03.10.2022 – Wenn zwei große Köpfe aufeinandertreffen, kann es trotzdem schon mal hohl klingen.


Schild an der Bar Vereinszimmer, gegenüber Wasserfall Kreuzberg im Viktoriapark, an dem ich in Berlin täglich vorbeikomme. Das einem Metropolendesign völlig konträre Schwarzwaldambiente dort ist für mich im Vorbeiflanieren nach wie vor einen Moment des kontemplativen Nachfühlens und inneren Grinsens wert. Das Ganze passt so überhaupt nicht zusammen, dass es eine Freude ist. Außerdem ist es eine Labsal, in den Dauerbrüllendheissen Sommern die Füße ins kühle, sprudelnde Nass zu halten.
Heuer hat’s sich was mit Nass. Vor Monaten hat laut Medien eine Ratte in der Pumpstation ein Kabel durchgenagt und jenseits aller Wassersparmaßnahmen hat es die Stadtverwaltung bis heuer nicht geschafft, das Kabel zu flicken und Wasser in Marsch zu setzen.
Ob die Medien das richtig kolportiert haben, entzieht sich meiner Kenntnis. Zumal die zurzeit vollauf mit Precht-Welzer Bashing beschäftigt sind. Die beiden Groß- und Querdenker haben eine Medienschelte unter dem Titel „Die Vierte Gewalt“ veröffentlicht, in der sie den Medien unterstellen, dort würde mainstreammässig immer in die gleiche Richtung geschrieben, eine stromlinienförmige Meinung und Ansicht verbreitet, weil Journalistinnen dem Mainstream verinnerlicht hätten und sich an Leitwölfen orientieren würden. Paradebeispiel Ukrainekrieg, wo Precht und Welzer eine dissidente Meinung veröffentlicht hatten, nicht dem bellizistischen Mainstream folgend. Dafür wurden sie ebenso niedergemacht wie natürlich für ihre Medienschelte, die gerne auch unter die Gürtellinie tritt.
Ich habe das Buch nicht gelesen und zwei, drei Medienkommentare reichen mir, kennste zwei, kennste alle. Natürlich haben die Beiden recht. Nur aus den falschen Gründen. Die von ihnen geschilderte Gleichförmigkeit der Meinungen und Ansichten, mit graduellen Unterschieden zwischen z. B. „FAZ“ und „Welt“ einerseits und „Zeit“ und „Spiegel“ andererseits, hat als Hauptursache sicher nicht, auch richtige, sozialpsychologische Gründe, wie Herdentrieb, Orientierung am Leitwolf etc. pp. Die Hauptursache, und an deren Erkenntnis scheitern unsere zwei Groß- und Querdenker notwendigerweise, weil sie in ihrer bürgerlichen Ideologie gefangen sind, liegt in der Meinungsfreiheit. Hä?
Wir haben Meinungsfreiheit. Jede Journalistin hat die Freiheit, die Meinung ihres Verlegers zu vertreten. Tut sie das nicht, ist sie über kurz oder lang ihren Job los. Und das in harten Zeiten. Ergo haben dieses Diktum seit Jahrzehnten Legionen von Schreiberlingen verinnerlicht respektive, und das ist viel schlimmer als schierer Opportinusmus, hat jahrzehntelange auch mediale Zurichtung ihrer Köpfe dazu geführt, dass sie die gleichen Interessen wie ihr Verleger vertreten. Obwohl sie im Zweifel aus der Klasse des Prekariats kommen oder demnächst dort landen werden. Während ihr Verleger zur Klasse des Kapitals gehört. Ist er souverän, lässt es seinen Domestiken auch schon mal Sachen durchgehen wie „Der Markt muss jetzt aber mal echt reguliert werden und gezügelt.“ Im Zweifel gilt aber natürlich die Generallinie. Wie z. B. „Eigentum ist unantastbar.“
Sie, liebe Leserinnen, werden daher in 95-99 Prozent aller Medien niemals nachhaltig lesen können, dass es eine unglaubliche Schweinerei ist, dass z. B. unser kostbarstes Gut, die Gesundheit, der Börsenspekulation und den Gesetzen des neoliberalen Marktes unterliegt, dass wir also Börsennotierte Krankenhauskonzerne besitzen, dass wir immer mehr Krankenhäuser dicht machen müssen, weil „es sich nicht rechnet“, dass die Beschäftigten dort aus Gewinnmaximierungsgründen sich kaputtschuften etc. pp., Und das ergo das Gesundheitswesen wie das Energiewesen, das Bildungswesen, das Verkehrswesen komplett in staatliche Verwaltung gehören.
Oder habe ich da was überlesen? Also das Verdienst unseres rebellischen Duos ist, das Richtige zu sagen, aus den falschen und unzureichenden Gründen.
Wenn zwei große Köpfe aufeinandertreffen, kann es trotzdem schon mal hohl klingen.

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