Das ist eine faustdicke Lüge, und das „normalerweise“ weist auch daraufhin, dass eine in dem Zusammenhang getroffene Aussage a priori null und nichtig ist. Das ist wie bei „grundsätzlich“: „Ich stimme Ihnen grundsätzlich zu“ heißt nichts weiter als „Ihre Position ist von vorne bis hinten schwachsinnig und ich werde sie bis an mein Lebensende mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpfen“. Also noch mal, aber diesmal in ehrlich: Ich bin überhaupt kein toleranter Mensch, vieles am Kapitalismus stinkt mir ganz gewaltig, und im privaten Bereich gehen mir andere Meinungen, Lebensstile, Ansichten je mehr auf den Senkel desto älter ich werde. Ich halte ca. 90 % der Bevölkerung für nicht satisfaktionsfähig und den Rest dulde ich meist nur, weil mit irgendjemandem muss man ja ab und zu mal reden (nur in seltenen, nüchternen Momenten beschleicht mich eine böse Ahnung, dass ich vielleicht doch nicht ganz so toll bin, wie ich mir einbilde und es noch zwei, drei, vier Leute gibt, die auch was in der Birne haben …).

Wenn ich etwas ganz besonders nicht toleriere, ja regelrecht verabscheue, sind es Radfahrer in Urlaubsregionen.
Auf Malle ist ja zu dieser Jahreszeit nicht viel los, bis auf eine Ausnahme: Myriaden von Radfahrern auf Rennrädern und in närrischen Trikots machen die Strassen in kilometerlangen Peletons unsicher, jeder Zentimeter radlbarer Asphalt wird von ihnen mit einer Dreistigkeit in Beschlag gelegt wie es nur Scheißhausfliegen mit ihrem Haufen praktizieren. Die Augen stur auf den Asphalt gerichtet, resistent gegen jede Schönheit der Landschaft und gegen andere Verkehrsteilnehmer.

Das ist das ideelle Gesamturlaubsbild eines Rennradlers, egal ob Malle, Lanzarote, Andalusien oder Bad Klappsmühlen.
Mehr sieht er nicht, mehr kennt er nicht, mehr interessiert ihn nicht. Die Kolonnen dieser Hohlmantelgeschosse erinnern mich an die Panzerkolonnen auf den Autobahnen oder Eisenbahnen im kalten Krieg, stur, gleichförmig nur einem Ziel unterworfen: Der Vernichtung des Gegners, sei es der Kommunist im Osten oder die Zeit auf der Uhr. Hass überflutet mich, wenn ich auf einem zauberhaften Marktplatz eines kleinen Ortes wie etwa Santa Margalida sitze, Stille und Ruhe allenthalben, und dann fällt ein Division dieser Schwachköpfe gleich einem Heuschreckenschwarm da ein. Das Klicken der Sicherung an ihren Schuhe, mit denen sie die jahrhundertealten Fliesen des Marktplatzes ruinieren, gemahnt an den Marschtritt von Soldateska und wie sie dann breitbeinig da rumfletzen, unfähig eines vernünftigen Gedankens nur Schrott absondernd wie was für einen Schnitt sie denn gerade gefahren sind, und wie fertig sie gestern waren und morgen erst sein werden. Es ist alles so erbärmlich, dass man weinen möchte.
Sie sind alle so uniform hässlich, so unlebendig. Ich habe noch einen Radfahrer oder Radfahrerin gesehen, der oder die erotisch aussah, und das bei den hautengen Trikots. Radfahrer und Sex? Unvorstellbar. Der natürliche Feind des Radfahrers ist der Orgasmus. Wenn ich sie abends sehe, wie sie in das Nachtleben eintauchen, bis 21 Uhr, kommt befreiendes Lachen auf: wieder in Pulks, wieder uniform, in Jeans und Jack Wolfskin Jacken, gleiche Frisuren, unsicher lautes Gehampel, drauf achtend, dass bloß keiner aus der Herde ausbricht.
Ich habe unterwegs mal einen Einzelgänger, der innerorts hinter der Herde zurück geblieben war und deshalb in Panik geratend mir die Vorfahrt nehmen wollte, angeschnauzt: „Mach die Augen auf, Meister.“
Jedes Mitglied einer Streetgang weiß, dass nach der Ansage „Meister“ Kampfposition einzunehmen ist. Das ist ne klare Ansage. Unser Einzelgänger jedoch geriet derart in Hektik, dass er nach einem Schlenker über den Bordstein rumpelte. Hoffentlich ist sein Felge hinüber.
Schönes Wochenende, liebe Leserinnen.
Ich fahre auch Rad im Urlaub, jeden Tag. Aber für mich gilt natürlich Lukas 18.:
„O Gott, ich danke dir, dass ich nicht bin wie die übrigen der Menschen, ….“
21.04.2016 – Ich bin normalerweise ein toleranter Mensch.
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