09.05.2017 – Bert Brecht und Helene Fischer

schifffahrt regierungsviertel1
Dem unbekannten Stadtführer auf der Schifffahrtstour durch das Regierungsviertel in Berlin gewidmet.
Solche Touren macht man, wenn man Fremden die Stadt zeigen will und man vom Cruisen durch Berlin ermattet ist. Wenn man Pech hat, kriegt man bei den Touren einen Führer, der einen mit den immer gleichen Fips Asmussen Witzen zur immer gleichen Stelle wahnsinnig macht. Wenn man Glück hat, kriegt man ein Tonband abgespielt, das erleichtert das Weghören. Wenn man großes Glück hat, kriegt man einen Stadtführer, wie den oben im Bild. Neben der selbstverständlichen Sachkenntnis und Zweisprachigkeit ganz großes Stand Up Theater, geniales Feeling für Impro und perfektes Gespür dafür, linke Botschaften so subkutan-inexplizit an die Frau zu bringen, dass auch ein CDU Kreisverband sich hinterher nicht bei seinem Arbeitgeber über linksradikale Indoktrination beschweren kann. Ich merkte nach zwei Sätzen, was da vorne abging, war schwer begeistert und sparte nicht mit Beifall, Daumen hoch und zustimmendem Gejohle. Das Restpublikum glich eher einer Ansammlung von unbeseelten Lehmklumpen. Der Vorhof zur Hölle. Was den unbekannten Stadtführer nicht verdross:
„Und links am Schiffbauerdamm sehen Sie das Haus des Berliner Ensembles, das maßgebend geprägt wurde von Bert Brecht und Helene Fischer. Toll, was die Frau alles macht.“
Pause. Ich lag mit Lachtränen schon lange am Boden. Er:
„Das war jetzt ein Test, ob Sie auch aufpassen. Es war Helene Weigel, nicht Helene Fischer. Helene Fischer is, by the way, our Celine Dion. Aber keine Angst, nachher kommen wir noch an einer Strandbar vorbei, am Mon Bijou Park, da können Sie dann wieder nach rechts gucken.“
Die Lehmklumpen rührten sich nicht. Er:
„Meine Witze versenden sich offensichtlich.“
Ich war am Ende der Fahrt außer Rand und Band.
Zum Schluss bedankte ich mich bei ihm, mit Trinkgeld und natürlich Lob, und der Bemerkung: „Schade, so viele Perlen vor so viele Säue.“ Das ließ er, zu Recht, als Profi so nicht stehen: „Ich versuche, es möglichst breit aufzustellen und allen Recht zu machen.“ Als ich schon auf der Gangway war, rief er mir halblaut nach: „Danke fürs Mitmachen, das passiert nicht so oft.“
Nachtrag: Das mit den Lehmklumpen muss ich etwas relativieren, der Beifall fiel sehr freundlich aus und es war ein regelmäßiges Klimpern im Trinkgeldtopf zu hören, fast alle gaben was.
Der Typ ist vermutlich Mitte 20 und schon jetzt so gut, dass ich ihm wünsche, dass er nicht auf diesen Dampfern verschimmelt. Ich hab früher auch Stadtführungen gemacht, im Rahmen von Projekten für die ehemalige Carl-Duisberg- Gesellschaft, und ich war gut darin. Aber ich war nicht halb so gut wie der Berliner und damals hätte ich schon sein Vater sein können.
Wer allerdings irgendwas als Kulturschaffender werden will, muss auch durch Scheiße waten, sei es Verrisse, Verachtung, falsches Publikum oder wenig Publikum.
Ein zuschauer
IGA Berlin, Band, mit einem Zuschauer. Und das ist nicht der Typ am Bildrand, der gehörte zur Band. Der eine Zuschauer war ich. Aber die Band machte trotzdem Power.
Meine geringste Zuschauerzahl bei einem Auftritt waren ca. 10. Viel, viel schlimmer ist falsches Publikum. Das ist die Hölle. Es gibt kein falsches Publikum im richtigen Künstlerleben, es gibt nur eine falsche Show, höre ich da als Einwand?
Da sach ich mal Argumentreduziert: Dummes Zeug

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