02.10.2022 – Wir sind im Krieg


Berliner Mauer am Brandenburger Tor. Foto von 1971 mit meiner Drohne.
100 DDR-Flüchtlinge wurden zwischen 1961 und 1989 beim Versuch zu fliehen hier erschossen oder verunglückten tödlich.
3.100 Menschen starben 2021 beim Versuch über das Mittelmeer nach Europa zu fliehen, die Dunkelziffer dürfte um ein Vielfaches höher liegen.
Am Vorabend des Tags der deutschen Einheit. Angesichts des aktuellen langen Marsches der Geschichte in das Ungewisse einer kalten Dämmerung lohnt sich ein kurzes Innehalten und Nachdenken über Mythen, die mit der deutschen Einheit und dem Fall des Eisernen Vorhangs verknüpft sind. Ein viel gepriesener Mythos ist der vom unblutigen Ende des Ostblocks beim Fall des Eisernen Vorhangs (sieht man mal von Rumänien ab).
Das kann im Ernst nur behaupten, wer ein historisches Ereignis losgelöst von seinen dadurch ausgelösten Konsequenzen betrachtet. Der Fall der Sowjetunion war weitgehend unblutig, hatte aber als direkte Konsequenz eine Kette von Kriegen der neu entstehenden Nationen und Ethnien des zerfallenen Reiches untereinander sowie von blutigen Militärinterventionen des zunehmend imperialistisch agierenden Russland, wie im Bürgerkrieg in Tadschikistan mit bis zu 150.000 Toten. Die Tatsache, dass das hierzulande kein Schwein interessierte, heißt ja nicht, dass es nicht Realität ist.
Als direkte Folge vom Zerfall des „Reich des Bösen“ löste sich Jugoslawien ab 1991 auf und die entstehenden Teilstaaten hatten nichts Besseres zu tun, als sofort im völkischen Wahn übereinander herzufallen, mit weit über 100.000 Toten in einer Kette von Kriegen. Unblutiges Ende?
Es gab Gewinner und Profiteure der Einheit, es gab Verliererinnen. Die Redlichkeit gebietet, die ungesungenen Verse dieses Epos ins bessere Licht jenes Theaters zu rücken, das wir Weltgeschichte nennen. Und jedes Theaterstück hat ein Ende. Welches Ende hat das derzeitige Schmierenstück, dessen Prolog 1989 aufgeführt wurde?
Helmut Kohl, bis auf die Knochen korrupt, aber nicht blöd, war damals vehement gegen den Untergang vom Reich des Bösen, nicht aus moralischen, sondern aus geopolitischen Gründen. Zitat:
„… Der Christdemokrat hielt damals einen Untergang der UdSSR für eine »Katastrophe« und erklärte, wer das anstrebe, sei ein »Esel«. Als Esten, Litauer und Letten aus der Sowjetunion drängten, befand Kohl entsprechend, sie seien auf dem »falschen Weg« und sollten sich lieber gedulden. Er dachte wohl an eine Dauer von zehn weiteren Jahren. Auch die Ukraine sollte am liebsten im Sowjetimperium bleiben, vorerst zumindest, um deren Bestand nicht zu gefährden. Als das nicht zu machen war, setzte Kohl auf eine Konföderation der Ukraine mit Russland und anderen ehemaligen Sowjetrepubliken …“
Vielleicht steht in den Schulbüchern der 2030er, wenn es dann noch welche gibt: „Die atomaren Kriege ab 2023 nahmen ihren Ausgang 1989.“
Da wir laut Lauterbach im Krieg mit Putin sind, ist der Soundtrack für Heute „Eve of destruction“: If the button is pushed, there is no runnin‘ away.
Übrigens gefällt mir das heutige Brandenburger Tor auch besser, mit Feiern ohne Ende, wo jeder ungestraft seinen Senf dazugeben kann

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