07.01.2016 – Marianne Rosenberg und Ludwig Wittgenstein

Wie kommt eigentlich die Sprache in die Welt?
Eine wesentliche Funktion des kollektiven Spracherwerbs war sicherlich die Bannung von Angst und Schrecken. Versetzt den heutigen homo oeconomicus höchstens noch der Kontoauszug in Angst und Schrecken, dürfte die Welt für den Neandertaler, der auf Grund der Nutzung von Werkzeugen und Waffen sicherlich schon sprach- und damit komplex kommunikationsmächtig war, ein einziger Ort der Angst gewesen sein. Der Säbelzahntiger war dabei im Vergleich zu einer Sonnenfinsternis vermutlich noch einer der harmloseren Schrecken.
säbelzahntiger
Eine Säbelzahntigerin namens Luci.
Wenn man den Dingen einen Namen gibt, nimmt man ihnen den Schrecken.
Die Tatsache, dass der Neandertaler in der Lage war, den Säbelzahntiger von nebenan „Röhrender Rudi“ zu nennen oder die nahende Sonnenfinsternis „Gelber Wärmeball, der bald wiederkommt“, dürfte nicht unerheblich zu seiner langen Existenz auf Erden beigetragen haben.
Nicht umsonst heißt es ja auch „namenloses Grauen“, was bei mir allerdings nur noch der Anblick kurzbehoster und weißbesockter Ostgoten am Mittelmeer auslöst. Der Name ist die Vollendung des Begriffs und wofür man einen Begriff hat, das begreift man auch. Was aber viele Zeitgenossinnen nicht verstehen. Das hätte Wittgenstein auch nicht besser formulieren können.
Man eignet sich die Welt qua Namen an. Diesen Sprachentstehungsaspekt aus Sicht der allgemeinen Linguistik hat Frau Prof. Dr. Marianne Rosenberg in ihrer Antrittsvorlesung unter dem Titel „Er gehört zu mir wie mein Name an der Tür“ auf den Punkt gebracht.
Wo aber der Name aus der Welt schwindet, hält der Horror Einzug.
euro shop Kopie
Dieser verkackte Laden hat noch nicht mal einen Namen, sondern nur eine Funktionszuschreibung: Hier gibt es haufenweise billigen Dreck für 1 Euro. Gegenüber hatte bis vor ein paar Tagen noch eine Billigbude auf, die wenigstens einen Namen hatte: T€DI.
Läden ohne Namen, das ist der Anfang vom Ende der Zivilisation. Von Kultur will ich gar nicht reden. Mit Läden ohne Namen wird die Umgebung entwertet und den Kundinnen nichts als Verachtung geschenkt. Aus ideologiekritischer Sicht sollte ich froh darüber sein, dass so der Kapitalismus maskenlos auf seinen Kern reduziert wird. Aber wenn ich bedenke, dass sechs Häuser weiter mit Gothe der letzte selbstständige Schlachter in einem Viertel von immerhin 45.000 Einwohnerinnen dicht gemacht hat, krieg ich echt den Horror.

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