11.10.2023 – Das macht süchtig

Aus den Archiven 1: Keksklau vor 10 Jahren, HAZ, 30.01.2013

BILD

Aus den Archiven 2: Spiegel, 04.02.2013

Auf die allgemeine Nachrichtenlage habe ich in letzter Zeit immer öfter mit Lachen reagiert, eine Art kathartischer Reflex, der mit einer körperlichen Reaktion allfällige Emotionen wie Ungläubigkeit, Überforderung, Zorn, Unsicherheit, Frustration für den Moment beiseiteschiebt. Es mehren sich Momente, bei denen ich überhaupt keine Lust mehr auf die allgemeine Nachrichtenlage habe, und für kurze Zeit flüchte ich dann ins Reich der Archive, siehe oben.

Alle Macht den Archivaren,

sonst wird die Nachwelt nichts erfahren.

Das Lachen im Archiv ist ein gänzlich anderes, unbeschwert eben. Der Keksklau ging damals um die ganze Welt, eine geniale Aktion, vor der ich nur den Hut ziehen konnte. Die norddeutsche Medienlandschaft kannte nur einen Verdächtigen, den SCHUPPEN 68. Der sich diesen Ruf zwar redlich erarbeitet, aber damit nichts zu tun hatte. Der Dementis nahmen kein Ende, mit dem einzigen Effekt: Kein Mensch glaubte sie und Medienvertreter boten mir sogar „Honorar“ für die ganze, wahre Geschichte. Irgendwann, und zwar recht schnell, war dann auch mal wieder gut und die nächste Sau wurde durchs Mediendorf getrieben. Und: Unser Ruf war – völlig unberechtigterweise – gefestigt worden. Bei Kafka reichte ja auch schon der bloße Verdacht für den Schuldspruch. Die Causa kam ins Archiv und geriet in Vergessenheit. Bis heuer.

Und da wundert mich bei den überaus geschätzten Kolleg*innen im Keks-Geiste doch das Eine oder Andere: Die haben bis heute dichtgehalten, auch anlässlich des 10. Jubiläums kam nix. Strafrechtliche Bedenken können es nicht sein, Diebstahl verjährt nach 5 Jahren. Und merkwürdig, dass nicht eine*r (das müssen mehrere gewesen sein) von denen die Neigung verspürt hat, den völlig verdienten öffentlichen Ruhm dafür zu ernten; dass nicht eine*r aus deren Freundeskreis mal „geplaudert“ hat, sowas kann man auf Dauer im Freundeskreis nicht völlig dichthalten. Und: Dass die nicht versucht haben, nachzulegen. Irgendeine weitere Aktion des Kekskommandos in dieser Tradition.

Es gibt zwei „Währungen“ in unserer Gesellschaft: Geld und Aufmerksamkeit. Beides kann süchtig machen, Gier. Und die Keksgeschichte hat eine maximale Dosis Aufmerksamkeit erzeugt, eine derart kritische Masse, dass sich daraus auch die andere Währung, Geld, hätte generieren lassen können. (Siehe Influencerinnen).

Die Kolleg*innen wurden also tagelang, wochenlang mit einer Maximaldosis Adrenalin und Endorphin via Medienaufmerksamkeit versorgt. Das macht süchtig. Nicht alle und nicht immer, nicht durchgängig, aber viele, immer mehr, und immer öfter, immer länger.

Aber aus der Ecke hat man nie wieder was gehört. Hm.

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