
Plakat aus dem DGB-Archiv zum 1. Mai 1973, Berlin .
Heuer fällt der 1. Mai als Kampftag der Arbeiterklasse, an deren Seite ich nach wie vor unverbrüchlich stehe, wegen Corona aus. Das ist auch besser so, denn nichts macht die aktuelle Schwäche der Gewerkschaftsbewegung offensichtlicher als das deprimierende, Rollatorgestützte Häuflein Halb-Aufrechter, die hier in Hannover noch mitwanken. Dass der Altersdurchschnitt dieses 1. Gerontologischen Volkskongresses unter 100 war, lag nur daran, dass ich unverdrossen mitmarschierte, und ich bin weiß Marx auch nicht mehr der Jüngste…(Auch wenn es sich nicht so anhört, diese Kolleg*innen haben meinen Respekt und Solidarität)
In jeder Krise steckt aber eine Chance, um hier mal tief in die Plattitüdenkiste zu greifen. Und Meister Hölderlin zufolge wächst, wo aber Gefahr ist, das Rettende auch, und zwar in diesem Fall in meiner Person. Mit einer Intervention zum 1. Mai, an deren Design ich gerade arbeite, mehr darüber demnächst hier und in der Weltpresse.
Grundsätzlich wird meine Intervention dem ranzigen Mai-Charme von Bratwurst, Freibier (Corona!) , Erbsensuppe und DGB-Chor mit „Brüder zur Sonne, zur Breitheit“ oder „Völker, wo sind die Urinale?“ den Wind der Veränderung einhauchen. Kunst ist, um in der Plattitüdenkiste weiter zu stöbern, schön, macht aber viel Arbeit. Heißt im vorliegenden Fall: Recherche. Bei meiner Recherche für besagte Intervention stieß ich auf die Galerie der Plakate des DGB zum 1. Mai seit Adam und Eva, ein Sammelsurium von grafischen Entgleisungen und verzweifelt Harmoniesüchtigen Formelkompromissen a la: „Für ein soziales Europa!“ Wer hätte je öffentlich ein asoziales Europa gefordert…
Mir fiel sofort das Plakat zum 1. Mai 1973 ins Auge. Wer sich ein bisschen in der Ikonografie radikaler linker Bewegungen der Nachkriegszeit auskennt, sieht, das hier in Form- und Farbsprache und auf der Ebene der Botschaft linksradikale Gesinnung dokumentiert ist: Das Schwarzrot der Anarchisten, später im schwarzen Block der Autonomen verankert, ist ebenso explizit wie der Klassengegensatz „Kapital – Arbeit“, der sonst auf keinem DGB Plakat in der Form ausgesprochen wird. Die Begrifflichkeit „Mai-Ausschuss“ knüpft an den „Wohlfahrtsausschuss“ der französischen Revolution an und die Aufzählung der Bündnispartner war viel geübte linksradikale Praxis in jener goldenen Zeit der Revolte, die übrigens auch gleichzeitig das Goldene Zeitalter des Kapitalismus war, so viel Dialektik muss sein. Dieser Fund, Ausdruck ‘73 offensichtlich noch vorhandener starker linksradikaler Strömungen im DGB, ließ mich weiter recherchieren und ich gelangte, nicht zum ersten Mal, auf das Mao Projekt, ein Archiv linker radikaler Opposition aus jenen Tagen.
Unter dem 1. Mai 1973 ist hier eine verwirrende Vielfalt von sich gegenseitig bis aufs Messer bekriegender Politsekten und Strömungen dokumentiert, die sich in x Maidemos manifestierte, wo allerdings jeweils mitunter Tausende mitmarschierten. Insgesamt wohl bis 50.000, inklusive verschnarchter Reste offizieller DGB „Bonzen“, die folgendes Saalprogramm anboten:
„’Paul Kuhn und das SFB-Tanzorchester, Potpourri; Work Song; Der Mai ist gekommen; If I Had a Hammer… Musik-Schau, Olivia Molina, Paul Kuhn und das SFB-Tanzorchester – Glory, Glory Halleluja; Schön ist die Welt; So oder so (Olivia Molina); Godfather …“
Lustiger ging es beim Anarchistischen Arbeiter Block mit 1000 Leuten zu, wo auch Ton, Steine Scherben aufspielten, während die KPD mit der Parole „Gegen die Arbeiterfeindliche Brandtregierung“ den roten Wedding belästigte. Was für eine verrückte Zeit. Mehr darüber demnächst. Mein DGB-Lieblingsplakat bleibt aber das von 1956

1. Mai 1956.
Die Fünftage-Woche war endgültig 1967 erkämpft worden. Ich kann mich noch erinnern, Samstags meinen Vati ins Büro begleitet zu haben, um in die faszinierende Welt von Bleistiftkurbelanspitzern und Walter RKZ Rechenmaschinen einzutauchen.
Heidewitzka, wie bei den Erinnerungen meine 1. Mai-Intervention Wind in die schwarzroten Segel bekommt…
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