08.02.2020 – Kranke Phantasien


Kaum ist mal 1 (in Worten: ein) Künstlerkollege zu Besuch, schon sieht’s aus, als ob sich Dylan Thomas, Joseph Roth und Charles Baudelaire zu einem Arbeitstreffen verabredet hätten. Alle drei Autoren, jeweils Meister ihres Faches, starben im Alkoholdelirium, keine 50 geworden, beim Schwerstkiffer Baudelaire kam Syphilis dazu.
Der Mythos, dass zum Künstlerleben Sex and Drugs and Alcohol dazu gehören wie die Gauloise zum Frühstück, ja, die Boheme-Existenz überhaupt ein Zustand im Dauertran sei, dürfte in Zeiten des Religionsersatzes „Körperkult & Fitnesswahn“ nachhaltig zerbröselt sein. Heute punkten Kulturproduzenten (für Frauen als Kulturproduzentinnen galten und gelten andere Mythen & Normen im Kulturbetrieb) mit dem Bild eines lässig um den Hals geworfenen Handtuchs, farblich dezent kontrastierend zum verschwitzten Designer T-Shirt, nach einem Halbmarathon, in der Hand irgendein isotonisches Blubberwasser.
Dass Künstler durch solcherlei Sittenwandel auch substantiell professioneller geworden sind, kann ich aus meiner Erfahrung nicht bestätigen. Erst unlängst durfte ich wieder im Rahmen eines kleinen Projektes einen beklagenswerten Mangel an Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit, Struktur erleben. Eigenschaften, die mir Hass und Mordgedanken durchs Gemüt rasen lassen und meine Sichtweise bestätigen:
Künstler sind wie Atomkraft und Krieg – Nein Danke und nie wieder!
Es sei denn, ich lasse mir im Vertragswerk schriftlich volles Sanktionsdurchgriffsrecht bei solch unfassbaren Regelverstößen wie „Fünfminütige Verspätung bei Treffen“ zusichern. Sanktionen wie Nacktes Strafexerzieren um 6 Uhr morgens bei Minusgraden und Ostwind. Oder 24 Stunden kein Alkohol.
Da seien aber kranke Phantasien, höre ich da besorgte Sozialarbeiterinnen und Studienräte aufjaulen?
Nicht meine Phantasien sind krank, die Wirklichkeit ist es. So wird der Drops gelutscht.
Mit diesem Eintrag, liebe Leserinnen, sehen Sie aber eine der zentralen Funktionen vom Führen eines Blogs erfüllt: Er ersetzt die Couch des Therapeuten. Einfach mal sanktionsfrei den Müll der letzten Tage von der Seele reden. Zu den weiteren Funktionen eines Blogs kommen wir demnächst, wir werden uns dazu des Hegelschen Begriffs der „Dialektischen Aufhebung“ bedienen. Es wird spannend, bleiben Sie drin, liebe Leserinnen.
Für Heute enden wir dem Fluch des göttlichen W.C. Fields:
„Welcher Mistkerl hat den Korken von meinem Mittagessen geklaut?“

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