30.06.2022 – Wann ist man Zuhause?


Diverse Scheisse 1,50 – 3,50. Hab ich schon mal im Blog verwurstet, aber ein gutes Motiv kann man mehrfach verwenden.
Klickedi Klickedi klick, ratata ratata, badamm badamm… Freitag ist Rollkoffer-Tag in Kreuzberg.
Myriaden von Wochenend-Touristinnen hämmern erwartungsvolle Stakkato-Rhythmen mit ihren Rollkoffern in die gepeinigten Pflaster von Kreuzberg. Zum Missvergnügen der Eingeborenen, zumindest jener, die nicht ihr Geld mit dem Wirtschaftsmodell Tourismus verdienen. Wann immer ich hier in meinem Kiez ankommen, deponiere ich meinen Trolley im Zimmer, hänge den Rucksack ab , greife meinen Einkaufsbeutel und wende mich forschen Schritts, weit jenseits vom touristischen Müssiggänger-Schlendrian, zur Marheineke -Markthalle, durch das Epizentrum des globalen Tourismus, den Bergmann-Kiez. Jeder Zoll strahlt – hoffentlich – aus: „Ich bin ein Eingeborener. Mein Vorfahren wohnen hier seit Jahrtausenden, zurück bis Gaius Julius Cruzifixus Montanus, Kreuzberg-Gründer im Jahre 68 unserer Zeitrechnung“. Grimmig denke ich: „Hoffentlich halten mich diese Touri-Deppen nicht für einen von ihnen.“
Ich fühle mich hier heimisch. Aber Zuhause? Wann ist man Zuhause? Die Frage wird jenseits anektodischer Erzählung immer relevanter angesichts rasender Mobilität im Zeitalter grenzenloser Globalisierung, in der der Neoliberalismus die Individuen je nach Marktbedürfnis heute hierhin, morgen dorthin schleudert. Von wachsender Armutsmigration, Fluchtbewegung, Obdachlosigkeit ganz zu schweigen. Mit dem Ergebnis von wachsender Wurzellosigkeit, Einsamkeit, fehlender Verortung. Heimatlos. Wann ist man Zuhause? Der Neoliberale sagt: Wenn man in der eigenen, abbezahlten Eigentumswohnung wohnt. Der Romantiker sagt: Home is where my heart is.
Eine pragmatische Definition ist vielleicht: Zuhause ist der Ort, auf den man sich in einem perfekt gelungenen Urlaub auch schon mal zwischendurch
v o r dem Abreisetag freut.
Eine andere Variante: Wo immer solche Motive wie das oben gehäuft auftauchen, da bin ich Zuhause.
Sicher ist: Morgen ist wieder Rollkoffer-Tag.

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