03.08.2019 -Stirb!


Die! Berlin, Nähe Checkpoint Charlie. Potzdonner, dachte ich im Vorbeiradeln, ein fulminanter, kreativer Weckruf zum Zustand der Welt. Stirb, Globus! Ein Menetekel, die Zeichen aber nicht an der Wand, wie im famosen Heine-Gedicht von König Belsazar, sondern im Wind, den schwankenden Zustand von Mutter Erde im Werk aufnehmend. Großartig, welch Künstlerin steckt dahinter? Frug ich mich, trat in die Eisen und eruierte. Aber ach!

Werbeballon für das Springerblatt „Die Welt“. Herrjemine.
Die Welt ist ein Jammertal, Enttäuschungen, Niederlagen, Demütigungen durch den Lauf der Geschichte allenthalben. Seit dem Ende des IMF Vertrages gestern setzt ein Rüstungswettlauf verstärkt wieder ein, wo die Weltuntergangsuhr eh schon auf zwei Minuten vor 12 steht, so weit fortgeschritten wie nie. Die Älteren haben es noch in Erinnerung, das Wettrüsten im vorigen Jahrtausend, das unter anderem die Neue Friedensbewegung hervorbrachte, mit Protestformen wie einem „Die-In“, wo Menschen in der Stadt auf Kommando wie tot umfielen. Ein Ziel des Westens war bei diesem Waffenwettlauf unter anderem, den Osten totzurüsten, was auch klappte. Das „Reich des Bösen“ konnte die Kosten nicht mehr tragen, der Ostblock implodierte, „wir“ hatten gewonnen. Alles wurde gut, „Das Ende der Geschichte“ trat ein, also der weltweite Sieg der liberalen Demokratie und ein immerwährender Friedenszustand, mit der dazugehörigen „Friedensdividende“, mehr Wohlstand für alle.
Das glaubten Anfang der 90er jedenfalls die, die nach der ersten Klasse die Volksschule verlassen hatten und auch noch an den Klapperstorch glaubten. Denjenigen, die bis zur zweiten Klasse durchhielten, fiel das biblische Gleichnis von den zwei Bäckern ein:
„Denn siehe, spricht der Herr, wo aber zwei Bäcker in einer Straße sind und einer davon zumacht, so wird der andere sofort die Preise erhöhen, denn wahrlich, wahrlich, ich sage Euch, wo keine Systemkonkurrenz herrscht, da gehen die Preise zum Teufel, und es werden nur noch wenige sein, die sich leckere Brötchen leisten können.“
Die Bibel hat doch recht und so kam es auch. Prompt setzten selbst in Europa wieder Kriege ein, unter anderem auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien, allenthalben zerfielen die Staaten, Demokratie ist mittlerweile Mangelware, was bedeutet, sie wird ordentlich durch die Mangel gedreht.
Die sozialen Wohltaten, die das Kapital vor dem Untergang des „Reich des Bösen“ notgedrungen an die hiesigen Systeminsassen verteilt hatte, um sie bei Laune zu halten, sammelte es ruckzuck wieder ein, die andere Bäckerei hatte ja zugemacht. Während die Vermögen der Superreichen unvorstellbare Dimensionen annahmen, nimmt auf der anderen Seite der Hunger weltweit zu, massive Armutsmigration wird immer mehr. Das Vermögen der 500 reichsten Deutschen übertrifft den gesamten Staatshaushalt der BRD um ein Mehrfaches, während die Armut hier seit den Neunzigern um 50 Prozent zugenommen hat.
Das sind in sehr kurzen Worten die gesellschaftlichen Folgen des – vom „Reich des Guten“ gewonnenen – Wettrüstens im vorigen Jahrtausend. Da frage ich mich als jemand, der sogar bis in die dritte Klasse gekommen ist: Wie werden wohl diejenigen Folgen nach dem Ende des jetzigen Wettrüstens aussehen? Geschichte wiederholt sich angeblich nicht, es sei denn als Farce oder Tragödie. Wenn das, was in den 90ern ff. die Farce war, wie sieht dann die Tragödie aus?
Eine Veranstaltung, bei der ich lieber nicht dabei sein möchte. Charmantes Wochenende, liebe Leserinnen.

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