
Bei mir um die Ecke. 1991.
Die Natur beherrschen wir durch Kultur, Vernunft und vor allem durch Macht. Macht aber nix, weil: proportional mit dem Anwachsen von Kultur – abzulesen auch an den ständig steigenden staatlichen Ausgaben für Kultur – verschwindet Vernunft aus unserer Gesellschaft – abzulesen auch an der unfassbaren Menge von Ratgebern für Lebenshilfe. Platt gesagt: der Ostgote ist zusehends nicht in der Lage ist, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen. Und neigt in zunehmender Beschränkheit dazu, die ihm gegenübertretende Macht als Naturgewalt zu betrachten. Dass das nicht gut gehen kann, liegt auf der Hand.
Wenn unsere innere Natur gezähmt bleiben soll – die Äußere interessiert mich nicht, ich bin kein Öko – bedarf es vernunftgesteuerter Ausübung von Macht, um die Gesellschaft nicht zu einem Krieg aller gegen jeden ausarten zu lassen.
Da Macht aber interessengesteuert ist, was oft, aber eben nicht immer, vernünftig ist, ist die Welt so, wie sie ist, und die Zeiten von „Stille Nacht“ neigen sich dem Ende zu.
Ich bin daran nicht schuld, ich habe mein Bestes gegeben, unermüdlich war ich, wenn schon nicht im Namen des Herrn, so doch in dem der Aufklärung unterwegs. Was mitunter zu Anflügen von Größenwahn führte.

Mein Kalender 1992. Das Zitat ist von Brecht.
Kampfzonen, wohin man blickt: innere Natur, äußere Natur, Weltausstellungen, Sanierungsgebiete.

Unser Hausflur 1992. Damals war klar, dass die Expo nach Hannover kommt und für jeden aufrechten Linken galt auch hier das Motto von Groucho Marx: Whatever it is – I am against it.
Nicht ganz so against it waren Teile der Linken, was die Stadtteilsanierung von Linden anging. Unser Haus war im Besitz der Stadt und daher Teil der Sanierung, deren löbliches Ziel es war, Linden-Nord in seiner Funktion als innerstädtischen Wohnstandort zu sichern und zukunftsfähig zu machen. Die Stadtplaner hängten uns schöne handgepinselte Pläne der Verschönerung unseres Gartens in den Hausflur und boten uns im Zuge des Sanierungsabschlusses das Haus zum Kauf an, für wenig Taler.
Sehr wenig Taler. Dem Staat war die Befriedung seiner linksradikalen Elemente was wert. Der Erfolg war überwältigend. Hausbesitzer_innen sind in den seltenen Fällen noch linksradikal, die Modernisierung des Eigentums fordert den ganzen Mann und die ganze Frau. Nur eins hat auf lange Sicht nicht so ganz hingehauen, Zitat: „Es ist ein relativ harmonisches Mit- oder Nebeneinander sozialer Milieus festzustellen, wobei das Quartier aufgrund der verhältnismäßig preiswerten Mieten auch für kreative und innovative Milieus attraktiv ist.“
Das Quartier ist zwar nach wie vor für kreative und innovative Milieus attraktiv.
Aber nicht mehr bezahlbar.
24.12.2016 – Stille Nacht: Natur Gans Esel.
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