen den Hitlergruß beigebracht hätte.
Ich wünsche Ihnen eine ansteckungsfreie Woche, liebe Leser*innen

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