14.04.2019 – Immer nur Jesus, Maria und Joseph


Bildnis einer jungen Frau mit entblößter Brust. Um 1525. Berliner Gemäldegalerie.
Unlängst weilte ich in der dortigen Ausstellung „Bellini und Mantegna“, italienische Maler der Renaissance. In Feinheiten sicher interessant, die Beiden gelten als Meister der inventione, der malerischen Erfindungen. So war bei einem Portrait der Hintergrund komplett schwarz, das hatte es wohl bis dato noch nicht gegeben. Aber die Motive waren komplett sakral, biblisch und ein begleitender Freund seufzte irgendwann zu Recht:“Immer nur Jesus, Maria und Joseph, irgendwann reicht’s.“ Ausserdem lungerte da nur Bildungsbürgerrentnervolk rum, es war vormittags. Dieses Volk kann ich echt nicht leiden, mit wichtiger Miene kenntnislos die im Feuilleton gefeierten Blockbuster abklappern und mir die freie Sicht auf die Bilder nehmen, das schätze ich überhaupt nicht. Ich kann ja nicht alle beiseite rempeln.
Aber offensichtlich waren Bellini und Mantegna Wegbereiter, denn ihre Innovationen brachen auch motivischen Neuerungen Bahn. Keine 30 Jahre später ist das obige Bild, das in einem Nebenraum hing, entstanden und da ist von der Bibel keine Rede mehr.
Ein paar Schritte weiter, hinter der Potsdamer Brücke, wurde es sofort wieder weniger erbaulich. Nach meiner Wahrnehmung nimmt nicht nur die Zahl der Bettelnden zu (die alle immer sofort mich ansteuern,mir scheint das Wohlfahrtsgen ins Gesicht geschrieben), sondern auch die der psychisch Auffälligen. In Berlin scheint mir das extrem auffällig,quasi exponentiell gesteigert. Liegt das an dieser Ballung auf engem Raum, wo man den Glücksversprechungen des Kapitalismus dauernd ausgesetzt ist, permanent von ihnen angeschrien wird, aber deren Erfüllung weiter weg als der Mond ist, unerreichbar für immer mehr Menschen? Ist sowas zum verrückt werden?
Ich weiss es nicht, aber die Fallhöhe aus den Tempeln des Bildungsbürgervolkes ist mitunter hoch und wenn die Inszenierung dort wie im vorliegenden Fall mal nicht so erbaulich ist, hat der Lärm, der Dreck, das Chaos des Molochs Berlin einen schnell wieder im Griff.
Und das ist auch gut so.

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