27.12.2019 – Sei ruhig, aber bei Facebook


Sei ruhig. 1958 Skatverein 1958 e. V. Mit einer Installation aus Schinkenhäger und Fussball-Weihnachtsmännern (sic!). Zeitgenössische Kunst, präzise und radikal kritisch.
Oder sollte ich mich da täuschen…?
Der Name des Skatvereins könnte auch programmatisch über den 50ern des Wiederaufbaus stehen: Sei ruhig, deutscher Michel. Kein Wunder, dass darauf die „Wilden 60er“ folgten. Die wiederum die Basis für das „Goldene Zeitalter des Kapitalismus“ legten, die von Reformen geprägten 70er. Von nun ging‘s bergab, zumindest aus kritischer Sicht: 80er Stagnation und Aufstieg des Finanzkapitalismus, 90er Wegfall der Ost/West Systemkonkurrenz und Siegeszug des Neoliberalismus, 00er Finanzkrisen, und die zurückliegenden 10er sind gekennzeichnet durch … darüber streiten sich die Auguren noch…ich tippe mal: durch verpasste Chancen, dramatischer formuliert: Ruhe vor dem Sturm. Wir haben gesehen, dass wir so nicht weiter wirtschaften können aus globaler Sicht, was soziale und ökologische Konsequenzen betrifft, die Fakten und Analysen sind bekannt. Was dagegen unternommen wurde, entnehmen sie den Abendnachrichten: Nahezu Nichts. Noch nicht mal ein lächerliches Tempolimit ist möglich.
Mit Vorhersagen über die Zukunft bin ich vorsichtig, meine Trefferquote aus Jahrzehnten Lottotippen lehrt mich Demut. Aber es gehört nicht viel soziologische Phantasie dazu, sich vorzustellen, was passiert, wenn sich die nächste Flüchtlingskrise mit einer Wirtschaftskrise überlagert. Nochmal 1 bis 2 Millionen Flüchtlinge bei gleichzeitigen 5 Millionen Arbeitslosen wie Anfang 2000er und das eventuell verstärkt durch den Strukturwandel in Branchen wie Automobil, Banken, Versicherungen … Ob dann das gesellschaftliche Klima hierzulande durch Toleranz & Diskurs gekennzeichnet sein wird, da habe ich meine Zweifel.
Noch lässt sich der gewerkschaftsdoitsche IG Metall-Facharbeiter trösten mit der Aussage, dass der Strukturwandel der Arbeitswelt keine Massenarbeitslosigkeit produziert, die Arbeitsplätze sich nur verlagern, in den Dienstleistungssektor. Wenn er merkt, dass dort keine 5.000 im Monat zu verdienen sind, sondern nicht mal die Hälfte, als Paketzusteller bei Hermes oder Pommesbruzzler in der Klopsbratküche, dann gute Nacht, Marie. Dann wacht nämlich der Gewerkschafts-Michel auf. In der DNA der IG Metall ist durchaus noch ein Rest Kampferfahrung bis hin zur Militanz vorhanden. Wenn sich das mal ins Rechtspopulistische wendet (der Anteil von AfD-Wähler*innen unter Gewerkschaftsmitgliedern ist jetzt schon überdurchschnittlich und es gibt erste rechte Betriebsräte) , würde man sich die 50er und „Sei ruhig“ wieder zurück wünschen ….Aber versuchen Sie mal, Zahnpasta in die Tube zurück zu drücken.
Sehr schön finde ich übrigens die Dialektik von Tradition und Moderne im Bild oben:
Sei ruhig, aber bei Facebook. Wenn sich sogar Skatvereine von 1958 e. V. dem Veränderungsdruck der Moderne stellen, wo soll das noch enden …

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