
Plattencover aus einer Ausstellung der Browse Gallery im Kreuzberger Bergmannkiez über die Arbeit der britischen Grafikdesign-Agentur Hipgnosis , die vor allem in den Siebzigern legendäre Pop-Plattencover gestaltet hat. Jeder, der auch nur 10 Vinyls aus der Zeit besaß, hatte mehrere Hipgnosis im Schrank. Eine jener Ausstellungen, die man in high spirits verlässt. Die Cover, oft an Duchamps und Magritte angelehnt, waren eine vergnügliche Reise in die eigene Vergangenheit, überall tönte aus Boxen laute Musik der Platten, wir unterhielten uns lange und angeregt mit den Machern, ein skurriler, lebendiger Engländer dabei, der teilweise früher an den Covern mitgearbeitet hatte und jede Menge Hintergrundanekdoten kannte. Es kann auch sein, dass der Geruch von inspirierenden Kräutern das Ganze umwehte. Der natürlich von draußen hereinkam. Wir verließen die Ausstellung in wirklich bester Laune, high spirits, und beglückten den Kiez auf dem Weg zum abendlichen Cava in der Marheineke Markthalle mit lauten a capella-Versatzstücken aus der damaligen Popkultur. Es erinnerte mich an meine Zeit als Sänger der Pychopunkband „Flying Sackbarrow Brothers“. Es war schrecklich. Amüsant.
In den Gesprächen mit den Ausstellungsmachern gab es einen kurzen Moment von Anspannung. Wir sprachen die Tatsache an, dass nicht wenige Cover der damaligen Zeit nach heutigen Maßstäben als sexistisch zu bezeichnen sind, siehe das an peinlicher Plattheit nicht zu überbietende Exemplar oben, und manches heutzutage ein „no go“ sei. Wie das Cover von Led Zeppelins „Houses oft he Holy“, auf dem verfremdet nackte Kinder abgebildet sind. Fotos in der Ausstellung von den Aufnahmearbeiten zeigen tatsächlich die nackten Kinder, die den ganzen Tag in der unwirtlichen Gegend über die Felsen kraxelten . Unser Engländer fragte leicht angepisst zurück, ob wir Zensur ausüben wollten. Was nicht unser Thema war.
Die Cover der Ausstellung sind eine exemplarische Reise durch die Pop-Kulturgeschichte der 70er, Zeitgeist-Bilder.
Allerdings aus einem spezifischen Kultursegment, dem Pop. Es gab natürlich auch Kultur-Segmente, in denen schon damals Cover wie das Obige völlig verpönt waren. Im Feminismus z. B. der zweiten Welle, der erreichte Mitte der 70er seinen Höhepunkt, damals noch als politisch-feministischer, kollektiver Solidaritätsakt in Abgrenzung von patriachal-kapitalistischer Herrschaft verstanden. In der Folge entwickelte sich daraus eine Konzentration auf die kulturelle, individuelle „Geschlechtsidentität“. Was sich heute als Identitätspolitik der finstersten Art darstellt, bei der diverse Minderheiten sich in einem Wettbewerb überbieten, wer denn nun die am meisten diskriminierte sei. Das Utopia dieses entsolidarisierten, neoliberalen Wettrennens (gegen andere Minderheiten) akademischer Mittelschichts-Trullas ist eine gutbezahlte, unbefristete Stelle in einem Gleichstellungsbüro.
Was bei einer derartig skizzierten Entwicklung am Ende rauskommt, ist im Spiegelinterview mit Ruth Halperin-Kaddari nachzulesen, einer israelische Frauenrechtlerin und Rechtsprofessorin. Sie beschreibt die barbarischen Vergewaltigungen und Ermordung israelischer Frauen als Folge des Überfalls der Hamas-Faschisten am 7.10 und die Reaktionen von internationalen Frauenrechtsorganisationen auf ihre Bitte um Stellungnahme, Zitat:
„Ich habe an UN Women geschrieben, an das Komitee zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau der Vereinten Nationen, an die Uno-Sonderbeauftragte für Gewalt gegen Frauen und an weitere Uno-Institutionen und internationale Frauenrechtsorganisationen. Die Reaktion war erschütternd: Viele antworteten gar nicht. Nur wenige veröffentlichten Statements, die dann aber sehr generell die Eskalation der Gewalt im Nahen Osten bemängelten. Keine der Erklärungen erwähnte die sexuelle Gewalt. Das ist enttäuschend, gerade von UN Women, eine Organisation, die geschaffen wurde, um sich genau um solche Vorfälle zu kümmern. Als damals klar wurde, dass Frauen im Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine Opfer sexueller Gewalt wurden, hat UN Women zügig reagiert und eine umfassende Untersuchung gefordert. Ich sehe hier einen Doppelstandard .… Es gibt schon einen generellen Mangel an Empathie Israel gegenüber vonseiten der linken Community weltweit.“
Mir ist beim Lesen des Interviews zweimal regelrecht übel geworden: Schlimm bei der Schilderung der barbarischen Hamas-Grausamkeiten gegen die Frauen und, abgemildert, aber immer noch übel genug, bei der völlig empathielosen Reaktion vermeintlich fortschrittlicher Frauenorganisationen. Wenn das Euer Feminismus ist, Mädels, dann gehört er ebenso auf den Misthaufen der Geschichte, wie alles, was links blinkt, aber real rechts antisemitisch abbiegt.