
Stammtisch Stillleben mit Brauneberger Juffer, Spätlese 1985. In jenen Zeiten gab es noch flächendeckend Stammtische, die je nach Stand und Einkommen von Bier, Korn und Stuyvesant oder Spätlese und Handelsgold flankiert wurden. Die Nazis der Nation erbrachen ihren geistigen Unrat im Brodem der Kneipen am runden Tisch und den Rest später vor der Tür. Das ganze Setting war ein überaus erfolgreicher nationaler Identitätsstifter und demzufolge kam die Politik auf die famose Idee, den Runden Tisch als Politikinstrument zu initialisieren und die Lufthoheit über die Stammtische erlangen zu wollen, also Nazi-kompatibel zu werden. Was für Folgen das hatte, kann man anhand der Annexion der Ostzone besichtigen, für die der Runde Tisch größere Symbolkraft erlangte als das Brandenburger Tor. Und an der Freiluft-Fortsetzung des Stammtischs, den Verquerdenker-Demos, die im Frisch-Fromm-Fröhlich-Frei-Geist des Turnvater Jahn agieren, der nebenberuflich noch notorischer Antisemit war: Hauptsache an der frischen Luft, in Bewegung und geistigen Unrat absondern. Da wünscht man sich den klassischen Stammtisch zurück, da hatte man das Elend wenigstens nicht direkt vor Augen, und deren Insassen verhielten sich ja extrem lebensverkürzend mit ihrem Alkohol- und Tabak-Abusus, anders als die Frischluft-Nazis. Der Einzige, der auf deren Demos Alkohol verklappt, bin ich mit meinem Flachmann, wenn ich da als Beobachter des Völkischen unterwegs bin.
Obiger Brauneberger Juffer war, obzwar eine der großen Lagen an der Mosel, eine Enttäuschung. Günstige Umstände spülten ihn in meinen Keller und da ein 85er durchaus noch convenieren kann, entkorkte ich ihn frohen Mutes. Aber ach, die Zeiten und der Geschmack ändern sich: eine eher süßliche Angelegenheit mit flacher Säure. Ich verarbeitete ihn zu einer Gemüsebrühe, die ich unter anderem als Basis für eine Linsensalat-Vinaigrette nutzte. Jetzt fange ich in Corona-Zeiten auch noch an, den Maître de Cuisine raushängen zu lassen. Bei mir stellte sich ein Soßenfeeling ein: ich fühlte mich reduziert. Das kann doch nicht Sinn und Ziel menschlicher Existenz sein: Am Herd stehen und rumköcheln. Rum köcheln vielleicht, aber nicht rumköcheln. Corona, verflucht seist Du. Man schnurrt in diesen Zeiten irgendwie zusammen und das Schlimmste daran: Es nervt kaum. Der Mensch richtet sich in so viel ein und redet sich auch den ödesten Zustand noch nett, siehe Erwerbsarbeit, Ehe, Kapitalismus, Sossenreduzieren. Bevor es hier noch platter wird, wieder handfestes: Börsentipps für Anfänger. Kaufen Sie jetzt Aktien, deren Geschäftsmodel Internetbasiert ist, wie Zalando, Hellofresh, Zoom. Am Horizont bahnt sich nach Weihnachten ein heftiger Lockdown an, wenn die Millionen Fammilljenbandenmitglieder postfestlich die Seuche in der ganzen BRD verbreitet haben werden und die Fallzahlen explodieren. Dann gehen die Aktien für Internetgedöns durch die Decke.
Das wäre aber unethisches Handeln, werfen Sie, liebe Leserin, jetzt ein? I bitt Sie, das Herz schlägt links und das Portemonnaie sitzt rechts. Und in wie vielen rechtschaffen-grün-alternaiven Haushalten wurde in letzter Zeit nicht Stoß geseufzt: „Jetzt verdien ich schon ganz ordentlich, dann noch letztes Jahr die Erbschaft von Onkel Friedrich – und jetzt kann man das Geld gar nicht ausgeben für Urlaube, Städtetouren, Restaurants etc., irgendwo muss der Zaster doch hin?“
40 Prozent aller Haushalte haben Schulden, nix oder Rücklagen für weniger als ein paar Tage. Heißt aber auch: 60 Prozent geht’s ganz bis sehr gut. Das sind die Mehreren, und das ist das Geschäftsmodell Demokratie.
Ich geh jetzt wieder in die Küche, kochen ….
29.11.2020 – Börsentipps für Anfänger
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