23.03.2020 – Woher kommt eigentlich unser Geld? Oder: Von Mythen und Märchen.


Zur Zeit haben wir einen Bärenmarkt. Die Börsenkurse kennen nur eine Richtung: Den freien Fall. Wer sein Geld in einem Dax-Fond angelegt hat, der die 30 größten Unternehmen Deutschlands abbildet, verzeichnet Stand heute vor Börsenöffnung einen Verlust von 35 Prozent für die letzten vier Wochen. Da Geld der zentrale Schmierstoff unseres Systems ist, die Antriebskraft allen ökonomischen Handelns und aus Sicht der Ideologiekritik die mörderischste Droge überhaupt, stellt sich gerade in Krisenzeiten die Frage:
„Also, wat is en Jeld? Da stelle mehr uns janz dumm. Und da sage mer so: en Jeld is …
Und hier wird es im Gegensatz zur Feuerzangenbowle mit der legendären Dampfmaschin komplex. Gehen Sie spaßeshalber mal in die nächste Bürgerin-Sprechstunde ihrer Bundestagsabgeordneten mit der Frage:
„Wo kommt eigentlich unser Geld her? Wie entsteht Geld?“
Sie werden entweder satirischen Blödsinn zu hören bekommen, wie: „Durch harte Arbeit.“ Scheinwissenschaftliches wie: „Die Geldmenge bildet unser Bruttoinlandsprodukt ab.“ Oder vorherrschende Meinung wie: „Die Banken kriegen von den Sparenden Geld, das sie als Kredite weitergeben.“
Sie werden nur in seltenen Ausnahmen die richtige Antwort erhalten:
Geld entsteht aus dem Nichts.
Die 750 Mrd. Euro, die die EZB z. B. zur Krisenintervention locker machen will, hat sie nicht im Tresor liegen oder als Guthaben bei anderen Banken, dieses Geld ist eine fiktive Buchungsgröße, eine Frage von Nullen und Einsen. Das EZB-Geld wird beim Kauf von Anleihen dem Verkäufer virtuell gutgeschrieben, aus Null = kein Geld wird 1 = Geld. Es kommt aus dem Nichts.
Das deutet sich hier im versteckten, aber zentralen Satz in der Süddeutschen an, die das dann leider nicht weiter ausführt:
„ …Eine Notenbank kann grenzenlos Geld schaffen..“
Wer den Hintergrund verstehen will: Hier ist ein sehr lesenswerter taz-Artikel von 2017, in dem mit Mythen und Märchen aufgeräumt wird. Zitat, nach der Deutschen Bundesbank:
„ … Erst sagt die Bank einen Kredit zu – und dann bucht sie dieses Geld einfach auf das Konto ihres Kunden. Das Geld gab es vorher nicht, sondern es entsteht erst durch diese Kreditvergabe…“
Geld wird also durch einen Buchungsakt geschaffen, aus dem Nichts.
Das hat weitreichende Folgen, die sich im Krisen-Moment mit atemberaubender Geschwindigkeit in Politik umsetzen. Waren vor Corona Schulden Teufelszeug, die Schuldenbremse sogar im Grundgesetz festgeschrieben und die am häufigsten zitierte Nervensäge die schwäbische Hausfrau, die auch nicht mehr ausgeben könne als sie einnähme, ist es innerhalb von wenigen Tagen völlig egal, ob „wir“ zwei oder drei Billionen Schulden haben, wie ein Wirtschaftsweiser (!) in einem seltenen Anfall von Erkenntnis verlautbart.
Das Schlimme an Mythen und Märchen über Geld ist, dass sie viel wirksamer haften als die Realität der Fakten. Es ist eben wesentlich einfacher, kenntnisfrei über eine schwäbische Hausfrau zu faseln als sich mit einer relativ komplexen ökomischen Realität wie Geld auseinanderzusetzen. Wenn es nicht so brandgefährlich wäre, könnte man es putzig finden, wie wenig Kenntnis über den zentralen Schmierstoff unseres Systems besteht: Geld, das uns bis in jede Faser des Denken und Handelns verfolgt, Alpträume und Glück produziert und lebendige Beziehungen von Menschen zu Menschen zu Stein erstarren lässt.
Putzigen Tag noch, liebe Leserinnen, und stecken Sie sich beim Geldausgeben nicht an.

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