06.05.2019 – Faust in die Fresse


Satyr und Faun“ aus der Alfred Hrdlicka Ausstellung im Berliner Käthe-Kollwitz-Museum . Hrdlicka – Motto „Alle Macht in der Kunst geht vom Fleische aus – war eine Art Rustikal-Radikal-Humanist und überragender Skulpturalist. Als der Obertrottel Wolf Biermann gegen den von den Nazis verfolgten Stephan Heym nachtrat, bezeichnete Hrdlicka ihn als „angepassten Trottel“ und auch sonst war sich der Mann für keine Raufhändel zu schade.
Anfang der Neunziger kaufte das hannöversche Sprengel-Museum den „Haarmann-Fries“ von Hrdlicka. Aufgrund massiver Kritik an dem vermeintlichen „Denkmal für den Massenmörder Haarmann“ verschwand das Werk jedoch bis heute im Depot des Museums.
Das erträgt der ehrenwerte hannöversche Bürgermob bis heute nicht, dass ihm ein radikaler Mensch und Künstler den Spiegel vorhält. Ist doch der Massenmörder Haarmann ihr Kind, als Ausgeburt der Hölle des ersten Weltkrieges, in den das Bürgertum mit Hurra und Tschingderassabum marschierte, in der Aussicht auf Beute und die wahre Größe Deutschlands. Die es ja dann mit Hilfe Hitlers ein paar Jahre später auch erreichte. Jeder, der in dieser Stadt an dem Trauma Haarmann rührt, erntet einen Proteststurm sondergleichen.
Keine Probleme hat der Bürgermob hier und anderswo dagegen damit, dass deutsche Waffen und deutsches Geld weiter in aller Welt mitmorden. Das Recht auf Beute in Form von Dividenden deutscher Waffenschmieden betrachtet er als Menschenrecht und wer wie Kevin Kühnert daran rührt, wenn auch in anderen Zusammenhängen, dem würden, zumindest zu Haarmans Zeiten, die Killer der Freikorps auf den Leib rücken. Heute erledigen das doitsche Betriebsräte, aber nur verbal. Seien wir also dankbar für zivilisierte Zeiten.
Solange es sie noch gibt.
Die Hrdlicka-Ausstellung war also Pflicht, ich war allein mit der Kunst und es war alles aufs Äußerste angenehm und gut.
Zurzeit bin ich allerdings auf Erlebnishunger und es brauchte danach etwas ganz anderes. Wingsuit-Fliegen, Survival-Durchquerung der Sahara nur mit einem Schweizer Armee-Messer oder ähnliches ist nicht mein Ding. Meine individuelle Dekonstruktion der alltäglichen Routinen und des öden Allerleis aller Tage, derer noch nicht Abend ist, besteht eher in der Zusammenführung vollkommen entgegengesetzter Welten, quasi von Antagonismen, Dinge, die einem in einer Art Kulturschock die Perspektive weiten und das Denken einer Veränderung unterziehen. Was z. B. am 1. Mai die revolutionäre Mai-Demo in Verbindiung mit dem Business Lunch bei Lanninger war, wurde am Tag der Hrdlicka-Ausstellung der nachfolgende Besuch des Imax-Kinos am Potsdamer Platz, wo man den Blockbuster „Avengers Endgame“ in 3 D gab.
Es war spektakuläres Überwältigungskino der grandiosen Art, ich saß zusammengefaltet in meinem Sessel und dachte jeden Moment, mir fliegt irgendeine Faust aus der Leinwand direkt in die Fresse.
Im Rausgehen überlegte ich, wie viele Menschen sich am selben Tag eine Hrdlicka-Ausstellung und einen Imax Film wie Avengers angucken.
Charmanten Start in die Woche, liebe Leserinnen.

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