10.03.2024 – 300

Nicht in Berlin und mehr als 300.

In Berlin sind laut Spiegel knapp 300 Menschen auf die Straße gegangen, um ihre Sympathie für die mutmaßliche Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette und ihre Komplizen auszudrücken.

Wenn die Medien über jede Demo in Berlin mit 300 TN berichten würden, kämen sie zu nichts anderem. In Berlin, und das ist das sympathische an der Stadt, kriegt man für jeden obskuranten Blödsinn Dutzende, Hunderte zusammen. Eine meiner Lieblingsseiten ist die tägliche polizeiliche Auflistung der Aufzüge in Berlin. Hier ein paar Beispiele: „Der Schlüssel zur Versöhnung mit Gott“ – Jesus Christus“ über „Volksdemo Halt Stop Es reicht!“ bis „Mindestpreise für appbasierte Mietwagen, funktionierende Verwaltung“ und natürlich mit meiner regelmäßig wiederkehrenden absoluten Lieblingsdemo in der Stargader Str. von 17.30 -20.30 Uhr: „der garten, da jesu verraten wart. hier gedenken wir, dass auch michael & peter von hanselm & hendrik abfielen.

300 sagt in Berlin gar nichts aus über gesellschaftlich real verankerte Quantitäten. Es gibt keine Solidarität mit der RAF. Die RAF ist ein Zombie, ein Untoter, der von interessierten Medien beschworen wird, wodurch leider von den realen Schweinereien und Problemen für Millionen abgelenkt wird. Es gibt keine reale radikale Linke mehr und also auch keine Perspektive eines wie auch immer gearteten revolutionären Kampfes gegen das System. Es gibt nur noch eine bürgerliche Demokratie, die es bei allen Bedenken gegen den Faschismus zu verteidigen gilt.

Solidarität ist eine ethisch-politisch begründete Haltung der Verbundenheit und Unterstützung von Ideen, Aktivitäten und Zielen anderer. Von diesen ist in der BRD 2024 im RAF-Sinne nichts existent. Was es gibt, ist vielleicht sowas wie Sympathie und Empathie mit Klette, Staub und Garweg als Individuen. Gefühle, die sich eher aus popkulturellen denn politischen Quellen speisen dürften. Bilder, Mythen, Legenden aus der Bibel wie „David gegen Goliath“, aus Western wie „Butch Cassidy and the Sundance Kid“ und aus den damals allgegenwärtigen und den heute noch funktionierenden grundsätzlichen Mythos von „Sex and Drugs and Rock’n Roll“ oder „Live fast and die young“. Mythen, die nach Leben und nicht nach Moral fragen.

Wie stark der Mythos von David gegen Goliath zu Hochzeiten der RAF wirkte, beschrieb der Nobelpreisträger Heinrich Böll in seinem Essay von 1972 über die damals herrschende Terrorhysterie „Will Ulrike Gnade oder freies Geleit?“ wie folgt: „Kein Zweifel – Ulrike Meinhof lebt im Kriegszustand mit dieser Gesellschaft. Es ist inzwischen ein Krieg von 6 gegen 60 Millionen, ein sinnloser Krieg.“

Der Aufsatz liest sich in seiner Solidarität mit der RAF heute schräg, aber so wurde zigfach in der linksliberalen Öffentlichkeit von Kultur, Medien, Unis etc. in einem heute unvorstellbaren Ausmaß gedacht und mitunter auch gehandelt.

Die Reaktion des Staates: „Der Staat hat im Grunde die Fassung verloren. Wir sind den Terroristen auf den Leim gegangen.“ Gerhart Baum (FDP), 1972 parlamentarischer Staatssekretär im Rückblick.

Das Scheitern der Einen damals, der revolutionären Gewalt, ist der Erfolg des Anderen heute, der Möglichkeit und Praxis von Überwachungstechnologie des Staates und seiner Nachfolger, der multinationalen Techgiganten.

Nachtrag 1: Der Mythos von David gegen Goliath ist übrigens ein falsch konstruierter. Goliath hat in dieser Geschichte niemals eine Chance, weil er sich auf veraltete Militärtechnologie stützte, das Nahkampf-Schwert. David muss sich niemals auf den Nahkampf einlassen mit der neuesten Technologie, einer Lenkwaffe: der Schleuder.

Nachtrag 2: „300“ ist der Titel eines gewaltverherrlichenden Films mit faschistischen Tendenzen , der den Mythos vom heldenhaften Widerstand einer winzigen Zahl von Griechen (Spartaner!) in der Schlacht an den Thermopylen gegen eine Übermacht der Perser verherrlicht. Abendland gegen Asylantenfluten. Der Film war 2007 ein überwältigender kommerzieller Erfolg.

1 thought on “10.03.2024 – 300

  1. Wolfgang Berg

    Ich entschuldige mich aufrichtig für diesen Kommentar! Aber ich teste einige Software zum Ruhm unseres Landes und ihr positives Ergebnis wird dazu beitragen, die Beziehungen Deutschlands im globalen Internet zu stärken. Ich möchte mich noch einmal aufrichtig entschuldigen und liebe Grüße 🙂

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