19.04.2019 – Umzug nur noch in der Holzkiste mit den Füßen voran


1. Mai, Faust hoch Demo, Block gegen Verdrängung. Wer sich ein bisschen in subkultureller Semantik auskennt, weiß, dass es bei der hier angekündigten Veranstaltung eher vermummt und rustikal zugeht. Nachdem ich den letzten 1. Mai in Hannover als so deprimierenden Tiefpunkt der jahrelangen negativen Entwicklung der 1. Mai Veranstaltungen erlebt habe, dass ich mir vornahm, den diesjährigen lieber in Berlin zu feiern, besteht also Hoffnung, dass sich was verändert. Die Mietensituation spitzt sich so dramatisch zu, dass sie sich als Kulminations- und Schnittpunkt diverser politischer Strömungen zu entwickeln scheint, radikale linke Formen des Protestes inclusive. Und das ist dringend nötig, denn bisher ist die wachsende Spaltung zwischen Arm und Reich nur trübbraunes Wasser auf die erbärmlichen Mühlen rechter Rattenfänger.
Ich werde trotzdem in Berlin abhängen, die Maigeschichte in Hannover ist für mich auserzählt. Man sollte wissen, wann eine Geschichte zu Ende geht, sonst rennt man wie ein Hamster in der Laufrolle einem imaginären Ziel entgegen, ohne jemals vom Fleck zu kommen. Mich würde allein schon interessieren, was es für 1. Mai Folklore in Berlin gibt, neben dem klassischen DGB-Zug zum Brandenburger Tor, sicher mit einer machtvollen Blablabla-Ansprache irgendeines Gewerkschafts-Vorsitzenden. In Kreuzberg gibt es das Myfest, da treten sich wahrscheinlich die Touris gegenseitig die Hühneraugen platt, auf dem Mariannenplatz ist bestimmt wieder die Avantgarde der autonomen Folklore unterwegs.

Autonome Folklore 1. Mai 2016 in Hannover.
Außerdem gibt es sicher diverse Umzüge irgendwelcher stalinistischen, maoistischen oder sonstigen Spinnersekten und vielleicht noch irgendwas Dadaistisches. Wo ich am liebsten mitmachen würde. Irgendwie passt das mit den ganzen Umzügen auch, denn ich ziehe in Berlin ebenfalls um, von Kreuzberg nach Moabit. Ich hasse Wohnumzüge, und wenn es nach mir geht, mache ich in meiner Original-Homebase nur noch einen, nämlich in einer Holzkiste raus, mit den Füßen voran. Allein dieses Kistenpacken, da krieg ich Pestbeulen, wenn ich nur daran denke. Aber in Berlin flattere ich als „möblierter Herr“ von WG zu WG, da brauch ich immer nur meinen Kulturbeutel (warum heißt der eigentlich nicht Zivilisationsbeutel?) einzupacken, meinen Helm aufzusetzen und mit dem Fahrrad den Kiez zu wechseln. Den Soundtrack dazu liefern Bad Company mit Movin on. „Movin on“ nicht nur im Sinne von Umzügen, Weiterziehen, sondern Veränderung grundsätzlich, ist interessanterweise ein Topos, dass bei schwarzer Musik Soul, Reggae, Funk etc. , selten vorkommt, das ist mehr weißer Shit. Doch das zu ergründen, würde den Raum hier sprengen. Booom.

Black music inna Kreuzberg. Motown Soul, nicht Philly. Wer sich ein bisschen in subkultureller Semantik auskennt, weiß hier Bescheid.
Ich freu mich auf Moabit. Bei mir um die Ecke dort gemahnen mich die mächtigen Wände der legendären Justizvollzugsanstalt daran, die Finger von illegalen Aktivitäten zu lassen. Oder mich zumindest nicht erwischen zu lassen. In Moabit saß übrigens Erich Honecker ein. Zweimal, einmal bei den Nazis 1935, und dann nochmal 1992. Da waren die Nazis aber nicht mehr an der Macht, sondern schon alle tot.
Fast alle.
Fröhliche Ostern, liebe Leserinnen.

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