13.02.2020 – Die Kunst findet nicht im Saal statt


Die Kunst findet nicht im Saal statt. Armut erst recht nicht und schon gar nicht im Sitzungszimmer.
Manchmal aber doch, zumindest Diskussionen zu ihrer Bekämpfung. Wobei Armutsbekämpfung an den doppelten Sisyphos erinnert. Kaum hat man den einen Stein den Berg hochgerollt, rollen zwei andere ihn wieder runter. Der Stein auf dem Berg ist in diesem Bild eine Landeswohnungsbaugesellschaft, die in den nächsten Jahren zehntausende Wohnungen im mittleren und unteren Preissegment bauen soll, nichtprofitorientiert. Die Landesarmutskonferenz fordert das seit Jahren und die SPD hat das nach langem Widerstand endlich in ihr Programm zur Landtagswahl aufgenommen.
Endlich mal Licht am Tunnel, dachte ich.
Aber ach, schon purzelten die Erinnerungen an die Diskussion über teurere Lebensmittel, wachsende Energiekosten, Armut durch Pflegekosten durch mein Hirn, und damit diverse Steine den sisyphitischen Berg wieder runter. Die Erinnerungen endeten nicht beim Betrug bei Mindestlöhnen, wo Millionen von Menschen sogar um die paar kargen Cents beschissen werden, die ihnen gesetzlich mehr zugestanden wurden. Eine unglaubliche Verrohung, aber das ist ja nichts Neues an der Kapitalistenfront.
Derart gemütsgebeutelt wollte ich mir ein paar schöne Stunden machen und ging gestern ins Kino. Das war von allen dümmsten Entscheidungen der letzten Tage die allerdämlichste. Nach dem neuen Film von Ken Loach „Sorry we missed you“ war ich derartig frustriert und deprimiert, dass ich gleich eine Handvoll rosa Pillen gebraucht hätte, um mich mental auf Normalniveau zu bringen. Details über den Film kann die geneigte Leserin hier nachlesen, es geht um die Verwüstungen, die der Neoliberalismus an der Gesellschaft und in den Individuen anrichtet. Der Film hatte kein Hollywoodesken Kameraschwenks, Zooms und Schnitte, mit den neuesten Hits als Filmmusik, nötig, um in mir ein Maximum an Emotionen, und damit den Idealfall von Kunst, zu erzeugen. Gerade der sparsame, quasidokumentarische Einsatz filmischer Mittel im Sinne eines kritischen Realismus erzeugte derartig viel Wut und Trauer in mir, dass ich noch vor Abspannende raus musste, ins Freie, mehr Luft. Unterwegs stellte ich irritiert eine gewisse Erschöpfung fest. Die frische Luft des Sturmes hatte die Emotionen eigentlich weggepustet und soo überarbeitet bin ich eher nicht, dass mich eine zweistündige Sitzung an den Rand eines Burnout bringt.
Vermutlich war sie das Ergebnis der Message von Loach. Da war im Gegensatz zu früheren Filmen von ihm nichts tröstliches mehr, keine Hoffnung auf Solidarität im Kollektiv oder zumindest schlitzohrige Konterstrategien des Prekariats gegen die Überwältigung durch den Kapitalismus wie in „Angels‘ Share“ .
Das war so ungefähr das Letzte, was ich brauchte, eine Bestätigung meiner eigenen dystopischen Weltsicht durch einen realistischen Filmemacher.
Armut – das ist doch keine Kunst? Von wegen. Im Fall Ken Loach sogar hohe Kunst.
Und der Abend endete doch noch tröstlich. Es gab zum xten Mal alte Folgen (mit dem durchgeknallten Drogenbold Charlie Sheen) im TV der Sitcom „Two and a half men“. Da flossen bei mir doch noch Tränen. Lachtränen. Und das, obwohl ich die Dialoge mitsingen kann, so oft hab ich die Folgen schon gesehen.
Auch das ist Kunst.

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