12.02.2020 – Ich bin Millionär


Autofahren kostet einen Otto Normalverschrotter durchschnittlich 330.000 Euro im Leben, wenn er Pech hat, kostet es ihn sogar das Leben. Ich fahre kein Auto. Also 330.000 Euro gespart. Ich zahle keine Miete. Sind nochmal ca. 310.000 Euro. Ich hab keine Kinder. Pro Kind bis zum Abschluss eines Studiums weitere 230.000 Euro Ersparnis. Bei 1,59 Kindern (BRD-Durchschnitt) sind das 365.700 Euro.
Macht zusammen 1.005.700 Euro, die ich gespart habe. Endlich Millionär. Jetzt muss ich nur noch das Loch in meinem Konto finden und dann wird aber sowas von geprasst…
Der Auslöser für eine derart erfreuliche Rechnung war der Anblick von Alice „leider nicht im Wonderland“ Weidel neulich im TV, beim Zappen durch irgendeinen Talk Blabla. Ihre ziemlich kranke Gesichtsmischung aus versuchter und miserabel gespielter Blasiertheit zu den Einlassungen Anderer und dem unverhohlen an der Gesichtsfront brodelndem Hass ließ mich verweilen für ein paar Augenblicke, und sinnieren über die psychischen Abgründe in der Politik, insbesondere die psychische Grundierung von politischen Einstellungen. Oder grundsätzlich: Was ist die Basis für Einstellungen und Meinungen?
Nach meiner Meinung werden (partei-) politische Einstellungen zu einem unterschätzten Ausmaß von Charakterausprägungen, mentaler Disposition und Neurosen bestimmt.
Alice Weidel ist als Lesbe Führungsmitglied einer faschistischen Partei, in deren Struktur der Hass auf alle Minderheiten eingeschrieben ist. Das auszuhalten, erfordert eine enorme Verdrängungsleistung und das sowas an anderen Stellen emotionale Kosten hat, immer öfter immer massiver irgendwo durchbricht aus dem Blubbern des Unterbewussten, schlimmstenfalls an der Gesichtsfront, ist offensichtlich. Weidel wird ahnen, dass sie sich der oberflächlichen Akzeptanz – nicht: Toleranz! – ihrer Gang nicht dauerhaft sicher sein kann. Im Konfliktfall wird ihr „Anderssein“ ein Thema, hinter ihrem Rücken, und dann Gnade ihr Göttin. Die Original-Nazis haben mit dem schwulen SA-Führer Röhm kurzen Prozess gemacht, als er anfing zu nerven, und danach war Schluss mit Toleranz gegenüber Schwulen: Rosa Winkel und KZ. Lesben wurden damals nur deshalb nicht flächendeckend verfolgt (es gab keinen lesbischen Komplementär-Paragrafen zum 175er), weil Frauen einfach nicht wichtig genug waren in der Nazi-Wahrnehmung und ihnen kein eigenes Begehren unterstellt wurde. Da fehlte die Projektionsfläche für Männer-Hass. Das sieht heute ganz anders aus. Da sind Lesben durchaus nicht nur Projektionsfläche für Nazimänner-Hass, sondern ganz konkrete Angriffsziele. Wenn Weidel nur einen Funken Humanität ausstrahlen würde, täte sie mir fast leid.
Drolliger sieht es mit der Grundlage für politische Einstellungen aus. Autoritäre, anale Zwangscharaktere, die vor jedem Schutzmann Männchen bauen und zwang(!sic)haft dem Ordnungs- und Sauberkeitswahn frönen, sind klassische Beute für rechte Parteien, auch anfällig für linke Dogmatik. Wer Flugangst hat, ist natürlich für radikale Einschränkungen beim Fliegen: grüne Beute. Wer unter Modernisierungsbedrohung leidet (fragen Sie mal in der Klapsmühle nach, wie viele Leute da sind, die diesem Druck nicht mehr standhalten), wird eher CDU und AfD-Beute.
Autos haben mich schon immer mit Angst und Schrecken erfüllt. Ich hab keins, siehe oben. Daher bin ich radikal für autofreie Innenstädte.
Wir sehen: Auf Befindlichkeiten, Ängste werden passende (politische) Einstellungen draufgesattelt und danach mit Argumenten legitimiert.
Kein Wunder, dass Logik, Verstand, Ratio, Aufklärung im derzeitigen Diskurs untergehen.
Wir suchen uns unsere Argumente nach unseren Neurosen. Wie sieht’s bei Ihnen damit aus, liebe Leserinnen? Viel Spaß bei der Reise nach innen.

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