Transparent über dem Landwehrkanal. Er bildet die Grenze zwischen Kreuzberg und Neukölln und insofern verbindet das Transparent den linken Antisemitismus von Kreuzberg und den migrantischen von Neukölln. „Fick Deine Staatsräson“ bezieht sich auf das Postulat: „Die Sicherheit Israels ist deutsche Staatsräson“, zuletzt geäußert von Olaf Scholz nach dem Überfall der faschistischen Hamas auf Israel am 7. Oktober. Aus der Verantwortung gegenüber dem singulären Verbrechen des Holocaust ist die Sicherheit und Existenz Israels seit dem Kriegsende zentraler Inhalt und Priorität deutscher Politik, aus ethischen und Vernunfts-Gründen (räson, von raison, franz. Vernunft).
Der Satz „Fick Deine Staatsräson“ zeugt von aggressiver Verachtung dieser Position, er hat in seiner Wut etwas surreal-wahnhaftes. Ich kann alles Mögliche ficken, aber eine abstrakte Staatsräson eher nicht.
Der Satz ist die linke, antisemitische Entsprechung der faschistischen Forderung „Weg mit dem Schuldkult“ , die auch zentraler Bestandteil der antisemitisch grundierten letzten Documenta war. Insofern haben wir es hier mit einer Allianz von Linken, Faschisten und Kulturschickeria zu tun, vereint im Antisemitismus.
Das Täterprofil des Transparentproduzenten dürfte ungefähr so aussehen, nach dem Sprachduktus und dem Tatort zu urteilen:
Männlich, um 25, weiß, deutsch, privilegiert gebildet, linksextrem mit Gewaltaffinität, wie dem Abfackeln von SUVs in einschlägigen Kiezen, wohnt (ev. mit seinen Helfer*innen) in einer WG im Wrangelkiez in Kreuzberg, in der alle Mitglieder genderfluid, nonbinär und trans sind. Von daher ist er nicht nur Mitglied, sondern auch Ohneglied. Diesen Flachwitz brauchte ich, damit mir nicht die Galle überläuft.
Lassen wir weiter unsere Phantasie spielen: Unser Täter macht zur Zeit eine Therapie, um seine Aggressivität in den Griff zu kriegen, jedenfalls die in Beziehungen. Er stammt aus privilegierten Verhältnissen, beide Eltern sind Lehrer, Erziehungsgrundsatz „Der Junge soll sich ausprobieren“. Das tut er noch drei, vier Jahre, dann forciert er sein Jurastudium, macht nach dem Examen Karriere im Sozialministerium und zieht Mitte der Vierziger als Kandidat der Grünen in den Landtag von Brandenburg ein. Brandenburg, weil seine Familie mittlerweile ein Häuschen im Speckgürtel von Berlin besitzt. In dem seine Frau eine gutgehende Praxis für schamanische Wunderheilungen betreibt. Beide leben in einer offenen Beziehung, er hat zurzeit ein Verhältnis mit einem Schauspieler vom HAU, Hebbel am Ufer. Mit Sohn und Tochter (Erziehungsgrundsatz: „Die sollen sich ausprobieren) gibt es intensive, kontroverse politische Diskussionen. Der Sohn ist in der AfD, die eine Koalition mit den Grünen in Brandenburg bildet, und die Tochter in deren Rechtsabspaltung, der FDP, der Faschistischen Partei Deutschland. Die Original FDP gibt Mitte der 2040er nicht mehr, sie hatte sich nach einer Serie von Wahldebakeln ab 2024 Mitte der 30er aufgelöst. Sein Punkt in den Diskussionen gegenüber dem Nachwuchs ist: „Euren Antisemitismus finde ich ja ok, ich war in den 20ern auch so drauf (und zeigt stolz ein Video von der Anbringung des Transparentes). Aber Eure Genderpositionen finde ich echt Scheiße, die machen mich total betroffen.“
Die Mutter versucht seit Jahren, das schlechte Karma im Haus auszuräuchern. Damit wird sie 2048 das ganze Haus abfackeln, wobei die ganze Familie draufgeht. Aber damit greifen wir unserem Fortsetzungsroman vor.
Wie ich auf sowas komme, fragen Sie, liebe Leserinnen? Ich bitte Sie, das ist nun wirklich keine Raketenwissenschaft.
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