04.04.2020 – Corona Extra


Nebenan, hat das Zeug zur Kultkneipe, in postcoronösen Zeiten.
Morgens aufgewacht, was eindeutig ein Fehler war. Corona ist immer noch da, Boris Johnson lebt noch, Trump ist noch nicht mal infiziert und Bill Withers ist tot. Sieht so Gerechtigkeit aus, oh Herr?! Dürfte ich nur ein Lied auf die sprichwörtliche Insel (ohne Empfang, das muss man heute dazufügen) mitnehmen, wäre es vermutlich „Lean on me“. Der weitere Vormittag verläuft nur unwesentlich besser als meine eigene Hinrichtung. Ich ertappe mich dabei, wie ich an der Spüle gefühlt tagelang auf einen schmutzigen Teller starre und mich nicht entscheiden kann, ob ich ihn einfach abspülen oder zum dreckigen Restabwasch stellen soll. Nachdem ich zwei Stunden für den Weg zum PC gebraucht habe, um Mails zu checken, stelle ich mit Entsetzen fest, dass da zwei dienstliche dabei sind. Eine Entscheidung wie zwischen Scylla, Charybdis, Pest und Cholera: Welche mache ich zuerst auf? Wie reagiere ich darauf? Einfach ignorieren? Zur Sau machen? Auf nächste Woche verschieben? Konstruktiv gar? Letzteres vergesse ich gleich. Der Entscheidungs-Rest lässt mir den Schweiß ausbrechen, und das mir, der ich normalerweise entscheidungsstark wie ein Torpedo durch das Meer der Mails pflüge. Herrjemine. Soll ich gleich an meinen Drogenschrank gehen, erst den Morgenbrandy köpfen oder lieber doch den Mittagsschlaf vorziehen?
Schon wieder Entscheidungen. Ich flüchte in meinen Blog (siehe hier) und siehe da, Erleichterung und Erkenntnis machen sich breit. Ich bin offensichtlich in der mir bekannten Faulheitsfalle gelandet.
Ich habe im Moment mangels Termine weniger zu arbeiten, die Kulturproduktion ruht, social distancing ist angesagt, Gartenarbeit ist was für den Mob.
Faulheit ist auch Genuss und ich habe reichlich in den letzten Tagen genossen. Aber irgendwann ist das ein sich selbst verstärkender Prozess, der schwer umkehrbar wird.
Ich kenne das aus Phasen von Arbeitslosigkeit, wo ich an einem bestimmten Punkt feststellte, dass ich pro Tag mehr erledigt hatte an jobfernen Tätigkeiten, als ich noch in Lohn und Brot war.
Das Fehlen von Struktur, Ordnung, Sinn, Sozialität, ist neben dem materiellen Zaster-Mangel das Krebsübel bei längerfristiger Erwerbslosigkeit und das wird je nach Länge der Corona-Krise und Kurzarbeit, von wachsender Arbeitslosigkeit, auch von Home-Office, noch zu Verwerfungen führen. Da würde mich eine Jahresverbrauchskurve von Psychopharmaka mal interessieren.
Ich tröste mich derweil mit dem erhabenen Gefühl von Sinn und Struktur in meinem Leben, wenn ich die zwei Positionen „Butter“ und „Eier“ von meiner Erledigungsliste streichen kann. Außerdem kenne ich solche Phasen der sich selbstverstärkenden Faulheit, irgendwann überwältigt mich meine preußische Arbeits-Ader der Pflichterfüllung und Disziplin, irgendein geniales Kunstprojekt, das nun aber final meinen Durchbruch bringt, hat mein Hirn beim Kacken wie der Blitz getroffen und harrt der Konkretisierung und mein Blog bleibt mir immer. Falls Sie, liebe Leserinnen, solche Phasen wie hier beschrieben kennen oder noch kennen lernen werden, mein Rat:
Schreiben Sie auch einen Blog, erstmal mit Ihren ganzen Reisen vollmüllen, dann mit Ihrem nichtigen Alltag, und wenn Sie’s klebrig wollen, mit Ihrem Beziehungsfrust, aber um Göttins Willen anonym, das Internet verzeiht niemals!
Und wenn Sie einigermaßen Statistikaffin sind, können Sie sich an denen ihres Blogs lange ergötzen. Hier mein Beispiel:

Statistik Blog-Tagesverlauf 01.04.2020. 1005 Visits (=Besucherinnen), die 2839 Pageimpressions (= einzelne Klicks im Besuchsverlauf, z. B. auf ein Bild, oder einen Link) hinterließen. Zwischen 0 und 7 Uhr war Ruhe im Besuchskarton, dann zieht die Kurve an und hat zwei Peaks um 15 Uhr, zum Feierabend hin, und 22 Uhr, zum Bubu hin, noch mal schnell gucken, was der putzige Autor wieder hinterlassen hat.
Ich liebe Statistiken.
Und jetzt beantworte ich die zwei Mails. Es geht voran.
Und die Sonne lacht auch, da sind wir schon zu zweit.

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