15.11.2020 – Nein zum MERKILL-Faschismus!


Quer“denker“ Demo, Hannover, 13.11.2020. Zu wenig Liebe als Kind, als kleiner Dicker beim Fußball immer als Letzter in die Mannschaft gewählt oder Hantavirus-Befall? Wie um der Hölle Willen kommt jemand auf so eine Wahrnehmung unserer Gesellschaft als tödlichem, von Merkel gesteuerten Faschismus? Als bei der Demo der Bus des Verschwörungsideologen Schiffmann eintraf, dem Erfinder der Querdenker-Bommel, was kein Witz ist, ging ein sich langsam aufbauendes Raunen durch die Menge, was sich zu einem rhythmischen Sprechchor verdichtete. Es hatte etwas messianisch Anmutendes. Angesichts der Tatsache, dass sich das alles direkt am Holocaust-Denkmal abspielte und die Polizei keinerlei Anstalten machte, wie andernorts die Demo mit Wasserwerfern aufzulösen, obwohl die Mehrzahl dort keine Masken trug und dicht bei dicht stand, packte mich ein Würgen. Ich trollte mich.
Musste ich mir sowas antun? Reicht da nicht Zeitungslektüre?
Natürlich nicht. Politische Bildung kann nur durch Praxis nachhaltig erfolgen. Über die Wahrnehmung, was sind das für Leute, wie sind die drauf, was für Fahnen, Parolen, Rituale, welchen Habitus, Klassenzugehörigkeit usw.
In Hannover anderes Bild als z. B. in Berlin, kein Naziblock auf den ersten Blick, wenig Parolen, kaum Fahnen, nur zwei, drei bunt-alternative Peace Fahnen, ein anscheinend repräsentativer Querschnitt durch die Bevölkerung, Loser, Verpeilte, Alternative, Normalos, Wohlsituierte… Der Irrsinn kommt aus der Mitte der Gesellschaft und geht quer durch sie.
Linke sind nicht dabei. Wer mit Nazis marschiert, ist kein Linker.
Wäre dieser messianische Schiffmann Chor nicht gewesen, hätte ich vielleicht Schulterzuckend und emotionslos die Wallstatt geräumt. So aber blieb ein unguter Cocktail aus Wut, Trauer, Ungläubigkeit, mit einem Dash Cognac Pierre Ferrand aus dem stets mitgeführten Flachmann. Gerade bei Demo-Feindbeobachtung gilt: Stets mit Haltung, Stil und Niveau.
Wo bleibt das Positive? Das Gefühl, Emotion gespürt zu haben. Was in Zeiten mangelnder Kultur, Restaurantbesuche, Reisen, Action etc. ja schon ein Wert für sich ist. Sich selber mal intensiver zu spüren als beim Zähneputzen ist in Zeiten gleichförmigerer Tage nicht das Schlechteste.
Und eine Beobachtung im Mikrobereich: Das von mir oben geschilderte Eintreffen des Querdenker-Bommel Schiffmann beschrieb die hiesige Bürgerpresse wie folgt: „Applaus brandete auf.“ Diese falsche Wahrnehmung der Realität bringt das Elend der Bürgerpresse auf den Punkt: Sie hat vom Ganzen nur einen Schimmer, eine ungefähre Ahnung, schaut nie genau hin und ist des Edelsten beraubt, was uns die Aufklärung an die Hand gegeben hat: Der radikalen Kritik der bestehenden Verhältnisse.
Es reicht eben nicht Zeitung zu lesen. Entscheidend is auf‘m Platz.

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