Gedenken an Paule. Obdachloser. Im November auf der Straße erfroren. Einer von mindestens drei in Hannover in diesem Winter, obwohl der noch gar nicht richtig begonnen hat.
Am anderen Ende der Skala menschlicher Existenz tagt die CSU im malerisch verschneiten Kloster Bad Seeon, um die Bundestagswahl vorzubereiten. Mit Gott, für Söder, Volk und Vaterland. Getagt wird unter dem Druck der Verhältnisse im nicht nur geografisch benachbarten Österreich, wo der Bundespräsident Van der Bellen die in Teilen neofaschistische FPÖ mit der Regierungsbildung beauftragt hat. Van der Bellen ist jener Teil der bürgerlichen Elite, der an Erbärmlichkeit und Opportunismus kaum zu überbieten ist. War er früher noch als sich antifaschistisch gerierender Wachhund der Demokratie in lautes Warn-Bellen verfallen, wenn es um eine Regierungsbeteiligung der FPÖ ging: Mit mir nicht. Auf keinen Fall, so ist das Bellen noch nicht mal zu einem Winseln verkommen, als die Verhältnisse es hergaben. Schweigende, bedingungslose Kapitulation.
Nichts und Niemand hätte ihn daran gehindert, zu sagen: „Mit mir nicht. Ich erteile keinem Nazi den Auftrag zur Regierungsbildung und trete sofort zurück.“ Hätte auch nichts gebracht, aber wenigstens Haltung gezeigt.
Es ist doch eben zu schön, in den warmen Sesseln der Macht zu überwintern. Zumindest solange, bis die wahren Herren im Lande sich auch dieser gnadenlosen Bürger-Opportunisten entledigen und sie von den Fleischtöpfen der Macht mit einem Tritt in den Arsch in eine wie auch immer geartete Eiseskälte expedieren.
Das Alles und noch viel mehr wird jetzt nicht nur in Kamingesprächen nach der Abendandacht im malerischen Kloster Seeon bei Weißbier und Weißwurst von alten Weißmännern diskutiert werden, unter der Überschrift: Wie reißen wir so schnell wie möglich die nichtexistierende Brandmauer zur AfD ein? Die FPÖ schwebt wie ein unsichtbarer, riesengroßer brauner Elefant über dem Kloster, ist in allen Gesprächen präsent. Das wird sie auch in Koalitionsverhandlungen nach der Wahl im Februar sein. Mehr oder weniger unausgesprochen werden die Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und einer gedemütigten SPD von Seiten der Christlichen ungefähr so designt:
„Wenn ihr nicht das macht, was wir wollen, also jede sozialpolitische Schweinerei mittragt, die Reste einer Klimapolitik in die Tonne tretet, Steuern für Unternehmen und Reiche senkt und eine rigide Ausweisungsstrategie mittragt, zögern wir die Verhandlungen so lange endlos hinaus, bis erste Rufe nach einer AfD-Beteiligung an der Regierung laut werden, damit das Land endlich wieder eine handlungsfähige Mehrheit bekomme.“
Diese Rufe wird die CDU/CSU natürlich selbst lostreten und orchestrieren. Zuerst schickt sie einen Minenhund vor, der das Terrain sondiert. Wie also z. B. die Bürgerpresse reagiert, wenn ein Bundestagsabgeordneter aus der zweiten Reihe vorgeschickt wird und in einem Interview mit der Passauer Presse ungefähr folgendes von sich gibt:
„Da sich die SPD als unfähig zur Übernahme von staatstragender Verantwortung in einer der schwersten Krisen der Nation zeigt, ist es an der Zeit, bisherige Denkverbote in Frage zu stellen, was die Einbindung der AfD in Verantwortung angeht. Unsere Demokratie und ihre Institutionen sind allemal so stark, dass sie eventuelle demokratieferne Bestrebungen in Teilen der AfD einhegen und kontrollieren kann. Die Demokraten im Lande sind eindeutig in der Mehrheit und von daher sollten wir nicht völlig ausschließen, zumindest die Möglichkeit der Tolerierung einer CDU/CSU-Minderheitsregierung durch die AfD zu diskutieren. Selbstverständlich sind davon Personen wie Björn Höcke ausgeschlossen. Da steht die Front der Demokratinnen und Demokraten in der CDU/CSU eisern. Denkverbote helfen jetzt jedenfalls nicht weiter. Es geht nicht um individuelle Macht- und Parteiinteressen, sondern vielmehr um das Ganze.“
So oder so ähnlich kann man und frau sich das vorstellen. Und ich möchte nicht wissen, was da noch alles im Kloster an feuchten Phantasien breitgetreten wird, wenn die halbe Kompanie im Weißbierkoma auf die teuren Teppiche vor dem Kamin kotzt. Mit einem allerdings hätte unser fiktiver Bundestagsabgeordneter aus der zweiten Reihe in Passau recht: Es geht um das Ganze.
Gut, dass das alles nur haltlose Unterstellungen von mir sind. Und nun zum Wetter….