17.07.2019 – Ein Gespenst geht um in Europa: das Gespenst des Feminismus


Zwei Jungen beim Damespiel, Henri Matisse, Berggruen-Museum Berlin.
Ein Gespenst geht um in Europa: das Gespenst des Feminismus. Mit diesem Fanfarenstoß nach Art des Hauses Marx beginnt ein Raimund Krupinski seinen Leserbrief, der in der HAZ am 16.07.2019 veröffentlicht wurde, um danach die Unverschämt der Weiber anzuprangern, die so dreist sind, wenigstens einen kleinen Teil vom Kuchen einzufordern. Krupinski hat offensichtlich mittlere Reife und das lässt er die HAZ-Leserinnen auch spüren, als er die Verantwortung der Weiber für sämtliches Unbill der Weltgeschichte zitiert:
„Hat nicht Salome den Kopf des Johannes gefordert, Kleopatra die römischen Legionen aufeinandergehetzt, Lady Macbeth ihren Mann zu blutiger Mordtat angestachelt und nicht zuletzt Margret Thatcher ihre Soldaten gegen Argentinien in den Krieg geschickt?“
Abgesehen davon, dass das mit Salome eine Legende ist, Bibel Gedöns halt, war es ein Mann, nämlich Herodes, der Johannes köpfen ließ. Den Königsmord an Duncan beging ein Mann, eben Macbeth, und für die Kriege um und in Ägypten waren Männer verantwortlich, Cäsar und Marcus Antonius. Das mit Margret Thatcher ist korrekt.
Hätte Krupinski zumindest Dreiviertelbildung, wüsste er, dass in der Originalversion des Salome-Mythos die Rolle der Salome ein Mann einnahm, nämlich ein römischer Lustknabe, zu dessen Begehren ein Mann, ein römischer Konsul, einen Gefangenen erschlagen ließ. Das wurde Jahre später in die Rolle einer Frau umgedichtet. Von einem Mann, dem römischen Geschichtsschreiber Titus Livius.
Die Figur der Salome wurde wie kaum eine andere Frauenfigur später in der Kunstgeschichte zu einem weiblichen Archetyp inszeniert, den männermordenden, mit bedrohlich-verschlingender Sexualität ausgestatteten Vamp. Es waren alles Männer, die ihre abgründigen Obsessionen und Projektionen an der nie existiert habenden Salome austobten, wie der von mir ansonsten hoch adorierte Caravaggio, von dem aktuell ein Werk im Barbarini-Museum in Kotsdam zu besichtigen ist. (Mit einem Motiv, dass ich mir auf mein T-Shirt drucken lasse: Der Narziss.)
Unser wackerer Raimund Krupinski, dem wohl leider eins seiner zwei Bücher Zuhause auf den Kopf gefallen ist, kriegt, und das muss ihm der Neid lassen, literarisch gesehen adäquat die Schlusskurve seines Leserbriefes und endet in einem regelrechten Finale furioso:
„ … Die Welt wäre eine bessere, wenn die Frauen das Sagen hätten, sagen die Frauen. Ja, zumindest die Klimakatastrophe wäre uns erspart geblieben. Denn wir würden immer noch in kalten, unbeheizten Höhlen hausen, weil Rad und Feuer noch nicht erfunden wären…“
Hier lähmt Ergriffenheit vor einem solchen Übermaß an Däm(!)lichkeit meine Feder. Da fällt mir nichts zu ein und so halte ich es mit dem Leserbriefschreiber Thomas Weiler am gleichen Tag, der die Ehre der Männer rettet mit der vollkommen berechtigten Frage: „Aber vielleicht wird uns so langsam klar, dass das „Experiment Mensch“ seinem Ende entgegengeht?“
Das Experiment Mann auf jeden Fall.

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