15.08.2022 – Ich kann das Brandenburger Tor nicht mehr sehen


Ist aber manchmal nicht zu vermeiden, bei Großdemos auf der „Straße des 17. Juni“ z. B. oder wenn die Kunst ruft, in Gestalt der Akademie der Künste als ein Spielort der Berliner Biennale . Es wäre sinnvoller gewesen, meinen Haaren bei Ausfallen zuzugucken als mir das Geschmiere in der Akademie anzutun. Auf riesigen Lappen, die von der Decke hängen, sind irgendwelche Diagramme, Stammbäume, Entwicklungen gekritzelt, die irgendwas verdeutlichen sollen, Kolonialismus, Kapitalismus, alles Übel dieser Welt halt, von Adam – ohne Eva – bis Heute und Morgen. Was Künstlerinnen halt so kritzeln, wenn sie keine klaren Gedanken fassen können und dieses Unvermögen auch noch in Worte kleiden wollen, aber zu dumm oder zu faul für ein Manifest sind. Manifeste waren früher in solchen Kreisen sehr beliebt. Ich hab auch mal eins verfasst. Gegen das massenhafte Verfassen von Manifesten.
Sonst hängt in der Akademie zur Biennale: Nichts. Nur ein einsamer Feuerlöscher.
Zornbebend schritt ich von dannen, an der Kasse meine Meinung hinterlassend: „Das ist Beschiss am zahlenden Kunden.“
Es ist eine zunehmende Unsitte in der zeitgenössischen Kunst, irgendwelche Diagramme zu kritzeln und wehrlose Wände damit vollzukleistern, oft als Ergebnis von Recherchen und Dokumentationen, gerne auch im Kollektiv. Was dabei rauskommt, ist auf der Documenta zu beobachten, siehe Ruangrupa. Nichts gegen Kunst, die sich in die Wirklichkeit begibt. Im Gegenteil, schon Bert Brecht und Walter Benjamin haben das gefordert, anknüpfend an die sowjetische Avantgarde um Wladimir Tretjakov. Und Nichts anderes als eingreifende Kulturproduktion mache ich seit Jahrhunderten. Raus auf die Straße, da tobt das Leben, nicht zwischen zwei Buchdeckeln oder auf einer Leinwand. Aber das muss dann auch ein ästhetisches Eigenleben haben, visuelle Kraft, Imagination, Transzendenz, bei aller Parteilichkeit.
Was in der Akademie der Künste hängt, ist Fortsetzung der Soziologie mit anderen Mitteln, eine Kastration der Kunst.
Dass es auch anders zeigt, zeigt die Biennale selbst, im KW Kunst-Werke Berlin.

Optische Opulenz.
Das Kunstthema heuer ist Dekolonisation, also der Prozess der Aneignung und gewaltsamen Eroberung und Unterdrückung der Welt durch weiße, zuerst europäische und männliche Eroberer und der langsame Ablösungsprozess von dieser Entwicklung. Dass sich dadurch linker Antisemitismus mal wieder Bahn bricht, der offensichtlich unter Kunstbolschewisten noch stärker als im Rest vertreten ist, ist die Kehrseite dieser Medaille. Hier wird versucht, die Singularität des Holocaust zu negieren, in dem der als ein Ereignis neben vielen mörderischen weißen, in dem Fall zufällig deutschen, räuberischen Vernichtungsfeldzügen gesehen wird, im Holocaust-Fall in Osteuropa.
Bei aller Grausamkeit der spanischen Conquistadoren oder bei der Vernichtung der indigenen Bevölkerung in Amerika: Die Gleichsetzung mit dem geplanten und durchgeführten industriellen Massenmord der Nazis an 6 Millionen Juden, Sinti und Rom ist geschichtsklitternd und moralisch verkommen, das ist wahnhafter Antisemitismus. Kolonialismus kannte viele Ziele: Ausbeutung, Unterwerfung, Aneignung, Fraternisierung etc. pp. Der Holocaust kannte nur ein Ziel: Vernichtung.
In diese zeitgenössische Dekolonisations-Kunstfalle nicht getappt zu sein, auch das ist ein Verdient der KW, die der Shoah breiten und überaus beeindruckenden Raum einräumen.
Und so lohnt sie sich trotz allen Ärgerns immer wieder, die Kunst.

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