20.07.2020 – Mein vorinsterlierter Compter.


Handelt es sich hier um ein Kofferwort, zusammengesetzt aus den Begriffen „installiert“ und „sterilisiert“? Macht ja Sinn, dann wäre der Compter Virenfrei. Beim Anblick dieser Fundsache bei mir umme Ecke aus dem Zentrum des Wahnsinns, auch Realität genannt, ploppte ein Bild in mir hoch. Eine Fundsache von Erinnerung aus einer kurzen und vergangenen Episode der Kommunikations- und Mediengeschichte. Irgendwann in den Neunzigern, genau weiß ich es nicht mehr, tauchten in Hotels und Pensionen in meinen Urlaubsregionen vermehrt PCs mit Internetzugang für die Gäste auf. Die Dinger hatten einen Münzeinwurf, es fing an mit einem Euro für eine Viertelstunde Internet. Ich habe das gerne genutzt, um die schwarze Wand der nicht beantworteten Mails Zuhause nicht zu groß werden zu lassen, aber auch für Infos und vor allem für die Wetteraussichten. Anfangs, es gab damals noch keine Smartphones und ein Laptop hab ich zweimal in den Urlaub mitgeschleppt, dann wurde mir das zu blöd, waren diese PCs durchaus begehrt. Obwohl ich nie zu Hauptreisezeiten urlaube und es immer entsprechend leer in den Unterkünften war, traf ich doch des Öfteren beim täglichen Check auf analoge Wesen am PC, mit denen sich sogar mitunter ein Gespräch ergab. Ich bin sonst im Urlaub eher Gesprächsflüchter, tu mich nicht gerne gemein, daher erinnere mich an solche analogen Vorfälle im digitalen Umfeld durchaus. Wie an einen Engländer, mit dem ich nach Austausch einiger Smalltalks über Wittgenstein und Boolesche Algebra sogar mal einen Port in einer Hafenkneipe nahm.
Innerhalb weniger Jahre griff das eherne kapitalistische Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate auch bei diesen PCs. Laptops wurden transportabler, der Internetzugang mit ihnen einfacher, dann kamen Smartphones auf und nachdem besagte PCs für ein paar Jahre kostenlos zu nutzen waren (was in besseren Etablissements meist von Anfang an der Fall war), sind sie seit einigen Jahren entweder völlig aus dem Geschehen verschwunden oder fristen in irgendwelchen dunklen Ecken ihr Dasein. Zu Beginn eine Goldgrube, ihre Anschaffung dürfte sich in einer Saison mehr als amortisiert haben, und nun im Alteisen und das innerhalb von maximal 20 Jahren: der Wandel schreitet nicht, er rast. Auch das im Kleinen eine Form der Disruption.
Jetzt, wo die Erinnerung daran wieder da ist, vermisse ich diese Dinger und die hybriden Kommunikationssituationen in Vermischung von analoger und digitaler Welt irgendwie.
Das hat ja auch mit Triebbefriedigungskonstellation zu tun. Mit heutigen Smartphones wird jedes Informations- und Kommunikationsbedürfnis potentiell sofort befriedigt. Damals dauerte das und hatte eine Art der Vorlust. Ich dachte beim Frühstück daran, vor dem Abmarsch den PC-Gang nicht zu vergessen, und wenn dann wieder irgendein Idiot vor einem dran war, setzte das Warten, gekoppelt mit leichter Anspannung, ein.
Man muss doch nicht immer alles sofort kriegen. Das ist wie mit Weihnachten früher: Vorfreude ist die schönste Freude und der Akt als solcher ist mitunter gar nicht mehr so überwältigend. Was ja auch die Crux mit jeder Sucht ist: Im Rausch selber findet Erfüllung nicht statt, sie verweht zu schnell.
Aber das ist eine ganz neue Geschichte. Da es hier gleich anfängt zu regnen, hänge ich für einen Moment Urlaubserinnerungen nach, von PCs mit Münzeinwürfen.

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