
NWZ, 30.09.23. Mittlerweile nutze ich öffentliche Auftritte wie hier als Festredner zum 75jährigen Jubiläum der Wiedergründung der AWO Weser-Ems zur Warnung vor dem Wiedererstarken des Faschismus in Deutschland. Insofern fallen privater Blog und Öffentliches zusammen. Die AWO, die sich übrigens in ihrem Grundsatzprogramm den Idealen des Sozialismus verpflichtet, hat in der Geschichte die Erfahrung gemacht, was Faschismus bedeutet: Sie wurde von den Nazis verboten. Welche Lehren die AWO, und andere Verbände und Organisationen der Zivilgesellschaft, im Ernsteren der Fälle daraus zieht, bleibt abzuwarten.
Heute sind Wahlen, in Bayern werden reaktionäre, faschistoide und offen rechtsextreme Naziparteien vermutlich über Zweidrittel der Stimmen erzielen. Mein Tipp: CSU 36 %, AfD 16 %, Freie Wähler 16 %. Die restlichen Reaktionär-Prozente zu 70 % fahren Halbnazis wie die Bayernpartei oder die Basis ein.
Ich glaube nicht, dass irgendein Weisswurstlutscher, Lederhosenfetischist oder Trachtentrottel angesichts des Überfalls der Hamas-Terroristen auf Israel das Schamgefühl aufbringt, entgegen seiner Absicht den letztgenannten Parteien, die offen antisemitisch agieren, doch die Stimme zu verweigern. Dass er einfach im Maßkrug-Koma Zuhause beim Pornoglotzen vor sich hindeliriert. Bevorzugter Steifen, sorry, Streifen: Unterm Dirndl wird gejodelt. Alois Brummer, 1973. Mit Konstantin Wecker.
Wenn ich die hilflosen Appelle der Bürgerpresse vor dieser Wahl höre, kriege ich Ohrenbluten: Gehen Sie zur Wahl, nutzen Sie Ihr demokratisches Recht, stärken Sie die Demokratie.
Gequirlter Unsinn. Die Tatsache, dass die Wahlbeteiligung in den letzten Jahren nicht wie vorher dramatisch weiter gesunken ist, zahlt fast ausschließlich auf das Konto der AfD ein. Die größten Wähler-Wanderungen sind die von den Nichtwählerinnen zur AfD. Immer mehr Menschen nutzen demokratische Errungenschaften wie freie Wahlen oder das Demonstrationsrecht, siehe Querdenker-, Reichsbürger- und Coronaschwurbler-Demos, dazu, die Axt an die Wurzeln der Demokratie zu legen. Was für ein tragödisches Dilemma. Richtig wären also Appelle zur Wahl wie: „Bleibt Zuhause! Wählen lohnt nicht“. „Wer seine Stimme abgibt, hat sie verloren.“ „Wenn Wahlen was ändern würden, wären sie verboten.“ Letztere Aufrufe sind übrigens klassische radikallinke Claims von früher. Zivilgesellschaftliche Pflicht vor den nächsten Wahlen ist es also, den Mob von der Urne abzuhalten. Plakate kleben in sozialen Brennpunkten, wo die AfD die höchsten Stimmenanteile einfährt, mit einfachen Botschaften: „Wählen ist doof. Wer wählt, kriegt Arschkrebs. Freibier statt Wahlen.“
Der Kopf ist rund, damit Gedanken die Richtung ändern können. Wann geht das endlich mal in die Bürgerköpfe rein!? Ich sehe es echt schon kommen, dass ich mich wie früher in Nacht- und Nebelaktionen in fiesen Gegenden rumtreiben und Plakate kleben muss.
All das aber ist völlig irrelevant und ich schreibe es nur, um meine Beklemmung zu betäuben angesichts des Angriffs der Barbarei auf die Zivilisation. Nichts anderes ist der Überfall der faschistischen Hamasterroristen auf Israel, die einzige Demokratie im Nahen und auch Mittleren Osten, bis weit nach Afrika hinein. Israel ist, mit allen Schwächen, die es bei „uns“ und in den wenigen verbliebenen Restdemokratien der Welt auch gibt, der einzige Leuchtturm der Zivilisation in einem Meer von zerfallenen Staaten, barbarischen Regimen, religiösen Fanatikern. Die ein Ziel eint: Die Vernichtung Israels und Auslöschung seiner Bevölkerung. Israel hat jedes Recht auf alle Mittel der Verteidigung seiner Existenz und benötigt unsere uneingeschränkte Solidarität, ohne Wenn und Aber. Die Faschisten der Hamas treten in die Fußstapfen der SS-Divisionen, Wehrmachtsbataillone und Polizeieinheiten, die im zweiten Weltkrieg eine endlose Spur von Massakern in ganz Europa, hauptsächlich der Sowjetunion, mit Millionen von Toten hinter sich ließen, mündend im industriellen Massenmord an Millionen Juden.
Das ist der Geist der Höckes, Weidels und Chrupallas. Mit einem Unterschied: Im Gegensatz zu damals kann bei der Hamas und ihren Brüdern und Schwestern im Un-Geiste hierzulande niemand sagen, man hätte nicht absehen können, wohin das führt.
Im Grotesken liegt Tragik und Lachen der Befreiung gleichermaßen: Hitler war Postkartenmaler, Chrupalla ist Malermeister. Sowas kann man sich gar nicht ausdenken.
Es bleibt nur zu hoffen, und auch das ist für mich ein Hauch von Groteske, dass sich das Kapital die geschäftsschädigenden Fisimatenten der Faschisten hierzulande nicht allzu lange anguckt und da mal reingrätscht. Politisch instabile Verhältnisse sind Gift fürs Geschäft. Und ob nichtweiße Fachleute und Highpotentials Bock haben, sich dem in Nazi-Ostdeutschland beliebten Volkssport des „Ausländerklatschen“ zu unterziehen, wage ich zu bezweifeln. Die ausländischen Fachkräfte – und Unternehmen – gehen dann im Zweifel lieber nach Baden-Württemberg… Oder Niedersachsen? Hier ein Auszug aus unserer Hymne :
… Fest wie unsre Eichen
halten alle Zeit wir stand,
Wenn Stürme brausen
Übers deutsche Vaterland….
Das ist doch mal ne Ansage…