
„Die Arbeiter haben kein Vaterland. Man kann ihnen nicht nehmen, was sie nicht haben“ (Karl Marx). Auch wenn mittlerweile das abgewandelte Diktum von Kaiser Wilhelm gilt: „Ich kenne keine Arbeiter mehr, ich kenne nur noch Angestellte“, stimme ich diesem Satz von Marx vollumfänglich zu und hebe zum Zeichen der Zustimmung meine linke Faust. Jeder macht sich halt auf seine Art im Internet durch peinliches Posieren lächerlich, aber ich bin weit jenseits des Stadiums, wo ich mir selbst peinlich wäre. Wenn ich mich mit dem Zustand unserer Gesellschaft vergleiche, komme ich mir ehrlich gesagt wie eine Mischung zwischen Kant, Einstein und Jesus vor. Und das bei aller gebotenen Bescheidenheit.
Wenn ich solche Phrasen höre, dass angesichts der WM – und nicht nur derer – gesunder Patriotismus erlaubt sei, schlägt mein Gehirn Falten. Gesunder Patriotismus ist wie gesunde Beulenpest, ein Widerspruch in sich.
Wat is´ne Patriotismus? Da stelle ma uns mal janz dumm, und sagen, en Patriotismus´ is ne kleine Kieselstein, der rollt ne Abhang runter und reißt ‚n paar jrößere Steine mit, dat is der Nationalismus. Der rollt weiter und reißt noch jrößere Steine mit, dat is der Chauvinismus. Und am Ende ist dat ne Lawin‘ und dann krieje mer Krieg, un den krieje ma späta …
Das Ganze ist eine naturgesetzliche Urgewalt, da kann Jürgen Labermas vom Verfassungspatriotismus faseln, bis ihm das Öl aus der Lampe läuft.

Nogat Klause, Berlin Neukölln.
Leider ist der derzeitige Mangel an nationaler WM Hysterie und Deutschland Fahnen kein Anzeichen dafür, dass der Mob zur Besinnung kommt. Er hat genug andere Felder, auf denen er sich austoben kann. Wenn es die Flüchtlinge nicht gäbe, müsste man sie eigens dafür für den Mob erfinden.
Ich hege ja die leise Hoffnung, dass Fußball mittlerweile so peinlich ist, dass selbst dem Mob die Beschäftigung damit nicht conveniert. Aber ich hege auch die Hoffnung auf einen Sechser im Lotto und eine eigene Fernseh-Show.
Aber natürlich schaue ich mir die Partie der Ostgoten heute Abend an. Als Zocker will ich wissen, wie meine Wette auf das Ausscheiden der BRD läuft. Es geht mir wie jedem Spieler nicht um den Gewinn, sondern um das Spiel als solches, das Adrenalin, wenn Schweden in der letzten Minute das 2:1 erzielen könnte …
Und dann stünde ich als allwissender Wettgott (siehe Jesus) da. Diese Funktion von gesellschaftlicher Distinktion qua Fußball (!) Wette ist durch kein Geld der Welt zu bezahlen.